Am Dienstag, 28. Januar, wurde er im Neuen Rathaus erstmals vorgestellt: der Entwurf des neuen Stadtentwicklungsplans (STEP) Verkehr und öffentlicher Raum. Damit ist die Bürgerbeteiligung gestartet. Bis zum 7. März nimmt das Verkehrs- und Tiefbauamt Anregungen entgegen. Aber wie nachhaltig ist der neue Entwurf eigentlich?
Der alte STEP Verkehr von 2003 ist mittlerweile mehr als angejahrt. Angegraut sowieso. Er wirkt aus zehn Jahren Entfernung wie Stückwerk. Wie der Versuch, einfach alles, was in Leipzig rollt, geht und fliegt, in Schubladen zu stecken, zusammenzukleben und dann irgendwie “Stadtverkehr der Zukunft” zu schaffen. Und irgendwie auch die Fehlentwicklungen der 1990er Jahre umzulenken – wieder hin zu einer umweltfreundlicheren Stadt. Was erstmals zum Beispiel dem Radverkehr mehr Gewicht in einer zuvor fast nur aufs Auto fixierten Verkehrspolitik gab.
Das Ergebnis ist am regelmäßig ermittelten Modal Split der Stadt ablesbar, die seit 2000 ja bekanntlich auch wieder eine wachsende Stadt ist. Mehr Einwohner bedeutet zwangsläufig auch mehr Verkehr. 2003 hatte der Motorisierte Individualverkehr (MIV) mit 34,1 Prozent Wegeanteil eine neue Rekordmarke erreicht. In DDR-Zeiten hatte dieser Anteil noch bei 17,8 Prozent gelegen. Damals war der ÖPNV der Verkehrsträger Nr. 1 mit 35,1 Prozent Wegeanteil gewesen. Doch der Anteil von Straßenbahn und Bus war bis 2003 auf 17,3 Prozent gesunken. 2003 wagte kein LVB-Geschäftsführer davon zu träumen, diesen Anteil je wieder auf über 20 Prozent zu bekommen. Doch mittlerweile sind da auch andere Weichen gestellt worden. Mittlerweile gilt ein nicht einmal wirklich ehrgeiziges Ziel von 25 Prozent. Auch wenn der Wert aus dem Jahr 2008 (einen jüngeren gibt es nicht) bei 18,8 Prozent Wegeanteil liegt. Die Fahrgastzahlen steigen.
Der eigentliche Gewinner der vergangenen Jahre aber ist das Fahrrad. Das kündigte sich schon 1998 an, als sich der Wegeanteil des Fahrrads gegenüber 1994 von 5,8 auf 13,2 Prozent mehr als verdoppelte. 2008 lag er dann bei 14,4 Prozent. Was alles weniger mit kluger Verkehrspolitik zu tun hat – die wurde erst in den vergangenen fünf Jahren wirklich fahrradfreundlicher – sondern mit den rasant wachsenden Freizeitangeboten im Umfeld der Stadt – insbesondere im Neuseenland, das mit keinem Verkehrsmittel leichter zu erreichen ist als mit dem Fahrrad.
Dass man mit dem alten Denken nicht weiterkam, das war auch der Stadtverwaltung klar. Deswegen nutzte sie die Möglichkeiten eines vom Bund geförderten Beteiligungsverfahrens und ließ die Bürger ihre Ideen einfließen im Projekt “Weiter denken. Ideen für den Stadtverkehr”. Es prasselte in einigen Bereichen geradezu Ideen. Man hörte da und dort ein leichtes Ächzen, aber auch in der Verwaltung wertete man das Geprassel doch positiv: Es zeigte zu deutlich, auf welchen Feldern man bislang zu wenig getan hatte und welche Schwerpunkte im alten STEP wirklich fehlten.Denn in den letzten Jahren haben sich etliche Themen, die vor allem mit dem motorisierten Verkehr zu tun haben, als höchst prekär herausgestellt – die vielerorts fehlende Barrierefreiheit wurde endlich auch als Thema für den Fußverkehr erkannt, die Lärmbelastung wurde durch die Lärmkartierungen (eine von der EU auferlegte Aufgabe) endlich auch für die betroffenen Leipziger sichtbar. Über die Luftbelastung durch Feinstaub, aber auch besonders durch Rußpartikel wurde intensiv diskutiert.
