Am 21. Mai war er mal wieder Thema im Landtag: der Leipziger City-Tunnel und seine Kosten. Denn die schöne Meldung, dass statt der von Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) lange Zeit vermeldeten 960 Millionen Euro am Ende nur 925 Millionen in den Tunnel flossen, glauben weder die Linken (die wieder eine eigene Anfrage gestellt haben), noch die Grünen. Für die stellte in der Landtagsdebatte am 21. Mai die Abgeordnete Eva Jähnigen ein paar Fragen.
Unter anderem zu der Frage, warum der Freistaat Sachsen quasi die Katze im Sack kaufte. “Inzwischen besteht Einigkeit, dass die von aus Zeiten von CDU-Alleinregierungen stammende Vertragsgestaltung zum Bau des Citytunnels ausgesprochen ungünstig für Sachsen war. Die DB AG baut auf Basis unzureichender Vorplanung und bahninterner Zahlen – und der Freistaat übernimmt das Kostenrisiko komplett. Konkret stiegen die Kosten um 68 Prozent. Von diesen übernimmt der Freistaat 80 Prozent”, stellte Jähnigen fest. “Auch wenn das Objekt fertig ist und die Erschließung Leipzigs deutlich verbessert: Die hohen Folgekosten für seinen Betrieb werden die Kassen des öffentlichen Verkehrs belasten und die Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort einschränken. Die Mitverantwortung des ehemaligen Leipziger Oberbürgermeisters Wolfgang Tiefensee aus der SPD an diesem Dilemma soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden.”
In Sachsen dürfe kein Großprojekt mehr ohne öffentlich zugängliche, gründliche Abschätzung des Nutzens und im Vergleich dazu der Investitions- und Folgekosten geplant werden, findet Jähnigen.
Und mit der Schlussabrechnung des sächsischen Verkehrsministers hat sie auch so ihre Bauchschmerzen. “Minister Morlok verkauft es nun sogar als Erfolgsmeldung, dass die Milliardenschallmauer nicht durchbrochen wird und am Ende 25 Millionen Euro weniger Kosten anfallen als befürchtet. Ob diese dann tatsächlich in den von der DB AG bisher abgelehnten Ausbau der Strecke Chemnitz-Leipzig fließen können, wird gewiss davon abhängen, dass die sächsische Regierung eine andere Bahnpolitik macht.”
Denn die Frage bleibt natürlich: Kam die niedrigere Summe zustande, weil wichtige Teile am Tunnel-Projekt gestrichen wurden? Und so fragte Jähnigen am 21. Mai auch: “Wo konkret wird nun gespart? Inwieweit gehen die Einsparungen zulasten der Barrierefreiheit? Wie werden die für die wirtschaftliche Nutzung und Funktionieren des neuen mitteldeutschen S-Bahn-Netzes wichtigen Netz ergänzenden Maßnahmen (sogenannte NEM) realisiert? Welche Fernbahnverbindungen werden ab wann durch den City-Tunnel fahren?”
Und dann kommt sie zur konkreten ÖPNV-Politik des Verkehrsministers, die den Nahverkehr auf Sachsens Schienen kräftig ausgedünnt hat. “Warum gibt der Freistaat eine halbe Milliarde Euro für ein Infrastrukturprojekt dieser Größe aus, um dann durch die Kürzungen bei den Betriebsmitteln für den Schienenpersonennahverkehr die betroffenen Zweckverbände zu Kürzungen zu zwingen?”, fragte Jähnigen. “Was tun CDU und SPD in Sachsen und im Bund dagegen, dass durch Stations- und Trassenpreise gerade im mitteldeutschen S-Bahn-Netz die Kosten steil ansteigen? Wie kämpfen Sie, um eine auskömmliche Regionalisierungsmittel-Ausstattung für Sachsen ab 2015 zu sichern? Werden wir von Ihnen Bundesratsinitiativen für die Trennung von Netz und Bahn erleben, um exorbitante Monopolpreise bei Station und Trassen auf dem Rücken der Fahrgäste Einhalt zu gebieten? – Von diesen Fragen hängt entscheidend die Wirtschaftlichkeit des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes ab. Die Regierung muss sich ihnen als Konsequenz aus den Fehlern der Vergangenheit stellen.”
Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es diese Regierung nicht mehr tun.
Aber Sven Morlok hatte am 8. Mai, als er den neuen Kostensatz von 935 Millionen Euro nannte, auch angedeutet, wohin die 25 Millionen Euro “verschwunden” sind: “Ein wesentlicher Grund für die Senkung der Kostenprognose ist die Anpassung des Finanzierungsanteils des Freistaates Sachsen an den ausgeführten sogenannten ‘netzergänzenden Maßnahmen'”, sagte er.
Was ja dann bedeutet: Die Tunnel-Summe, die Morlok genannt hat, ist nur die für den Tunnel, ohne die Netzergänzenden Maßnahmen rund um den Tunnel. Die kommen also rein rechnerisch obendrauf, wenn man so rechnet wie der Verkehrsminister. Eine Nachfrage bei der Deutschen Bahn AG ergab dazu folgende freundliche Auskunft: “Es gibt zu den Netzergänzenden Maßnahmen im Rahmen des Vorhabens ‘City-Tunnel Leipzig’ noch keine Endabrechnung, jedoch eine mit dem Freistaat Sachsen abgestimmte Kostenprognose in Höhe von 80,5 Millionen Euro.”
Ein Schelm, wer jetzt den Taschenrechner rausholt und das zu den 935 Millionen dazu addiert.
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Aber nicht nur die Grünen bewegte ja auch die Frage: Wurden wichtige Teilprojekte gestrichen, um die Kosten im Griff zu halten? – Zumindest eines bestätigt die Bahn: Einige Teilprojekte wurden in die Zukunft verschoben. Wichtig war, dass der Tunnel im Dezember 2013 funktioniert. Die Auskunft der Bahn dazu: “Sämtliche Maßnahmen, die zur Betriebsaufnahme des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes vorgesehen waren, sind mit Inbetriebnahme des Tunnel in 12/2013 fertiggestellt.”
Das noch einige Teilarbeiten fehlen, weiß man bei der DB. “Für die S-Bahn-Station Markkleeberg-Gaschwitz gibt es derzeit einen Zwischenzustand. Der Endzustand mit der vollständigen Erneuerung aller S-Bahnsteige erfolgt zeitgleich mit dem Komplettumbau des Bf Gaschwitz”, teilt die Bahn mit – aber das wird voraussichtlich erst 2018 der Fall sein.
Ähnlich verhält es sich bei den beiden noch fehlenden geplanten S-Bahn-Haltepunkten in Leipzig-Mockau zu errichten – so ähnlich wie in Gohlis, jeweils für die Linie S 2 und die Linie S 4. Hier hat die DB AG einen Bauhorizont von 2018 bis 2020 im Visier.
Und auch das Thema Barrierefreiheit ist nicht vom Tisch. Die Herstellung der Barrierefreiheit ist noch für die S-Bahn-Haltepunkte Anger-Crottendorf, Markkleeberg-Großstädteln und Markkleeberg-Gaschwitz vorgesehen. Aber in diesen Fällen macht die Bahn die Herstellung der Barrierefreiheit von der verkehrlichen Nutzung abhängig: “Eine Nachrüstung erfolgt erst dann, wenn mindestens 1.000 Ein- und Aussteiger je Werktag zu verzeichnen sind.”
Und auch wenn das alles umgesetzt ist, kann es sein, dass rund um den Tunnel noch das ein oder andere dazukommt: “Der Begriff der ‘Netzergänzenden Maßnahmen’ wird im Rahmen des Vorhabens City-Tunnel Leipzig verwendet. Wie bei jedem S-Bahn-Netz wird in den nächsten 10-20 Jahren eine Weiterentwicklung und Komplettierung erfolgen. Dies hängt von zukünftigen Struktur- und Verkehrsentwicklungen im Einzugsgebiet ab. Daher wird es nie eine abschließende Höhe der Gesamtinvestitionen geben.”
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