CDU-Stadtrat Konrad Riedel ist sauer. Ein Antrag der CDU-Fraktion auf die Bestellung eines in den Bauausschuss berufenen und kundigen Bürgers zur Sicherung eines barrierefreien Bauens und die Schaffung von Barrierefreiheit bei Großveranstaltungen wurde am Mittwoch, 16. April, in der Stadtratssitzung abgelehnt. "Die Verwaltung behauptete, dies alles sei bereits Verwaltungshandeln", stöhnt Riedel.

“Der Leipziger Behindertenverband besitzt mit Dipl.-Ing. Rolf Sondershaus einen bundesweit anerkannten Experten für Barrierefreiheit, der zur Beratung zu diesen Themen in ganz Deutschland herangezogen wird – nur in seiner Heimatstadt Leipzig ist sein Wissen nicht gefragt. Das sei ja alles gesetzlich geregelt, da brauche man keine Beratung, wehrten die anderen Stadtratsfraktionen den CDU-Vorschlag ab”, kommentiert der CDU-Mann die Entscheidung des Stadtrates am Mittwoch. “Frau Hollick (Linke) verstieg sich gar zur Behauptung, die CDU habe den Antrag nur gestellt, weil die Linke beim Antragstellen bezüglich der Barriere am City-Tunnel schneller war. Das knüpft an das Linke-Gezeter rund um das Freiheits- und Einheitsdenkmal an und ist lediglich Wahlk(r)ampf auf niedrigstem Niveau – und hat vor allem rein gar nichts mit verantwortlichem Handeln eines gewählten Stadtratsmitgliedes zu tun!”

Es ist tatsächlich Wahlkampfzeit und die gegenseitigen Vorwürfe, die Anderen machten nur noch Wahlkampf, mehren sich. Aber das Grundthema bleibt. Und nicht nur Linke und CDU sehen da einen blinden Fleck im Leipziger Verwaltungshandeln.

“Nicht nur erstaunlich, sondern entlarvend ist die Tatsache, dass kurz nach den Verwaltungs- und Hollick-Geschwafel in drei weiteren Anträgen anderer Fraktionen über fehlende Barrierefreiheit bei städtischen Planungen geklagt wurde. Ein Antrag des Seniorenbeirats zur Prüfung aller Anträge auf Seniorengerechtigkeit wurde von der Verwaltung ebenfalls abgelehnt, mit der Begründung, dies – also Seniorengerechtigkeit! – sei ‘kein Schwerpunkt der vom Stadtrat beschlossenen städtischen Ziele, das sind Jugend und Familie’. Damit hat die Verwaltung all ihr Handeln im Bezug auf Teilhabe und Lebensqualität der älteren und behinderten Mitbürger erklärt: OBM Jungs Truppen haben sich ausschließlich den Jugendwahn auf die Fahnen geschrieben!”So gesehen, fehlt natürlich das ganzheitliche Denken in der Leipziger Baupolitik. Liegt es daran, dass immer wieder wichtige Unterlassungen passieren wie auf der Verteilerebene zur S-Bahn-Station Hauptbahnhof?

“Ich lebte wie viele andere Leipziger bisher noch im Glauben, dass Ältere auch zur Familie gehören… – ein Irr-Glaube! Erstaunlicherweise wurde aber gegen den Verwaltungswillen wenigstens dieser Antrag von der Ratsversammlung angenommen”, sagt Riedel. “Nicht wenige Fehler beweisen, dass in Leipzig eben nicht so gehandelt wird, wie es gesetzlich geregelt ist, und wenn es nur um Sitzmöbel auf dem Huygensplatz geht – hier hat der Seniorenbeirat bereits Protest
eingelegt. Und die Fortsetzung gibt es auf dem Möckernschen Markt an der Schumann-/Slevogtstraße, wo schon im Herbst 2013 Forderungen des Senioren- und des Stadtbezirksbeirates Nordwest zu Protokoll gingen. – Wann gibt es in dieser Stadt endlich selbständige Teilhabe für alle Bürger?”

