Einen Versuch war es wert. Im Landkreis Leipzig hatte der Antrag auf ein Tarifmoratorium durch die dortige Linksfraktion Erfolg. In Halle geriet der Antrag in die schwelenden Querelen um den Haushalt der Saalestadt. In Leipzig rechnete sich die Linke am Mittwoch, 20. März, reelle Chancen auf eine Mehrheit im Stadtrat aus, ließ sogar namentlich abstimmen. Und scheiterte. Zumindest halb.

Auch wenn der Vorsitzende der SPD-Fraktion Axel Dyck am Rednerpult von “hochgradigem Populismus” sprach. Doch um den geht es eigentlich – den populus, das Volk, das in Leipzig jeden Tag unterwegs ist – mit Auto, Bahn, Bus, Fahrrad oder zu Fuß. Wünschenswerterweise mit einem der umweltfreundlichen Verkehrsmittel. Den Bussen und Bahnen der LVB zum Beispiel. 18 Prozent der Wege in Leipzig werden aktuell mit den LVB zurückgelegt. 25 Prozent sollen es mal werden. Doch über die Frage, ob jemand in die Fahrzeuge der LVB einsteigt, entscheidet auch der Preis.

Studien und Erhebungen dazu gibt es nicht. Die Fahrgastzahlen der LVB steigen zwar seit Jahren. Aber niemand kann beziffern, ob das an den gestiegenen Spritpreisen liegt oder am normalen Bevölkerungswachstum der Stadt. Ob die Fahrgastzahlen nicht sogar sinken würden, wenn nicht jedes Jahr neue Zuzügler nach Leipzig kämen. Und ob der Zuwachs nicht viel höher ausgefallen wäre, wenn es nicht Jahr um Jahr saftige Fahrpreissteigerungen von 3 bis 4 Prozent gegeben hätte. Fahrpreissteigerungen, die Leipzig ÖPNV mittlerweile zum teuersten ÖPNV in Mitteldeutschland gemacht haben.

Nicht nur die Linksfraktion hatte da das Gefühl, dass der Preisauftrieb die eigentlichen Mobilitätsziele der Stadt konterkariert. Der Antrag, den sie gestellt hatte, war ein mehrfacher. Eigentlich ein Generalantrag in seinem ersten Teil: Da ging es darum, den Oberbürgermeister bzw. dessen Vertreter in der Gesellschafterversammlung zu beauftragen, im Rahmen der Strategiediskussion innerhalb der Gesellschaft auch alternative Formen zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs anstatt der jährlichen Tarifanpassungen untersuchen zu lassen.

Eine große Mehrheit des Stadtrates war bereit, dem zu folgen. Insofern also ein Erfolg.
Gehofft hatten die Linken auch, dass der 2. Punkt ihres Antrags auch angenommen wird nach dem Prinzip: Erst einmal Lösungen aufzeigen, erst dann die Leipziger zur Kasse bitten – wenn es überhaupt unumgänglich ist.

Da verlangten sie eine namentliche Abstimmung. Doch die Mehrheit des Stadtrates war diesmal nicht bereit, dem zu folgen. Grünen-Stadtrat Roland Quester erklärte zur Rede des Fraktionsvorsitzenden der Linken Sören Pellmann: “Sie haben in fast allem recht. Aber sie wählen den falschen Weg.” Nach Auffassung von Quester soll über Angebote und Finanzierungsangebote des ÖPNV unter anderem in den nächsten Haushaltsberatungen nachgedacht werden. Darüber hinaus werde bereits beim “Runden Tisch Verkehr” das Thema diskutiert. Auch Planungsbürgermeister Martin zur Nedden betonte, dass bereits eine intensive Strategiediskussion im MDV stattfinde. Möglicherweise könnten die Ergebnisse zum Ende des Jahres vorgelegt werden.

Das wird so aber nicht genügen. Auch die CDU-Fraktion machte am Donnerstag, 21. März, deutlich, dass es mit dem Tariferhöhungs-Automatismus bei den Leipziger Verkehrsbetrieben so nicht weiter geht. Nicht nur die finanzschwächeren Leipziger litten unter der Kostenschraube – immerhin 70.000 hätten Anspruch auf die sogenannte “Leipzig Pass Mobilcard”. Aber auch die verteuert sich Jahr um Jahr. Und die ganz gewöhnlichen Leipziger, die Tag für Tag mit Bus und Bahn zur Arbeit fahren, bezahlen den Irrsinn als Abo-Kunden mit – ohne dass ihnen ihre Erwerbseinkommen in irgendeiner Weise im selben Maß aufgestockt werden. Im Gegenteil: Das Lohnniveau in Leipzig ist mager und hält nicht einmal mit der der Inflationsrate mit.

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Immer wieder die eh schon unterbezahlten Leipziger zur Kasse zu bitten, weil auf höheren Entscheidungsetagen gekürzt wird, das funktioniert nicht mehr. Und auch das Warten auf mögliche Lösungsvorschläge des MDV zum Jahresende wäre der falsche Weg. Denn dann liegt der nächste Vorschlag für eine Tarifanpassung auf dem Tisch. Die Kunden der LVB bekommen ja nicht einmal mehr ein, zwei Jahre Ruhe bei dieser Hatz. Die auch eine selbstverschuldete ist.

Es sind auch die seit 2000 drastisch abgesenkten Zahlungen aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag (VLFV), die so auf die Fahrgäste als steigende Fahrpreise abgewälzt werden. Noch im Jahr 2000 bekamen die LVB als Betriebskostenzuschuss fast 70 Millionen Euro von Stadt und Landkreisen. Die Summe ist mittlerweile auf unter 50 Millionen Euro abgeschmolzen. Aus dem VLFV bekommen die LVB in diesem Jahr nur noch 45 Millionen Euro. Dadurch wurde zwar die Leipziger Konzernholding LVV deutlich entlastet. Aber die Kosten für das Nahverkehrsunternehmen lösen sich ja nicht in Luft auf. Sie liegen um die 120 Millionen Euro im Jahr – Tendenz aufgrund steigender Preise steigend.

Aufgefangen wurden die Zuschusskürzungen allesamt durch steigende Einnahmeerlöse. Im Jahr 2000 nahmen die LVB noch 43,5 Millionen Euro mit Tickets ein. 2009 stieg dieser Wert erstmals über 70 Millionen Euro, 2011 lagen er bei fast 74 Millionen Euro. Wie heftig sich die Fahrpreiserhöhungen von 2011 und 2012 ausgewirkt haben, wird man erst zur nächsten Bilanzpressekonferenz erfahren. Die Stadtratsmehrheit hat zwar am 20. März die Tariferhöhung am 1. August abgenickt.

Die Diskussion muss aber jetzt beginnen, wie der ÖPNV stabilisiert werden kann, ohne den Leipzigern immer tiefer in die Tasche zu greifen. Da müssen auch Vorschläge von der Stadtverwaltung kommen. Man bekommt keine “25 Prozent ÖPNV”, wenn man jedes Jahr an der Preisschraube dreht.

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