Heute wäre ein Tag, an dem man die sonst übliche Gewohnheit, ungewollte Werbung und Zeitungen aus dem Briefkasten einfach wegzuwerfen, mal überdenken könnte. Die Briefkästen der Markkleeberger Haushalte werden gerade mit der März-Ausgabe der "Markkleeberger StadtNachrichten" bestückt. Darin ein vierseitiger Fragebogen zum Öffentlichen Nahverkehr. Den man sich ruhig mal - kritisch - anschauen sollte.
Diese Umfrage zum Öffentlichen Nahverkehr hatte Oberbürgermeister Schütze bereits in der Februar-Stadtratssitzung angekündigt, ja eher schon beworben: Er wünsche sich eine rege Teilnahme möglichst Vieler, um für die im Jahr 2015 mit dem MDV geplanten Gespräche – in der es dann auch um den Weiterbetrieb der Linie 9 gehen wird – aussagefähige Werte und Informationen von den Markkleebergern zu erhalten.
Initiiert wurde die Umfrage, die noch bis zum 31. März 2014 dauert, von der Stadtverwaltung Markkleeberg, dem Landkreis Leipzig und dem Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV). Untersucht werden soll, welche Bedürfnisse die Einwohner hinsichtlich der Nutzung des ÖPNV haben, welche Angebote sie nutzen und welche Anregungen und Wünsche sie haben, um das Angebot zu verbessern: Wie häufig nutzen Sie den ÖPNV? An welchen Wochentagen und zu welchen Zeiten fahren Sie hauptsächlich? Zu welchem Fahrtzweck nutzen Sie den ÖPNV?
Die Teilnahme an der Umfrage wird aber auch von denen erwünscht, die dem Ganzen eher kritisch gegenüber stehen und den Öffentlichen Nahverkehr nur selten oder nie nutzen. Hier steht das “Warum nicht?” im Vordergrund. Die Frage, die nach den genauen Gründen für eine Ablehnung sucht, soll weiterhelfen: Warum nutzen Sie bisher selten bzw. nicht den ÖPNV? Als mögliche Antworten vorgegeben wurden: mangelnde Fahrtenhäufigkeit, Distanz zur Haltestelle, zu hoher Fahrpreis, kein ÖPNV-Angebot, Informationsmangel, häufiges Umsteigen, zu großer Zeitaufwand, Probleme beim Fahrscheinkauf, Unpünktlichkeit. Hier ist es möglich, auch mehrere zutreffende Antworten anzukreuzen.
Ob die Frage “Für welchen Fahrtzweck würden Sie den ÖPNV gerne nutzen?” und die dazugehörigen – sehr allgemeinen – Antworten (Arbeit, Schule, Ausbildung, Einkaufen, Freizeit, …) wirklich zielführende Hinweise sind und bei zukünftigen Planungen helfen, wird man sehen müssen. Ob man Autofahrer, die mitunter noch nie in einer Straßenbahn gesessen haben, auf diese Art neugierig aufs Bahnfahren macht und überzeugt, diese öfter zu nutzen, bleibt dahingestellt. Zumindest ist es ein Versuch einer Kommunikation.Im dritten Schwerpunkt der Umfrage geht es vor allem um das Haltestellennetz: Wie zufrieden sind Sie mit der Erreichbarkeit der fußläufig nächstgelegenen Haltestelle in Ihrem Wohngebiet? Wie lange müssen Sie zur nächstgelegenen Haltestelle laufen? Wie lange wären Sie maximal bereit, zur nächsten Haltestelle zu laufen? Wo fehlen Haltestellen im Stadtgebiet von Markkleeberg?
Der wichtigste Punkt dieses Abschnitts ist die Frage nach der Zufriedenheit mit der Anzahl der Fahrten von S-Bahn, Straßenbahn und Bus. Ebenso möchte man von den ÖPNV-Nutzern erfahren, wie zufrieden sie mit der Erreichbarkeit von bestimmten Zielen sind. Genannt werden hier unter anderem das Markkleeberger Stadtzentrum (die Rathausstraße), die Bahnhöfe in der Stadt, verschiedene Einkaufscenter, die großen Seen mit ihren Angeboten und hintenan die Erreichbarkeit der Städte Leipzig und Zwenkau. Weitere Ziele, die nicht genannt wurden, können selbst hinzugeschrieben werden.
