Viele Baustellen, Stau, schlechter Fahrbahnbelag, marode Brücken - wenn der PKW-Fahrer an deutsche Autobahnen in so manchem Bundesland denkt, dann überkommt ihn zunehmend ein leichtes Gruseln. In Sachsen wurde seit der Wende kräftig gebaut. Der Bau der A38 südlich von Leipzig, der Bau der A17 von Dresden bis zur tschechischen Grenze und der Aus- bzw. Neubau der A72 sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Das sächsische Autobahnnetzt umfasst heute 576 Kilometer. Die L-IZ hat sich zu den "Lebensadern" im Freistaat mit Markus Löffler vom ADAC Sachsen unterhalten.
Eine Erkenntnis geht durchs Autofahrerland. Zuletzt verstärkt durch eine “Zoom”-Reportage, in welcher die ZDF-Reporter marode Brücken, Dauerstaus und fehlende Investitionen herausarbeiteten. Immer neue Autobahnbauten scheinen nicht mehr wirklich finanzierbar, die Bestandserhaltung zeigt längst sichtbare Risse nicht nur an den Brücken des Landes. Eine Erkenntnis, welche in Sachsen Fehler verhindern könnte, welche andere Bundesländer längst gemacht haben. Im sächsischen Landesverkehrsplan wurde bereits festgeschrieben, dass der Schwerpunkt künftig auf dem Erhalt und auf bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, und weniger auf dem Neubau liegen soll.
Es komme dabei mehr auf die intelligente Vernetzung der vorhandenen Strukturen und Technologien ankomme, heißt des aus dem Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Wir haben uns mit Dipl.-Ing. Markus Löffler vom sächsischen ADAC unterhalten und ihn nach seiner Einschätzung der Lage aus Sicht des Automobilvereins gefragt.
Wie ist der allgemeine Zustand der Autobahnen in Sachsen nach Einschätzung des ADAC?
Durch die hohen Investitionen seit der Wende steht Sachsen heute vergleichsweise gut da. Abgesehen von Baustellenbereichen gibt es keine permanent überlasteten und dadurch staugefährdete Strecken.
Durch welche Umstände entstehen die meisten Schäden?
Die stärksten Belastungen entstehen durch den Schwerverkehr. Man schätzt, dass ein 40t-Lkw die Straße so stark belastet wie etwa 160.000 Pkw-Überfahrten. Ungewiss ist derzeit, ob neben einem 2010 sanierten, 10 km langen Teilstück der A14 weitere sächsische Autobahnabschnitte vom sog. “Betonkrebs” betroffen sind.
Wo müssen nach Ansicht des ADAC in den nächsten Jahren die Schwerpunkte liegen?
Der Schwerpunkt in Sachsen wird neben der Fertigstellung der A72 Chemnitz-Leipzig ganz klar auf dem Erhalt des bestehenden Netzes liegen. Wenn man bedenkt, dass die ersten neu gebauten Autobahnen schon wieder 20 Jahre alt sind, wird deutlich, dass hier in den kommenden Jahren Erhaltungsmaßnahmen erforderlich werden. Wie immer im Straßenbau lohnt es sich hier, rechtzeitig in ein konsequentes Erhaltungsmanagement einzusteigen. Wenn notwendige Arbeiten auf später verschoben werden, steigen die Kosten dann sehr stark an.
Wie steht der ADAC zu der Kürzung der Bundesmittel für den Autobahnbau in Höhe der eingenommenen Maut? Droht Sachsen ein Infrastruktur- und Instandhaltungskrise?
Durch die bislang erhobene Lkw-Maut haben sich keine nennenswerten Verbesserungen für den Verkehrsetat ergeben, da in ähnlichem Umfang bisherige Steuermitteln nicht mehr zur Verfügung gestellt wurden. Insofern wird zwar die Zweckbindung der Mautmittel eingehalten, ohne aber einen spürbaren Effekt zu erzielen.
Ziel einer verlässlichen Infrastrukturpolitik muss es sein, dauerhaft und gesichert ausreichende Etats zur Verfügung zu stellen, um erforderliche neue Vorhaben umsetzen zu können und vor allem, um dem drohenden Substanzverlust in der Infrastruktur entgegen zu wirken.
Wie ist der Standpunkt des ADAC zu der Frage der Autobahnprivatisierung?
Der ADAC lehnt eine materielle Privatisierung – d.h. einen tatsächlichen Verkauf der öffentlichen Straßen durch den Staat an Private – entschieden ab. Allerdings wird eine solche “echte” Privatisierung zurzeit auch nicht diskutiert. Vielmehr stehen sogenannte Öffentlich Private Partnerschaften (ÖPP) zunehmend im Fokus der öffentlichen Debatte.
Bei ÖPP im Straßenbau werden Abschnitte der Bundesautobahnen im Rahmen sogenannter Betreibermodelle an Private zum Ausbau und anschließender Erhaltung für zumeist 30 Jahre vergeben. Das Eigentum an den Straßen verbleibt dabei beim Staat. Der Private finanziert den Ausbau und erhält eine zeitliche Konzession zum Betrieb der Strecke. Hierfür erhält er vom Staat ein vertraglich vereinbartes Entgelt.
Durch die private Vorfinanzierung bei ÖPP erhofft sich die öffentliche Hand einen wirtschaftlicheren Bau und Erhalt der Strecken, so dass am Ende der Laufzeit Mittel eingespart werden konnten. Ob sich diese Hoffnung realisieren wird, lässt sich zurzeit noch nicht abschließend bestimmen. Der Bundesrechnungshof äußerte diesbezügliche Bedenken. Andere Gutachten sprechen von einer verbesserten Wirtschaftlichkeit.
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Für den ADAC steht im Vordergrund, dass wesentliche Engpässe im Fernstraßennetz sehr zeitnah beseitigt werden können. Von der unstrittig schnelleren Realisierung der Projekte profitieren vor allem die Autofahrer – durch weniger Stau und verringerte Unfallgefahr. Langfristig muss sich aber neben diesen eindeutig positiven volkswirtschaftlichen Effekten auch die Betriebswirtschaftlichkeit von ÖPP erweisen. Wichtig ist, dass ÖPP immer nur als Beschaffungsalternative zum konventionellen Bauen verstanden wird. Dagegen ist es ausdrücklich keine Finanzierungsalternative, d.h. die Politik darf nicht der Versuchung erliegen, sich mit ÖPP Dinge zu leisten, die eigentlich nicht finanzierbar wären.
Gibt es generelle Kritik des ADAC an der Verkehrspolitik in Sachsen?
Die Verkehrsinfrastruktur in Sachsen ist auf einem guten Stand. In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen, über das Jahr 2019 hinaus Mittelzuweisungen durch den Bund sicher zustellen, um vor allem das kommunale Straßennetz erhalten und an den erforderlichen Punkten ausbauen zu können. Hier besteht noch großer Handlungsbedarf, z. B. beim Thema kommunaler Straßenbrücken.
Zum ADAC Sachsen
ZDFzoom: “Kaputt gespart” vom 18. Juli 2014
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