Gut Ding will Weile haben. Das trifft auch auf die diversen Berichte der Leipziger Stadtverwaltung zu. Geschrieben hat der Leipziger Radverkehrsbeauftragte seinen Bericht über das Jahr 2012 zwar schon im Oktober 2013, in die Dienstberatung kam er aber erst am 7. Januar 2014. In der Ratsversammlung soll er am 12. Februar Thema werden. Und nicht nur bei L-IZ-Lesern wird er Fragen auslösen.
Auch die Stadträte sitzen – wenn sie sich schon seit Jahren mit dem Thema Verkehr im allgemeinen und Radverkehr im Besonderen beschäftigt haben – grübelnd über dem Papier. Sie werden sich in den nächsten Tagen in den Ausschüssen damit beschäftigen – am 21. Januar im Fachausschuss Stadtentwicklung und Bau und am 28. Januar im Fachausschuss Umwelt und Ordnung.
Mathias Weber, Stadtrat der SPD-Fraktion, wollte gern schon zur Ratsversammlung am 22. Januar ein paar Fragen zum Bericht stellen – aber dafür ist die Anmeldefrist abgelaufen. Sein Fragenpaket macht deutlich, wie unübersichtlich selbst ein scheinbar so simples Feld wie die Radverkehrspolitik in Leipzig ist. Denn Radwege werden ja nicht immer extra gebaut, sondern oft im Zusammenhang mit anderen Straßenbaumaßnahmen errichtet oder saniert. Im Berichtsjahr 2012 betraf das zum Beispiel das Neubauprojekt Max-Liebermann-Straße (Stichwort: Mittlerer Ring), wo 1,8 Kilometer Radweg mitgebaut wurden. Beim Umbau des Knotens Rossplatz entstanden 510 Meter Radweg neu – wobei der größte Teil davon Radstreifen sind. Aber auch im Bauprojekt Lützner Straße entstanden “nebenbei” weitere 390 Meter Radweg.
Der Radverkehrsbeauftragte hat sich die wichtigsten Baufertigstellungen aus dem Jahr 2012 alle zuarbeiten lassen – was dann wohl die späte Fertigstellung des Berichts im Oktober erklärt. Andererseits erfahren auch die Stadtratsfraktionen erst mit diesem Bericht, was im Vorjahr tatsächlich für Radverkehrsanlagen ausgegeben wurde. Das Ergebnis unterscheidet sich deutlich von den extra für Radverkehrsanlagen bewilligten Geldern. Trotzdem will Weber natürlich wissen, wie die Gelder verteilt wurden.
Sein Fragenkatalog, der nun in der Februar-Ratsversammlung auf den Tisch kommt:
1. In 2012 wurden Maßnahmen in Höhe von 3,5 Mio. Euro für den Radverkehr getätigt. Das geht so aus dem Haushaltsplan 2012 nicht hervor! Wie verteilt sich das Geld bzgl. Finanzhaushalt und Ergebnishaushalt?
2. Wie kann der Stadtrat im Rahmen der Haushaltsverhandlungen die Finanzierung des Radverkehrs direkt beeinflussen (Haushaltstransparenz)?
3. Die Kosten für Markierungen von Radverkehrsstreifen schwanken enorm zwischen 12 Euro/m in der Georg-Schumann-Str. und 244 Euro/m in der Pfaffendorfer (vgl. Tabelle 3). Woran liegt das?
So werden für sechs Kilometer neuer Radfahrstreifen in der Georg-Schumann-Straße 70.000 Euro Kosten ausgewiesen (11,66 Euro pro Meter), für 360 Meter in der Pfaffendorfer Straße aber 87.900 Euro (244,16 Euro je Meter). In der dort gleich anschließenden Gohliser Straße wurden für 1.200 Meter neuer Radfahrstreifen wieder nur 19.200 Euro berechnet (16 Euro je Meter). Verständlich, dass Matthias Weber genau wissen will, warum es in der Pfaffendorfer Straße teurer wurde. Und natürlich will er auch wissen, warum existierende Radwege dann so wenig respektiert und immer wieder als Parkstreifen missbraucht werden.