Etwas verwirrend ist der vierte Abschnitt (D) zu den Taktzeiten im Bus- und Straßenbahnverkehr – beginnend mit den Taktzeiten von Montag bis Freitag. Zur Auswahl steht als erstes der 10-Minuten-Takt, dem folgt sofort der 20-Minuten-Takt. Nur noch zwei weitere Möglichkeiten werden genannt: der 30-Minuten- und 60-Minuten-Takt. Das verwundert doch sehr, als ob es dazwischen nichts anderes geben würde. Wo ist also der 15-Minuten-Takt? Gerade im Berufsverkehr (vor allem auf dem Heimweg) entscheiden 5 Minuten darüber, ob ich meinen Anschluss in Leipzig am Connewitzer Kreuz erreiche oder nicht – und dann 20 Minuten auf die nächste Straßenbahn 9 warte. Und ob ich die Straßenbahn für meinen Weg zur Arbeit überhaupt nutze – oder doch lieber das bequemere Auto? Warum wird hier nicht die Auswahl auch für die dazwischenliegenden Taktzeiten ermöglicht? Selbst eine frei wählbare Antwort in einem Textfeld ohne Vorgaben wäre hier sinnvoller gewesen, um den genauen Bedarf zu ermitteln.Ganz verrückt wird’s dann bei der zweiten Frage dieses Abschnitts D. Hier haben sich die Ersteller des Fragebogens einen Bärendienst erwiesen (wenn man mal nicht gleich eine böse Absicht unterstellen will): “Wie häufig sollten der Bus bzw. die Straßenbahn am Wochenende und an Feiertagen fahren?” Die erste mögliche Antwort und damit die kürzeste vorgegebene Taktzeit sind 30 Minuten. Ja, richtig gelesen: 30 Minuten. Dem folgen der 60-Minuten- und der 120-Minuten-Takt. Völlig unverständlich, warum man hier die Antwortmöglichkeiten derart eingeschränkt hat. Wie will man Zufriedenheit bei den ÖPNV-Nutzern erreichen und die Attraktivität des Nahverkehrs steigern, wenn die Taktzeiten im Vergleich zum jetzigen 15-Minuten-Rhythmus der Straßenbahnlinie 9 am Wochenende in Zukunft so schlecht sind und keine anderen Antworten im Fragebogen möglich sind? Und noch eine Frage muss gestattet sein: Warum wirft man so rigoros immer wieder die Bus- und Bahnangebote in einen Topf? Eine differenzierte Betrachtung der beiden Verkehrsmittel wäre an mancher Stelle des Fragebogens eindeutig angebrachter gewesen. Wenn für eine Busverbindung in die Region am Wochenende ein 30-Minuten-Takt noch annehmbar erscheint, ist dies für eine Straßenbahnverbindung Richtung Leipzig undenkbar.
Wie teilt man als Markkleeberger dem Umfragenden mit, dass es einem wichtig ist, dass die Bahnen auch am Wochenende alle 10, 15 oder 20 Minuten fahren sollen? Nur alle 30 Minuten? Nachtigall, …
Liebe Markkleeberger, seid mutig! Streicht die vorgegebenen Antworten im Fragebogen einfach durch und schreibt eure Wünsche hin. Sonst sieht man in Zukunft vielleicht nur noch alle halbe Stunde mal einen Bus oder eine Bahn durch die Stadt fahren.
Der fünfte Schwerpunkt beschäftigt sich mit den wichtigsten Zielen im Stadtgebiet und wie oft und mit welchen Verkehrsmitteln (Fuß, Fahrrad, Bus, Bahn, PKW) diese angefahren werden. Sechs freie Textfelder sind vorgegeben. Welche Informationen und welchen Mehrwert diese gesammelten Angaben aus der Umfrage (auch in Hinsicht auf die kurz zuvor abgefragten Ziele) bringen, und welche Rückschlüsse daraus für den ÖPNV abzuleiten sind, wird sich zeigen. Zu vermuten ist, dass hier von den Umfrageteilnehmern zu viele individuelle und irrelevante Vorstellungen und Erwartungshaltungen hineinformuliert werden, die mit dem Öffentlichen Nahverkehr niemals realisierbar sind. Oder bekommt dann jeder Discounter eine eigene Haltestelle?
