Es ist, als hätte man einen Stöpsel aus der Flasche gezogen: Immer mehr Fernbuslinien gehen in Deutschland ans Netz. Manche werben mittlerweile mit Schnäppchenpreisen ab 1 Euro. Am Mittwoch, 23. April, empfängt Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) in Dresden die 50. Fernbuslinie, die den Freistaat ansteuert. Doch wer fährt eigentlich mit diesen Bussen? Und wer wehrt sich eigentlich?

Ziemlich einsam auf weiter Flur steht der Deutsche Bahnkunden-Verband e.V. (DBV). Denn mit den Fernbussen ist der Bahn nicht nur Konkurrenz erwachsen – die Konkurrenz wird auch noch deutlich bevorteilt. Darum ging es bei der Klausurtagung des DBV vorletzte Woche in Probstzella. Dort hat sich der DBV unter anderem auch mit der fortbestehenden Ungleichbehandlung von Busfernverkehr und Schienenfernverkehr beschäftigt. Die Mitglieder begrüßten die angestoßene Diskussion zur Einbeziehung des Busfernverkehrs in eine zu schaffende Mautregelung oder die Freistellung des Schienenfernverkehrs von den im Moment zu zahlenden Trassenpreisen.

Insbesondere die Klärung von Fragen zur Barrierefreiheit und den Fahrgastrechten halten die Mitglieder für wichtig. Hier bestünde durch zur Zeit völlig unterschiedliche gesetzliche Regelungen bei Bahn und Bus eine überdurchschnittliche Bevorteilung des Busverkehrs. Fernbusse zahlen für die Nutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen keine Maut, der Schienenfernverkehr für die Nutzung von Bundesschienenwegen sehr wohl aber Trassenpreise.

Und da die Streckenkosten entfallen, können die Busse für weniger Geld die Strecke fahren. Was aber nicht nur Bahnkunden zum Umsteigen bewegt. Aber es sind eben doch vor allem frühere Bahnkunden, die auf Fernbusse umgestiegen sind. Mit 44 Prozent machen sie den größten Anteil der neuen Fernbuskunden aus, gefolgt von Autoumsteigern, der mit 38 Prozent zweitgrößten Gruppe der Fernbusnutzer. Das geht aus einer unabhängigen Befragung des IGES Instituts in Kooperation mit dem Vergleichs- und Buchungsportal für Fernbuslinien FahrtenFuchs (www.fahrtenfuchs.de) hervor, bei der 798 Menschen persönlich oder online interviewt wurden.

Erstmals liegen damit anbieterübergreifende Daten vor, welche Kunden zu dem seit gut einem Jahr andauernden Wachstum des Fernbusmarktes beitragen. Danach sind 30 Prozent der Fernbuskunden nicht mehr in Fernzügen wie ICE oder IC sowie 14 Prozent nicht mehr in Nahverkehrszügen der DB AG und deren Wettbewerbern unterwegs.

“Vor allem die günstigen Ticketpreise, die Anbindung auch kleinerer und mittelgroßer Städte sowie die Vielzahl umsteigefreier Verbindungen sind die Gründe, warum Bahnkunden in Fernbusse wechseln”, erklärt dazu Christoph Gipp, Bereichsleiter Mobilität am IGES Institut.Aber auch andere verlieren Kunden: die Mitfahrzentralen.

Angaben des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer zufolge waren 2013 bis zu neun Millionen Menschen in Fernbussen unterwegs. Rund 130 Millionen Menschen nutzten im Vergleich den Eisenbahnfernverkehr. Noch ein Teilergebnis: Zehn Prozent sind Neukunden, die zuvor nicht gereist wären.

Positiver Effekt: Von den 38 Prozent ehemaligen Autofahrern hat jeder vierte den eigenen Wagen stehen gelassen.

Aber es ist auch jeder fünfte Nutzer einer kostenpflichtigen Mitfahrgelegenheit im Pkw auf den Fernbus umgestiegen.

Konkurrenz zum Flugzeug ist der Fernbus – nachvollziehbar – jedoch weniger. Nur vier Prozent der Busreisenden fliegen nicht mehr.

63 Prozent der Befragten gaben als Reiseanlass private Gründe an. Weitere 20 Prozent nutzen den Fernbus für Freizeit- und Urlaubsaktivitäten. Und ihnen gefällt die neue Reisemöglichkeit: 85 Prozent der Kunden sind zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Fernbus. Sie wünschen sich jedoch vor allem besser ausgestattete Haltestellen und funktionierende WLAN-Angebote im Bus.

“Die Umfrage bestätigt damit, dass Busbahnhöfe und Haltestellen eine der wichtigsten Herausforderungen sind, denen die junge Fernbusbranche sowie Städte und Gemeinden gegenüberstehen”, sagt Julian Hauck, Geschäftsführer von FahrtenFuchs.

Die IGES-Umfrage zeigt aber auch, dass die neue Fernbuswelt immer noch eine Reisewelt für junge Menschen ist: Knapp zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sind zwischen 18 und 29 Jahren alt. Immerhin ein Drittel entfällt auf die immer wichtiger werdende Altersgruppe der 30- bis 65-Jährigen.

Diejenigen, die bisher noch nicht mit dem Fernbus gefahren sind, gaben an, der Bahn (30 Prozent) bzw. dem Pkw (23 Prozent) den Vorzug zu geben. Interessant ist, dass sechs Prozent nicht wussten, wie sie eine Fernbusreise hätten buchen können.

Seit der Marktliberalisierung mit Jahresbeginn 2013 haben innerdeutsche Fernbusverbindungen um 250 Prozent auf rund 5.500 wöchentliche Fahrten zugenommen, wie die ebenfalls vom IGES Institut herausgegebene Marktstudie “IGES Kompass Mobilität – Fokus Fernbus” zeigt.

 

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