Schon gesehen? Im verbliebenen Leipziger Printmedium erschien am letzten April-Wochenende eine Stellenanzeige in den Farben der Deutschen Bahn. Gesucht werden Zugbegleiter "für das Geschäftsfeld DB Regio AG an den Standorten Leipzig, Altenburg oder Borna". Von den neuen Regio-Mitarbeitern sollen Fahrgäste des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes (MDSB) beraten und betreut werden.
Eingestellt werden die Zugbegleiter zum 1. Oktober 2013. Operativ loslegen müssen die Neuen zum 15. Dezember 2013, wenn der City-Tunnel und damit die MDSB erlebbare Bahn-Wirklichkeit werden sollen. Damit wird ein neues Kapitel der vielfältigen Tunnelvorbereitungen aufgeschlagen, und die Sache ist offenbar eilig, denn die ersten Personalgespräche sollen gleich Anfang Mai geführt werden, bestätigte Bernhard Grau, der das operative Personalmanagement und die Rekrutierung in der Bahn-Region Südost leitet und dafür vier Mitarbeiter an seiner Seite weiß. Alle Einstellungsbemühungen richten sich auf 50 bis 80 neue Mitarbeiter. Diese Spannweite erstaunt, ist das Aufgabenspektrum, das aus Zugbestellungen besteht, die bis ins letzte Detail geregelt sind, doch klar umrissen. Es werden denn auch “eher 80” Neubeschäftigte bei der DB sein, bestätigt Grau auf Nachfrage.
Zugbegleiter in der S-Bahn? Ein Novum. Anderswo ist der Triebwagenführer in den S-Bahn-Zügen allein und muss alles, was betrieblich zu tun ist, in eigener Regie übernehmen. Doch die Mitteldeutsche S-Bahn soll Zugbegleiter haben. Der Besteller möchte das so und versteht diese Anforderung als Teil des Servicepakets in den Zügen.Die gesuchten Mitarbeiter bekommen überwiegend verkehrliche Aufgaben übertragen, erläutert Artur Stempel, Sachsens oberster Eisenbahner. Englisch müssen die S-Bahn-Begleiter auch können. Falls ein ausländischer Fahrgast hilflos in Schwarzkollm in den Zug steigt, um nach Steinpleis zu reisen, ist ihm Unterstützung gewiss. Dann muss er in einer der City-Tunnel-Stationen nur noch umsteigen.
Die Einstellung der neuen S-Bahn-Zugbegleiter ist befristet bis zum 31. Dezember 2015. Also nur reichlich zwei Jahre lang eine Aufstockung der S-Bahn-Mannschaft? Ja, denn ab Dezember 2015 wird es munter im Tunnel, wenn die niederländische Abellio einen Teil des Linienangebots übernimmt. Da will sich die Deutsche Bahn vorsorglich nicht mit zuviel Personal binden. Sie fährt ja ab Ende 2015 erkennbar weniger Leistungen durch den City-Tunnel als zur geplanten Betriebsaufnahme.
Nicht auszuschließen, dass sich aus dieser Konstellation bewegte Wanderarbeiter-Biografien ergeben. Weil der City-Tunnel ewig nicht fertig wurde, vergab der Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) Ende 2009 einen Teil der mitteldeutschen Regionalleistungen vorübergehend an die Mitteldeutsche Regiobahn (MRB), die zum französischen Mischkonzern Veolia gehört und auf freigewordene DB-Mitarbeiter zurückgriff. Wenn sich nun planmäßig im Dezember 2013 der Vorhang über der MRB senkt, können dort Beschäftigte – siehe Anzeige – gern wieder zur Deutschen Bahn wechseln. Für 27 Monate.
Aber vielleicht schaltet dann Abellio, die zur Niederländischen Eisenbahn gehört, ja neue Anzeigen, um ausscheidende DB-Mitarbeiter zu gewinnen. Von der DB zur Mitteldeutschen Regiobahn, dann zurück zur DB und schon bald zu Abellio – solch ein Arbeitsleben mit häufiger Umstiegsoption ist nicht ausgeschlossen. Langweilig wird es also nicht auf den Schienen, die durch den Tunnel führen. Und den Nutzen all dieser wuchernden Ausschreibungen von Bahnleistungen und Vergaben soll der Kunde haben (durch mehr Service). Und sparen wollen dabei vor allem die Aufgabenträger für den Schienenverkehr. Wie wohl?
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