Im nächsten Teil geht es um das Umsteigeverhalten, um Fahrradabstellmöglichkeiten und um die Fahrgastinformation: Wie oft wären Sie bereit umzusteigen? Wären Sie bereit, eine längere Fahrzeit in Kauf zu nehmen, wenn Sie dafür nicht umsteigen müssten? Welche maximale Fahrzeitverlängerung würden Sie akzeptieren? Sind die Fahrradabstellmöglichkeiten an den Haltestellen ausreichend? Autofahrer scheint man nicht für den ÖPNV gewinnen zu wollen, sonst hätte man diese hier nicht ausgeschlossen. Stichwort: Park-and-Ride-Stellplätze.
Ein am Ende erwünschtes Bewerten des jetzigen Gesamteindrucks des Nahverkehrs (in Schulnoten), ein großes Feld für Verbesserungsvorschläge und einige statistische Angaben zur derzeitigen beruflichen Situation, dem Geschlecht und dem Alter des Umfrageteilnehmers schließen den vierseitigen Fragebogen ab.
Fazit: Die 30 Fragen des Fragebogens sind ein erster Versuch, überhaupt mal das Stimmungsbild der Markkleeberger hinsichtlich Nahverkehr zu erfassen. Ob sich daraus in allen Punkten Schlussfolgerungen ableiten lassen oder gar Rückschlüsse für die zukünftige gewünschte Entwicklung des ÖPNV, darf bezweifelt werden. Hier sollte man weitere Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung nutzen, bevor 2015 weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Man darf jetzt schon auf die Veröffentlichung der Umfrageergebnisse gespannt sein.
Den Markkleebergern (vor allem den jüngeren) kann man nur ans Herz legen, sich 10 Minuten Zeit für das Ausfüllen des Fragebogens zu nehmen, um die eigenen Wünsche einzubringen und um die Bedürfnisse und Vorstellungen für ein funktionierendes öffentliches Nahverkehrssystem in Markkleeberg mit ausreichend Haltestellen und annehmbaren Taktzeiten zu akzeptablen Preisen mitzuteilen. Ein Monat lang ist dafür Zeit.
Bleibt den Durchführenden der Umfrage nur zu wünschen, dass die Markkleeberger möglichst zahlreich diese Form der Beteiligung nutzen und ihren Fragebogen bis zum 31. März 2014 in die bereitgestellten Briefkästen im Rathaus, in Schulen und Einkaufscentern (Globus und Marktkauf) einwerfen oder per Post ans Rathaus senden. Nur so lässt sich sicherstellen, dass Markkleeberg auch in Zukunft ein den Anforderungen der Einwohner entsprechendes ÖPNV-Angebot haben wird.
Auf der Website der Stadt Markkleeberg ist der Fragebogen ebenso abrufbar. Es ist jedoch sehr zeitraubend und bedienerunfreundlich, sich da durch das Onlineformular durchzuklicken. Ein Kreuzchen auf dem Papier ist schneller gemacht. Vielleicht sollte die Stadtverwaltung für diejenigen, die die “Markkleeberger StadtNachrichten” nicht (mehr) haben, alternativ noch ein Ausdrucken des Dokuments ermöglichen oder einen Download anbieten.
Nachteilig könnte sich hier auch das in Formularen übliche Definieren von Pflichtfeldern auswirken, sie zerstören hier ein wenig den freiwilligen Charakter der Umfrage. Man sollte die Daten nehmen, die von den Nutzern gern und bereitwillig eingegeben werden, und weniger Vorgaben machen.
Bis zum 31. März ist der Fragebogen online auf: www.markkleeberg.de/de/startseite/mdv/index.html
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