Ist Radverkehr tatsächlich nur ein Thema der Grünen in Sachsen? Eigentlich nicht. Selbst ein Mann, der für seine konsequente Autopolitik bekannt war, äußerte jüngst - am 15. April - die Worte: "Der Anteil des Radverkehrs nimmt stetig zu und wir wollen diese positive Entwicklung gemeinsam mit Partnern in den Kommunen und Landkreisen weiter vorantreiben." Der Mann heißt Sven Morlok, FDP-Mitglied und derzeit Verkehrsminister in Sachsen.

Natürlich war die Äußerung auch schon Teil des Wahlkampfes. Die FDP möchte schon gern auch im nächsten sächsischen Wahlkampf vertreten sein und so verkündete Sven Morlok in letzter Zeit mit großem Eifer, was er alles ins Programm nehmen würde, wenn er auch nach dem 31. August noch Verkehrsminister ist. Dazu gehört auch die Umsetzung der neuen Radverkehrskonzeption.

“Seit 2009 haben wir über 50 Millionen Euro in Radwege investiert. Auf diesem Niveau fördern wir weiter. 2014 stehen rund 10 Millionen Euro zur Verfügung. Das SachsenNetz Rad soll eine Premiummarke für den Radverkehr werden”, betonte Sven Morlok am 15. April noch.

Primär sollen die Fördermittel in die qualitative Verbesserung der bereits bestehenden Radwege investiert werden. Dazu gehören vor allem eine durchgängige, sichere Befahrbarkeit sowie ein einheitliches Wegweisungskonzept, zum Beispiel durch Zielwegweiser mit Knotenpunktnummern. Ein besonderes Anliegen des Verkehrsministers ist die bessere Verknüpfung von Radverkehr und ÖPNV/SPNV. Hierfür sind ausreichende und sichere Abstellmöglichkeiten an Übergangsstellen, bedarfsorientierte Mitnahmemöglichkeiten und eine einheitliche Tarifgestaltung für die Mitnahme von Fahrrädern im ÖPNV zu gewährleisten.

Aber es ist bei diesen Zahlen wie bei den Millionenbeträgen, die gern als Förderung für den ÖPNV und für das Straßensanierungsprogramm genannt werden. Sie klingen mächtig gewaltig. Doch in den Verlautbarungen der sächsischen Staatsregierung werden die notwendigen Vergleichszahlen immer weggelassen. Sind 10 Millionen Euro für den Radverkehr in Sachsen viel? Sie klingen nach viel.

Aber sie sehen sehr mager aus, wenn man die – nach Einschätzung der Grünen – “ohnehin geringen Mittel für Radwegförderung im sächsischen Haushalt” aus der vorletzten Legislatur mit dem vergleicht, was unter Sven Morlok draus geworden ist: Die Mittel wurden von 2010 bis 2013 nämlich um 42 Prozent gekürzt. Bundesmittel flossen erst recht nicht mehr ins Radwegenetz. Von den 88 Millionen Euro, die Sachsen jährlich vom Bund für kommunale Verkehrsinfrastruktur bekommt, werden 75 Millionen Euro für Straßenbau, 13 Millionen Euro für den ÖPNV und 0 Euro für Radinfrastruktur ausgegeben. Damit bildet Sachsen bundesweit das Schlusslicht, stellten die Grünen am 24. Juli fest, als sich in Leipzig die grünen Spitzenkandidaten aufs Rad schwangen und ihre Kampagne für mehr Radverkehr starteten.