4. Immer wieder werden Fahrzeuge auf Radverkehrsanlagen abgestellt. Wie geht die Verwaltung zukünftig damit um (vgl. 4.3 Bericht des RVB)?5. Nach dem Fahrradklimatest 2012 besteht in Leipzig enormer Handlungsbedarf bei Baustelleneinrichtungen (Umleitungskonzeption). Welche Möglichkeiten sieht die Stadtverwaltung, die Einrichtung von Baustellen so zu operationalisieren, dass sie stets den Mindestanforderungen des Rad- und Fußverkehrs genügen?
6. Die Stadt Leipzig hat in 2012 einen Fahrradbügel in der Universitätsstraße aufgestellt (vgl. Tabelle 5) . Vor dem Hintergrund des enormen Parkdruckes in diesem Bereich sind sicherlich richtige Maßnahmen notwendig. Mit wem steht die Stadt Leipzig zur Lösungsfindung dieses Problems im Dialog (Freistaat, Universität, Stura)? Was ist das Ziel der Stadt Leipzig für 2014, hier weiter entschärfend zu wirken?
Zumindest macht auch der neue Radverkehrsbericht deutlich, wie viel auch noch in der Grundstruktur des Leipziger Radwegenetzes getan werden muss. Vieles, was in den letzten Jahren mit großem Tamtam eingeführt wurde, ist nicht mehr als ein Provisorium – wie die so genannte Fahrradstraße am Dittrichring, wo lediglich Schilder darauf hinweisen, dass Radfahrer hier besondere Beachtung verdienen – der motorisierte Verkehr sorgt hier aber auch nach Jahr und Tag noch für regelmäßige Nutzungskonflikte. Einzige Entlastung: Es gibt keinen Durchfahrtsverkehr mehr vom Brühl.
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Angehängt sind dem Bericht des Radverkehrsbeauftragten auch die Prioritätenlisten zu dem, was bis 2020 alles noch an Radverkehrsanlagen entstehen soll. Gestaffelt nach Prioritäten. Die Prioritätenliste liest sich wie ein Weihnachtswunschzettel – und macht auf ihre Weise sehr deutlich, was alles fehlt. Da sind auf der Koburger Straße von Connewitz bis zum Wolfswinkel (also beinah bis zum Forsthaus Raschwitz) beidseitig Radwege geplant, auch das nächste Stück “Innerer Ring” am Augustusplatz / Gewandhaus steht mit Priorität 1 im Plan. Die fehlenden Teilstücke im “Bahnbogen Gohlis” stehen freilich nur mit Priorität 2 im Plan, genauso wie das “Grüne Band Südost”, das vom Bayrischen Bahnhof bis zu den Seen im Leipziger Südraum führen soll.
Im Bau sind ja derzeit die Wurzner Straße und die Karl-Liebknecht-Straße, wo ebenfalls neue Radwege entstehen.
Aber der Radverkehrsbericht hat auch deutlich gemacht, dass gerade die Existenz von sinnvollen und sicheren Radwegeverbindungen die Akzeptanz des Radverkehrs in Leipzig erhöht. Dann steigen nämlich auch jene öfter aufs Rad, für die der Aspekt des sicheren Radfahrens eine große Rolle spielt – auch die älteren Leipziger, bei denen der Radverkehrsbeauftragte Jan Rickmeyer durchaus noch Steigerungspotenzial sieht, was die Radnutzung betrifft. Was dann auch eine Rolle für die künftige E-Mobilität in Leipzig spielt, die sich nach Ansicht vieler Fachleute nicht zuerst im Autobereich auswirken wird, sondern im wachsenden Segment der E-Bikes.
Zum Radverkehrsbericht: http://notes.leipzig.de
Die Prioritätenliste: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/F51856781C816636C1257C55003012DF/$FILE/V-ds-3543-anlage-2.pdf
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