Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) hatte ja gewissermaßen den schöneren Teil des Problems: Alle Einflüsse und Unwägbarkeiten, die die ursprünglich kalkulierten 571,62 Millionen Euro für den Leipziger City-Tunnel regelrecht überfließen ließen, waren vor seiner Amtszeit zu Tage getreten. Damit hatte sich sein Amtsvorgänger Thomas Jurk (SPD) herumschlagen müssen. Was es Morlok leichter machte, sich als energischer Controller zu bewähren, der die Grenze von 960 Millionen Euro garantiert.

Was er auch geschafft hat. Am Mittwoch, 7. Mai, verkündete er dem Haushalts- und Finanzausschuss des Sächsischen Landtags stolz die aktuelle Kostenprognose für den City-Tunnel Leipzig. Das SMWA habe nach Fertigstellung des Projekts im Dezember 2013 (nach vierjähriger Verspätung) die Prognose von 2010 nochmals überprüft und nach unten korrigiert: Statt der vorausgesagten 960 Millionen Euro rechnet das SMWA aktuell noch mit rund 935 Millionen Euro Gesamtkosten für den City-Tunnel. Kommt halt nur drauf an, was man alles mit rein rechnet. Und was nicht.

“Wir haben das Projekt Ende 2009 auf den Prüfstand gestellt und dabei den Sächsischen Rechnungshof eingeschaltet. Zusammen mit allen Projektbeteiligten haben wir daraufhin ein aufwendiges und engmaschiges Controlling eingeführt”, erläutert Sachsens Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Sven Morlok, noch einmal, was in seiner Ägide passiert ist. “Dieser Kraftakt und die enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit zahlen sich aus: Wir haben das Projekt in den Griff bekommen. Die ständigen Kostensteigerungen aus der Vergangenheit wurden gestoppt. Wir haben die Kostenprognose vier Jahre lang gehalten, um sie jetzt nach Fertigstellung des Projekts sogar zu unterbieten. Dafür danke ich auch allen Beteiligten, insbesondere der Projektsteuerung, dem Sächsischen Rechnungshof und den Mitarbeitern im SMWA, ohne deren hohes und professionelles Engagement und tatkräftige Unterstützung in den vergangenen vier Jahren dies nicht möglich gewesen wäre.”

Im April 2011 hatte der Sächsische Rechnungshof sein Gutachten vorgelegt, das bestätigte, dass die Einhaltung des 2010 von der Staatsregierung prognostizierten Kostenrahmens von 960 Millionen Euro möglich sei.

Auch wenn ihm die Linksfraktion mit den beharrlichen Anfragen von Dr. Dietmar Pellmann und Dr. Volker Külow immer wieder Steilvorlagen lieferten, weil die beiden immer wieder schon die 1-Milliarde-Euro-Kostengrenze gerissen sahen, war ab 2009 nicht wirklich mehr mit Kostensteigerungen zu rechnen. 90 Prozent der Aufträge waren vergeben, die beiden Tunnelröhren waren gebaut, die Insolvenz eines großen beteiligten Unternehmens überwunden, auch die Kostensteigerungen durch höhere Sicherheitsstandards schon eingerechnet.

Was sollte da noch kommen? Dass die Kosten scheinbar in den ersten sechs Jahren seit Baubeginn 2003 “explodiert” waren, hatte schlicht mit dem politischen Selbstbetrug aller Beteiligten zu tun, die das Projekt schon im Vorfeld kostenseitig klein rechneten, um es in den politischen Gremien überhaupt zur Abstimmung zu bekommen. Auch der Rechnungshofbericht, auf den sich Sven Morlok immer wieder gern bezieht, betonte, dass eine realistische Kostenkalkulation auch 2003 schon von über 750, wohl sogar 900 Millionen Euro hätte ausgehen müssen. Das ist die Krux bei solchen Großprojekten: Sie werden dem Volke gern preiswerter verkauft, als sie wirklich sind.Und mit der Eingrenzung der Kosten für den City-Tunnel allein setzt Morlok die Schönrechnerei natürlich auf andere Weise fort. Das trifft auch auf die jetzt scheinbar “eingesparte” 25 Millionen Euro zu. Sie werden gar nicht eingespart, sondern schlicht anders verrechnet.

“Ein wesentlicher Grund für die Senkung der Kostenprognose ist die Anpassung des Finanzierungsanteils des Freistaates Sachsen an den ausgeführten so genannten ‘netzergänzenden Maßnahmen'”, teilt das Verkehrsministerium mit.

Heißt im Klartext: Der Freistaat hat sich gegenüber der Bahn durchgesetzt, jenen Anteil, mit dem sich der Freistaat an den “netzergänzenden Maßnahmen” beteiligen muss, deutlich zu senken. Die Kosten bleiben nun bei der Bahn, die – abseits der Kosten für den City-Tunnel – rund 300 Millionen Euro noch in all die Maßnahmen investiert hat, mit denen das Streckennetz der mitteldeutschen S-Bahn an den neuen Tunnel angepasst wurden. Es entstanden etliche neue Haltepunkte, neue Gleistrassen wurden verlegt, kilometerweise Lärmschutzwände aufgestellt, auch neue Brücke gebaut. Ohne die Anpassung des Netzes wäre der Tunnel gar nicht nutzbar gewesen. Aber diese Kosten stemmt nun zum größten Teil die Bahn.

Der Finanzierungsanteil des Freistaates Sachsen für die “netzergänzenden Maßnahmen” beläuft sich auf nunmehr 80,5 Millionen Euro und fällt damit deutlich geringer aus als die veranschlagten 98,4 Millionen Euro. Womit man schon einmal den größten Teil der “Ersparnis” beisammen hat, die sich jetzt der Freistaat zugute schreiben kann.

Und das Ministerium betont, dass man mit der Bahn darum sehr hart verhandelt hat: “Bei diesen Verhandlungen war das Gutachten des Rechnungshofes eine wichtige Hilfe. Insgesamt verringert sich der Finanzierungsanteil des Freistaats Sachsen um rund 25,2 Millionen Euro von 495,7 Millionen Euro auf rund 470,5 Millionen Euro.”

“Dieses Ergebnis belegt, dass die Kostenprognose aus dem Jahr 2009 fundiert und sachgerecht war – wie es der Rechnungshof in seinem Gutachten auch bestätigt hatte”, stellt nun Staatsminister Morlok fest. “Der City-Tunnel und das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz sind ein enormer Gewinn für die Region Leipzig. Der Freistaat wird sich auch weiterhin für eine Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs engagieren. Ich schlage vor, die nun frei werdenden Mittel in Höhe von über 25 Millionen Euro für den dringend nötigen Ausbau und die Elektrifizierung der Bahnstrecke Chemnitz-Leipzig einzusetzen.”

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