“Bei der Radverkehrsförderung hinkt Sachsen den anderen Bundesländern deutlich hinterher. Obwohl sich die Radfahrer längst die Innenstädte zurückerobert haben, gibt es keine konzentrierte Förderung für den Radverkehr, auch um etwa Gefahrenstellen zu beseitigen und dafür zu sorgen, dass Radfahrer und Fußgänger nicht in Konflikt geraten”, erklärte Claudia Maicher, Landesvorstandssprecherin der Grünen und Direktkandidatin.Was dann von der sächsische Radwegeförderung übrig bleibt, fließt vor allem in touristische Radinfrastrukturen – wie jetzt aktuell beim Bau eines Teilstücks der Parthe-Mulde-Radroute im Abtnaundorfer Park. Das hübsche Wort, das die Staatsregierung dafür erfunden hat: “SachsenNetz Rad”. Das ist ein Landesnetz für den Radtourismus, so das Verkehrsministerium. Unter der Dachmarke werden Radfernwege, regionale Hauptradrouten und sonstige Strecken zusammengefasst. Mit Stand 2013 umfasste SachsenNetz Rad zehn Radfernwege und 63 regionale Hauptradrouten. In der aktuellen Ausbauplanung umfasst SachsenNetz Rad 2.245 km Radfernwege und 2.385 km Regionale Hauptradrouten sowie 487 km sonstige Strecken (gesamt 5.117 km Länge).

Aber Radverkehr ist eben nicht nur eine Sache für Touristen. Im Gegenteil: Als innerstädtisches Verkehrsnetz wird das Radwegenetz immer wichtiger. Und tatsächlich ist es überhaupt kein ehrgeiziges Ziel, wenn sich Leipzigs Verwaltung zu kläglichen 18 Prozent Radverkehr bis 2020 bekennt – es werden mehr sein. Und in einer Stadt wie Leipzig wären 30 und 40 Prozent kein unerreichbares Ziel. Doch die letzten Bürgerumfragen haben sehr deutlich gezeigt, dass viele Leipziger das Radfahren scheuen, weil es nicht genug sichere Radwege gibt.

Zeichen dafür, dass die Politik noch lange nicht in umweltfreundlichen Verkehrskategorien denkt. Auch nicht beim eigenen Verhalten.

Für die 85.000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen (Statistisches Jahrbuch 2013) stehen nur 716 Fahrräder, 46 Transporträder und vier E-Bikes zur Verfügung. Also ein Fahrrad auf 112 Beschäftigte. Ein E-Bike steht, wie wir mittlerweile wissen, sogar im Sächsischen Verkehrsministerium.

“Die Äußerungen der CDU auch auf kommunaler Ebene zum Thema ‘Rüpel-Radler’ lesen sich vor diesem Hintergrund ganz anders”, stellte Grünen-Direktkandidat Jürgen Kasek im Juli, als die “Rüpel-Radler”-Diskussion von der Leipziger CDU forciert wurde, fest. “Überall dort, wo die CDU die Möglichkeit gehabt hätte, durch bauliche Anlagen dafür zu sorgen, dass Radfahrer verkehrssicher auf der Straße fahren können, etwa durch den Ausbau des Fahrradstraßennetzes, hat sie sich gesperrt. Auch der Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht, die an vielen Stellen der Stadt rechtswidrig besteht, hat sie nicht zugestimmt. Die vorhandenen Konflikte zwischen Fußgängern und Radfahrern hat die CDU an vielen Stellen mit zu verantworten.”

Die Grünen wollen nun, dass die unter Sven Morlok beschlossenen Kürzungen auf Landesebene zurückgenommen werden. Der Ausbau von Abstellanlagen soll vorangebracht und der Anteil straßenbegleitender Radwege an Bundes- und Staatsstraßen solle verdoppelt werden. Sie fordern die Überprüfung der Radwegbenutzungspflicht sowie die Förderung der Verkehrsarten des Umweltverbundes. An der Gefahrenstelle am Leipziger Hauptbahnhof setzen sie sich für die Umnutzung einer Autospur zugunsten des Radverkehrs ein, um so die dort auftretenden Konfliktsituationen zu entschärfen.

Und wo die sächsische FDP derzeit plakatiert “Ihr Auto würde uns wählen!” könnten die Grünen durchaus berechtigt plakatieren: “Ihr Fahrrad würde uns wählen.”

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar