Das Zeitalter der Elektroautos hat noch gar nicht begonnen. Es wetterleuchtet erst am Horizont. Erst 2009 startete die Bundesregierung ihre millionenschweren Projekte zur Elektromobilität in Deutschland. Damals schien den E-Autos schon die nahe Zukunft zu gehören. Die Spritpreise an den Tankstellen erreichten immer neue Rekordstände. Es schien nur noch eine Frage des Preises, bis die Bundesbürger von Benzin auf Strom umsteigen würden.

Die Preise haben sich beruhigt. Die großen Öl- und Gasförderländer haben ihre Produktion nach oben gepuscht. Die Finanzkrise hat etliche Staatswirtschaften in die Dauerkrise getrieben – was den Verbrauch senkt.

Trotzdem wird die Zukunft der Automobilität eine andere sein, denn dass das preiswert zu fördernde Öl bald zu Ende geht, ist sicher. Nur wann dieses Ende da sein wird, nicht. 20 Jahre? 30? – Es ist egal: Nationen, die den Übergang in eine Zeit ohne billigen Sprit bewältigen wollen, sorgen vor. So wie Kanada, von dem selbst Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok schwärmt: “98 Prozent des Stroms wird dort aus Wasserkraft gewonnen. Jedes Auto, das da auf elektrischen Antrieb umgestellt wird, ist tatsächlich ein Gewinn für die Umwelt. Da haben wir hier in Sachsen noch einiges zu tun.”

Am Montag, 9. September, war er zum Vor-Ort-Termin bei der Netz Leipzig GmbH in der Arno-Nitzsche-Straße 35 angereist. Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, übergab an diesem Tag ganz offiziell neun neue Elektrofahrzeuge für die Leipzig Netz GmbH. Sie sind Teil der “Schaufenster Elektromobilität”, mit denen der Bund den Weg der Republik ins E-Mobil-Zeitalter vorbereitet. 180 Millionen Euro hat er dafür bereitgestellt. Ein Schaufenster vereint die beiden Bundesländer Sachsen und Bayern, die selbst beide noch einmal 15 Millionen Euro draufgaben. Jedes “Schaufenster” ist mit Dutzenden Einzelprojekten gespickt.

In Leipzig gehören dazu zwei wichtige Bausteine: der Aufbau eines funktionierenden “Tankstellennetzes” ist das eine. “33 Stromtankstellen haben wir schon installiert”, sagte Raimund Otto, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig (SWL) am Montag. Jetzt, so betonte er, grübele man intensiv über ein funktionierendes Geschäftsmodell. “Denn Stromtanken muss sich ja auch für die Anbieter rentieren”, sagt er. Bislang wird der Strom an den 33 Strom-Tanken kostenlos abgegeben, denn im ersten Schritt stand im Vordergrund, überhaupt erst einmal ein funktionierendes Netz aufzubauen, in dem Elektrofahrzeuge genauso gut versorgt unterwegs sind wie Sprittanker im Netz der traditionellen Tankstellen.Natürlich kann man seinen Elektroflitzer auch daheim einfach an die Steckdose klemmen. Aber auch Leipzigs Stadtverwaltung denkt schon etwas weiter. “Das Thema heißt Laternenmasten”, sagt Leipzigs Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. “Wie kann man den Strom, der ja an jedem Laternenmast anliegt, auch für E-Tankstellen verfügbar machen? Daran arbeiten wir gerade.”

Der zweite Projektbaustein, der in Leipzig im Zusammenhang mit Elektromobilität erprobt wird, ist der Testbetrieb von ganzen E-Autoflotten. So kann man das Fahrverhalten in der Alltagspraxis erkunden und gleichzeitig die Haltbarkeit der neuen Technik. Die Leipziger Stadtverwaltung selbst ist seit 2011 schon mit einer kleinen Flotte von 14 Mitsubishi-E-Autos unterwegs. Die auch Heiko Rosenthal gern nutzt, wie er betont: “Es ist ein herrliches Fahrgefühl.”

Die Stadtwerke selbst hatten schon zwei umgerüstete Elektroautos in Betrieb. Mit den jetzt von der SWL-Tochter Netz Leipzig betriebenen neun Renault-Stromern hat Leipzig mit 25 Elektroautos derzeit wohl die größte E-Autoflotte in Sachsen. Die neun Renaults bei der Netz Leipzig GmbH sind sogar schon ein paar Tage in Einsatz. Jan Fuhrberg-Baumann, Geschäftsführer der Netz Leipzig, kann schon von den ersten Erfahrungen seiner Meister und Monteure berichten, die mit den Fahrzeugen unterwegs sind. “Immerhin rücken bei unserer Tochter jeden Tag rund 200 Leute aus und schwärmen ins ganze Stadtgebiet”, erzählt Raimund Otto. “Manche fahren bis zu 20 Baustellen an einem Tag an. Da kommen in der Regel 100 Kilometer am Tag zusammen.”Und waren die Mitarbeiter von Jan Fuhrberg-Baumann vor dem ersten Einsatz der kleinen, schnurrenden Straßenflitzer noch skeptisch, scheint sich die Einschätzung binnen weniger Tage gedreht zu haben. “Da kamen dann sofort die Fragen: Wann kommen die nächsten Fahrzeuge?”, berichtet Fuhrberg-Baumann. Aber die Frage kann er jetzt noch nicht beantworten. Auch bei der Leipzig Netz GmbH will man jetzt erst einmal sehen, wie sich die Fahrzeuge in der Alltagspraxis bewähren.

Pfiffig sind die kleinen Flitzer ja. Das macht auch Fuhrberg-Baumann gespannt. “Die Reichweitenanzeige ist so intelligent, dass sie sogar aufs Wetter reagiert und bei kalten Temperaturen die Reichweite reduziert.” Aber die wirklich kalten Tage kommen ja erst. Der Herbst steht vor der Tür, und im Winter müssen die Batterien zeigen, was sie leisten. “Ich denke, nächstes Jahr sind wir klüger”, sagt Fuhrberg-Baumann.

Wahrscheinlich sollte man sich auch von den immer wiederkehrenden Unkenrufen zur Elektromobilität auf deutschen Straßen nicht ins Boxhorn jagen lassen. Auch Rainer Bomba sieht den Umstieg auf neue Antriebstechnologien nicht als fliegenden Fahnenwechsel. “Selbst in unseren Benzin- und Dieselmotoren steckt noch eine Effizienzsteigerung von 25 Prozent”, sagte er am Montag. “Die werden wir in den nächsten Jahren noch erleben.”

Ob die Antriebe der Zukunft nun auf Batterien basieren, Brennstoffzellen oder etwas anderem, das wäre derzeit noch gar nicht abzusehen. Für den Übergang würden, so Bomba, Hybridfahrzeuge eine wichtige Rolle spielen. “Ich fahre selbst eins”, sagte er. “Und auch damit bin ich in der Stadt emissionslos unterwegs.”

Deutsche Autobauer sind zwar etwas später gestartet als die Konkurrenz. Aber allein 2014/2015, so Bomba, kommen in Deutschland 15 neue Elektro-Modelle auf den Markt. Er versteht auch die Ängste der Autofahrer vor dem Umstieg. Denn ein wesentliches Moment dabei ist die Psychologie: Reicht die Tankfüllung bis zur nächsten Steckdose? – “Dabei ist es wie bei jedem anderen Auto auch”, sagt Heiko Rosenthal, “wenn man auf die ‘Tankfüllung’ achtet, kann gar nichts schief gehen.”

Neben der Verlässlichkeit aber spielt trotzdem auch der Preis eine wesentliche Rolle bei der Kaufentscheidung. Beim Stromtanken spart der Autobesitzer zwar gegenüber Sprittankern sehr schnell die Kosten wieder ein, die er für das E-Auto mehr bezahlt hat. Aber trotzdem scheint der bis dato noch höhere Preis fürs E-Mobil viele Käufer abzuschrecken.

Die Leipzig Netz GmbH hat für den Ankauf seiner neun Elektro-Autos ein Drittel als Förderung bekommen. “So rechnen sie sich für uns wie konventionelle Fahrzeuge in der Anschaffung”, sagt Fuhrberg-Baumann. Und wenn die E-Autos jetzt auch noch bei Herbst- und Winterverhältnissen beweisen, dass sie tauglich für den harten Alltag sind, werden bei der nächsten Fahrzeuganschaffung bei Leipzig Netz wohl die Monteure vor der Tür des Geschäftsführers stehen und sich weitere surrende Flitzer wünschen.

www.schaufenster-elektromobilitaet.org

www.swl.de

www.netz-leipzig.de

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