Im neuen Stadtrat wird er dann wohl nicht mehr vertreten sein: Jens Herrmann-Kambach, verkehrspolitischer Sprecher der Linksfraktion, zuletzt immer deutlicher in seinen Mahnungen, dass man den ÖPNV in Leipzig nicht derart heruntersparen kann, wie das seit drei Jahren passiert. Jetzt legt er nach und schreibt eine geballte Mahnung - auch an die neuen Stadträte und Stadträtinnen. Hier ist sie in voller Länge.
Langfristige Finanzierung des Nahverkehrs wird immer prekärer – ducken sich Verantwortliche von Stadt, MDV und Verkehrsunternehmen vor der Realität?
Jens Herrmann-Kambach
Seit Jahren macht Die Linke auf die sich immer komplizierter gestaltende Finanzsituation des Öffentlichen Nahverkehrs aufmerksam, ohne bei anderen Fraktionen oder dem Oberbürgermeister jedoch wirklich Gehör zu finden. Initiativen der SPD und der Grünen gehen nicht weit genug. Man fühlt sich fast wie der sprichwörtliche einsame Rufer in der Wüste.
Schon im Februar 2013 beschloss der Stadtrat auf Antrag der Linken die Erarbeitung eines Strategiepapiers zur alternativen Finanzierung des ÖPNV. Passiert ist bisher wenig. Einen brauchbaren Ansatz gibt es nicht.
Nach wie vor bleibt die Frage: Reichen die 45 Millionen Euro zur Finanzierung des Straßenbahn- und Busverkehrs noch aus bzw. welche Leistung kann man tatsächlich noch für 45 Millionen Euro bekommen? Und: Wie kann endlich dem immensen Investitionsstau begegnet werden?
Während geduldig an Konzepten “gearbeitet” wird, spitzt sich die Lage fast quartalsweise zu. Ist den Verantwortlichen etwa nicht klar, in welcher Finanzierungslücke der ÖPNV in der Region steckt? Kennen der Oberbürgermeister und sein Kämmerer etwa die finanzielle Lage der Leipziger Verkehrsbetriebe nicht? Wurden Gutachten wie zur Finanzierung des ÖPNV von Prof. Monheim oder andere zum Investitionsbedarf der sächsischen Verkehrsunternehmen zur Kenntnis genommen und verstanden?
Oder ist es den Verantwortlichen schlicht egal, denn sie fahren sowieso nur zu feierlichen Anlässen mit Bahn und Bus?
Statt ernstzunehmender Antworten wird den Nutzern und Mitarbeitern der LVB vorgegaukelt, dass die 45 Millionen Euro ausreichen.
Aber, Fakt ist:
– dass die LVB 2012 einen Jahresfehlbetrag von knapp 4 Millionen Euro und 2013 von über 2 Millionen Euro erwirtschafteten und diesen nur über die Entnahme aus Rücklagen ausgleichen konnten,
– dass die Langsamfahrstellen im Streckennetz der Leipziger Bimmel immer weiter zunehmen und dass die aktuellen Baumaßnahmen einem Investitionsstau, welchen die LVB bereits selbst in 3-stelliger Millionenhöhe schätzen, lediglich die Spitze nehmen,
– dass es der LVB immer schwerer fällt, das notwendige Personal für die Bahnen und Busse unter den gegebenen Tarifbedingungen zu halten, geschweige denn zu gewinnen.
Und Fakt ist auch, dass pünktlich zum 1. August eines jeden Jahres die Fahrpreise erhöht werden.Wir haben uns die Mühe gemacht, aus den veröffentlichen Daten der Verkehrsunternehmen der Region, des Verbundes deutscher Verkehrsunternehmen, des Freistaates Sachsen, der Bundesregierung sowie aus wissenschaftlichen Gutachten eine Vorausschau erstellt.
