Noch fährt kein Zug durch den City-Tunnel, da ertönt bereits der Gong zur zweiten Runde des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes (MDSB), das vorläufig erst auf dem Papier steht und im Dezember 2013 starten soll. Just in diesen Tagen müssen die Ausschreibungsunterlagen für das "MDSB II" eingereicht werden, so dass abzuwarten ist, wie viele Verkehrsunternehmen sich bewerben werden.
Attraktiv ist das ausgeschriebene Leistungspaket unbedingt. Sämtliche Verfahren der letzten Zeit, die sich auf Netze im Einzugsgebiet von deutschen Großstädten bezogen, lockten Scharen von Bewerbern an. DB Regio sieht sich von Konkurrenten aus einer ganzen Reihe europäischer Nachbarländer bedrängt.
Die Konstellation für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz II ist klar umrissen. Alles dreht sich um die künftige Linie S 2. Ab dem 15. Dezember 2013 soll sie zwischen Gaschwitz und Bitterfeld verkehren. Der vorläufige Endpunkt in Sachsen-Anhalt kann nicht das letzte Wort sein, das weiß jeder Nahverkehrskunde. Die S-Bahn-Linie 2 muss bis Dessau bzw. bis Lutherstadt Wittenberg geführt werden. Dass diese logische und intensiv genutzte Linie des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes nicht gleich vom Start weg in voller Länge verkehrt, liegt am lieben Geld. Deshalb beinhaltete der Verkehrsleistungsvertrag, wie er am 7. Februar 2011 unterschrieben wurde, auch nur die Linienführung bis Bitterfeld. Zwei praktische Jahre lang soll das so gehen, dann wird die anfängliche S 2 aus dem großen Paket herausgelöst und neu vergeben.Das Volumen umfasst 5,6 Millionen Zugkilometer pro Jahr ab Dezember 2015 mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Es handelt sich dabei im Bereich Südost der Deutschen Bahn, der die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen umfasst, um das größte der derzeit vier laufenden Vergabeverfahren; im bundesweiten Vergleich steht dahinter ein eher mittleres Vergabevolumen – vergleichsweise nur 60 Prozent so groß wie das Teilnetz Ring der Berliner S-Bahn, das ebenfalls ausgeschrieben ist.
In wessen Zügen werden die Fahrgäste aus dem Leipziger Nordraum also ab Dezember 2015 auf der S 2 zwischen Dessau bzw. Wittenberg und Gaschwitz unterwegs sein? Es könnte DB Regio, die Regionalverkehrstochter der Deutschen Bahn, sein, die mit Betriebsaufnahme des City-Tunnels auf allen hindurchführenden Linien ihre Dienste erbringen wird. Es könnte aber auch ein Mitbewerber aus Frankreich, Italien, den Niederlanden oder Großbritannien sein. Vor dem Abschluss des laufenden Vergabeverfahrens liegt alles im Bereich der Spekulation.
In der zu erwartenden harten Auseinandersetzung um die Aufträge will DB Regio mithalten – “ohne Kampfpreise”, aber mit sinkenden Kosten, wie Frank Sennhenn, Vorstandschef des Unternehmens mit den roten Nahverkehrszügen, in der jüngsten Ausgabe der Mitarbeiterzeitung “DB Welt” betont. Es tobt ein Kampf um den höchst attraktiven deutschen Nahverkehrsmarkt auf der Schiene. Im Jahr 2011 gewann DB Regio – der frühere Monopolist – bundesweit immerhin noch 70 Prozent aller Ausschreibungen, 2012 war es nur noch die Hälfte. Weil in der zweiten Jahreshälfte 2012 keine einzige Ausschreibung mehr durch DB Regio gewonnen wurde, haben die Bahn-Manager inzwischen zur Schienenschlacht geblasen.
Sollte tatsächlich ein anderes Unternehmen als DB Regio den Zuschlag für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz II erhalten, wäre das ein Novum im Rahmen eines so eng geflochtenen S-Bahn-Netzes, dessen sämtliche Linien sich auf nur knapp anderthalb Kilometer Länge – im City-Tunnel eben – bündeln. Dunkles Raunen, welche Konsequenzen ein S-Bahn-Dualismus zweier Betreiber für die Betriebsführung und für den Verkehr auf Ausweichstrecken im Falle von Tunnelsperrungen denn hätte, ist im Bahnkonzern DB bereits deutlich vernehmbar.
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