Vielleicht aber ist gerade die Sicht auf einzelne Nutzergruppen der Grundfehler? – Jeder sieht nur seinen Abschnitt. Und das nicht nur bei den städtischen Planern. Wenn die Dinge dann aber gebaut werden, stellt sich oft viel zu spät heraus, dass man einen Teil der Verkehrsteilnehmer einfach nicht mitbedacht hat. Oder dass man die Komplexität der Verkehrsströme völlig unterschätzt hat. Wie an der LVB-Haltestelle Hauptbahnhof und den 2006 gestalteten Übergängen. Dafür liegt schon seit 2012 ein Antrag der SPD-Fraktion vor, der auf eine gut sichtbare Kenntlichmachung des Radfahrstreifens vor den beiden Ausgängen des Hauptbahnhofs zielt. Eigentlich kein großes Ding. Heute wissen die Fußgänger nicht, wo sie stehen sollen, viele entwickeln ein erstaunliches Trägheitsmoment, den passierenden Radfahrern jede Durchfahrt zu verstellen. Was nicht an den Radfahrern liegt, sondern an der Nicht-Wahrnehmbarkeit des Radweges. Und ein zusätzlicher Punkt der Irritation: Der Blindenleitstreifen führt direkt auf den Radweg.

Eigentlich ein kleines Ding. Also hat jetzt die CDU-Fraktion einen Änderungsantrag zum SPD-Antrag nachgereicht: “In Höhe der Bahnhofsausgänge West- und Osthalle Richtung Innenstadt wird der Radweg in geeigneter Form so markiert, dass für Radfahrer der Vorrang des Fußgängerverkehrs vor dem Radverkehr eindeutig klargestellt ist”, soll der 1. Beschlusspunkt nun lauten.

Bei der SPD heißt der Punkt noch: “Der Radweg vor dem Hauptbahnhof ist in Höhe der Bahnhofsausgänge West- und Osthalle Richtung Innenstadt durch eine farbige Markierung mit Radfahrpiktogrammen zeitnah in 2014 besser kenntlich zu machen.”

Es kann ja sein, dass Piktogramme einfach zu wenig sind. Der ganze öffentliche Straßenraum ist mit Zeichen und Piktogrammen übersät. Die SPD war dabei schon dem Denken der Verwaltung entgegen gekommen, die vorm Hauptbahnhof lieber dezente Hinweise haben möchte, die das Gesamtbild nicht beeinträchtigen.

Aber das ist die falsche Haltung, findet die CDU-Fraktion. “Eine gut sichtbare Markierung kann die in der Tat bestehende Gefahrenlage abmildern”, erläutert sie ihren Änderungsantrag. “Dabei ist zu berücksichtigen, dass Fußgänger grundsätzlich die schwächsten und schutzbedürftigsten Verkehrsteilnehmer sind und dass an dieser Stelle der Fußgängerverkehr den querenden Fahrradverkehr quantitativ um ein Vielfaches übersteigt. Im übrigen zeigt die Lebenserfahrung, dass die Aufmerksamkeit der den Hauptbahnhof verlassenden Fußgänger auf die aktuelle Ampelschaltung und den Straßenbahnverkehr konzentriert ist.”

Ihr Fazit: “Adressat der Markierung müssen also die den Fußgängerstrom querenden Radfahrer sein, inhaltliche Aussage muss angesichts der beschriebenen Gegebenheiten der Vorrang des Fußgängerverkehrs sein.”

Der CDU-Antrag: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/406A0E29390431F1C1257BE4002E242F/$FILE/v-a-452-bsdblrv.pdf

Der Verwaltungsstandpunkt zum Antrag: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/05B51A245D598B8AC1257C98004A02CF/$FILE/v-a-452-vsp.pdf

Der SPD-Antrag zu den Übergängen am Hauptbahnhof: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/DD51DD15A88710BAC1257AD7003CE819/$FILE/V-a-366-nf.pdf

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