Neue Probleme entstanden direkt über den Köpfen der Leipziger: Der Flughafen Leipzig / Halle bekam eine Nachtfluggenehmigung für Frachtflüge. Und nicht einmal das Stadtgebiet mieden die oft uralten Frachtflieger. Das geht jetzt seit sechs Jahren so. Es liest sich im Entwurf wie eine frohe Botschaft: “Maßnahmen der Lärmminderung sind in der Diskussion und Voraussetzung für die Akzeptanz einer weiteren Flughafenentwicklung.”
Aber noch etwas fällt in diese zehn Jahre seit 2003: die Entdeckung der Straße als Lebensraum. Was ja bekanntlich auch in einige der jüngeren Straßenneubaudebatten mit einfloss – man denke nur an das Projekt “Karli”, auch wenn dort wichtige Elemente des Lebensraums Straße dennoch wieder den alten Ansprüchen des MIV geopfert wurden. Noch gilt leider der alte Vorrang: Parkplätze vor Flaniermeile. Jetzt, muss man sagen. Denn Veränderungen im Denken und Verhalten von Menschen brauchen ihre Zeit. Die ganzen 1990er Jahre haben Leipzigs Kleinhändler gelernt, dass ihr Laden ohne Parkmöglichkeit für Autos davor nicht läuft. In den 2000er Jahren wurde ja erst so langsam das Bewusstsein geweckt dafür, dass in einer Magistrale eine nahe ÖPNV-Anbindung viel besser fürs Geschäft ist als jeder Parkplatz. Dass Radfahrer und Fußgänger eigentlich sogar die bessere, weil die treuere Kundschaft sind, das muss erst gelernt werden. Wahrscheinlich dauert das bis zum nächsten STEP im Jahr 2024.
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Es wird die Diskussion um die Entwicklung der Magistralen begleiten, die ja gerade erst begonnen hat. Mit der “Karli” wurde so eine Diskussion schon greifbar. In der Georg-Schumann-Straße steht der Prozesse noch ganz am Anfang, in der Georg-Schwarz-Straße soll er bald starten. Im Grunde geht es um eine Neu-Erfindung der stadtteilbestimmenden Hauptstraße als Lebens- und Identifikationsraum.
Immer wieder tauchen im neuen STEP-Entwurf die Ideen aus der Werkstatt “Leipzig weiter denken” auf. Zum Beispiel auch die Bürgeridee, das Magistralen-Denken nun auch auf Nebenstraßen anzuwenden. All jene Nebenstraßen, durch die man heute lieber eiligst hindurchrennt, weil sie nichts anderes sind als verlängerte Parkplätze mit Blechreihen links und rechts. Da können keine Kinder spielen, da gibt es keine Ruheinseln, in vielen Straßen gibt es nicht mal Bäume. Der MIV hat 90 Prozent des Leipziger Straßenraums einfach aufgefressen. Und davor ja bekanntlich nicht mal Halt gemacht. Nicht nur in Schleußig ist das rollende Blech ja auch schon auf die Bürgersteige vorgedrungen.
Und wer in den jüngsten Schneetagen tagsüber durch die Leipziger Stadtviertel ging, hat gesehen, wieviel von diesem Blech tagelang unbewegt da steht, Raum frisst und eigentlich nur einmal in der Woche zum Großeinkauf gebraucht wird. Der dicke Schnee lag auch am dritten Tag noch auf den Autos. Im Prinzip jedes zweite Auto, das den Leipziger Straßenraum verstopft.
So geht es nicht weiter. Das wissen Bürger wie Planer. Wohin könnte sich Leipzigs Verkehrsplanung in den nächsten zehn Jahren verändern?
Mehr dazu in Teil 2: Wie nachhaltig ist der neue STEP Verkehr? – Teil 2: Wohin entwickelt sich Leipzigs Verkehr in den nächsten 10 Jahren?
Der Entwurf zum neuen STEP Verkehr: www.leipzig.de/umwelt-und-verkehr/verkehrsplanung
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