Wir gelangen zu dem alarmierenden Ergebnis, dass wenn nicht gehandelt wird, in zehn Jahren
– für den Betrieb des ÖPNV jährlich Mehrkosten in Höhe von 70 Millionen Euro zu tragen sind, welche dann nur durch eine Fahrpreiserhöhung von rund 70 % erwirtschaftet werden können – bei gleichbleibenden Fahrgastzahlen kostet dann der Einzelfahrschein 4 Euro,
– der Investitionsstau sich trotz jährlicher Investitionen um 50 bis 75 % erhöhen wird,
– der ÖPNV sich qualitativ nicht deutlich verbessert hat,
– der ÖPNV über weniger Straßenbahnkilometer verfügt und die Taktzeiten der Bahn auf 15 oder 20 Minuten ausgedünnt wurden,
– weniger Fahrgäste gezählt werden und gleichzeitig der MIV deutlich zunimmt,
– der Straßenausbau, einschließlich Mittlerer Ring, wieder auf der Tagesordnung steht und den Haushalt der Stadt Leipzig deutlich mehr als je der ÖPNV belastet,
– die Schadstoffbelastung deutlich zugenommen hat und die EU wegen der deutlichen Überschreitung der Schadstoffwerte Strafgelder gegenüber dem Bund /dem Freistaat verhängt,
– der ÖPNV von Mitarbeitern erbracht wird, welche mehrheitlich weiterhin nach einem Haustarifvertrag und deutlich unter dem TV- N Sachsen bezahlt werden.
Engpässe im Leipziger Straßenbahnverkehr: Gibt es einen Fahrermangel bei den LVB?
In den letzten Juni-Wochen …
10-Minuten-Takt am Samstag in Leipzig: Linke beantragt jetzt eine Vorlage für alle Straßenbahnlinien
Jetzt hat er mehrfach angefragt …
LVB in der Finanzierungsklemme: 45 Millionen können nicht genug sein
Wirklich Neues haben Norbert Menke …
Dies kann nicht der mehrheitliche Wille der Stadt und ihrer Bürger sein!
Deshalb fordere ich als verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE:
– die kurzfristige Erhöhung des Finanzierungsbeitrages der Stadt Leipzig für das Jahr 2014 auf 47 Millionen Euro sowie mindestens eine jährliche Anpassung dieses Betrages um 5 %,
– die schnellstmögliche Überarbeitung des bestehenden Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages,
– die Zahlung einer jährlichen Investitionspauschale durch die Stadt in Höhe von 5 Mio. Euro zum wirklichen Abbau des Investitionsstaus ab 2015,
– eine klare Regelung im Nahverkehrsplan (analog der Stadt Halle), welche sicherstellt, dass alle Mitarbeiterinnen Mitarbeiter im Fahrdienst nach dem jeweils gültigen repräsentativen Tarifvertrag für öffentliche Verkehrsunternehmen vergütet werden,
– einen Ausschluss von Fahrpreiserhöhungen bzw. ihre Begrenzung auf maximal 2 % ab dem Jahr 2015,
– die ernsthafte Prüfung von alternativen Finanzierungsmöglichkeiten wie z. B. Beteiligung aller Nutznießer eines guten ÖPNV, Beteiligung aller Bürger, Jobticket, anteilige Parkgebühren,
– die deutliche Erhöhung der Einflussnahme der Stadt, des MDV und der Verkehrsunternehmen auf Bund und Land mit dem Ziel des Um- und Ausbaus der Fördermittellandschaft unter Berücksichtigung gewachsener Stadträume sowie
– die sofortige klare und ehrliche Aufarbeitung der tatsächlichen finanziellen Lage des ÖPNV und deren Kommunizierung ohne Rücksicht auf anstehende Wahlen.
Die Fraktion DIE LINKE wird die Sommerpause für die Erarbeitung entsprechender Anträge nutzen, um Stadtrat und Verwaltung erneut an ihre Verantwortung zu erinnern.
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