Chemnitz ist nicht wegzukriegen vom Wunschzettel der Bahnverbindungen, die durch den City-Tunnel führen sollten. Zwar schaffte es das südwestsächsische Industriezentrum bisher noch nie bis in eine bestätigte Liniennetzplanung für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz, aber als berechtigte Hoffnung standen regionale Zugverbindungen zwischen Leipzig und Chemnitz, die ausdrücklich durch den umsteigefreundlichen City-Tunnel führen, lange Zeit im Raum.
Dass die Interessenverbände der Wirtschaft mit Nachdruck dafür plädierten, liegt auf der Hand. Deshalb lässt sich die Chemnitz-Spur weit zurückverfolgen.
“Derzeit noch nicht einbezogen in den Tunnel ist die Strecke nach Chemnitz, weil zunächst kurzfristig die Strecke über Bad Lausick ausgebaut werden soll und die Strecke über Borna zwischen Borna und Geithain nicht elektrifiziert ist. Als Option wird die Einbeziehung in den Tunnel aber offen gehalten”, heißt es in einer Information des damaligen Beigeordneten für Planung und Bau, Dr. Engelbert Lütke Daldrup, an die Dienstberatung des Oberbürgermeisters der Stadt Leipzig vom 17. September 1998. Das hieß für die Chemnitz-Verbindung: Hinten anstellen.
Geschehen ist mancherlei in den vergangenen 15 Jahren. Geht das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz am 15. Dezember 2013 in Betrieb, fährt die S 4 bis Geithain, denn der Fahrdraht ab Borna wurde vor zwei Jahren im Zuge der Netzergänzenden Maßnahmen, also im S-Bahn-Vorgriff, wirklich gezogen. Und andere Fahrzeuge als elektrische sind im City-Tunnel undenkbar und unzulässig.
Südlich von Geithain aber und bis Chemnitz gähnt die missliche Elektrifizierungslücke von reichlich 30 Kilometern Länge. Immerhin, Anfang 2013 passierte Erstaunliches. Am 4. Januar unterzeichneten der Sächsische Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Sven Morlok (FDP), und der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn für den Freistaat Sachsen, Artur Stempel, im Chemnitzer Blitzlichtgewitter eine Vereinbarung über Voruntersuchungen zur Elektrifizierung der Eisenbahnstrecke Leipzig- Chemnitz. Noch liegen keine offiziellen Ergebnisse der statistischen Bestandsaufnahme vor, doch aus dem Kreis der Eingeweihten ist zu hören, dass bei der künftigen Elektrifizierung, die terminlich allerdings in den Sternen steht, der Vorzug “höchstwahrscheinlich” der schnellen Strecke über Bad Lausick gehören wird.In Geithain scheiden sich die Geister. Für die Weiterfahrt nach Leipzig stehen zwei Varianten zur Auswahl. Auf dem S-Bahn-Außenast Geithain – Borna (- Leipzig) soll in zehn Monaten die S 4 fahren. Aber die Strecke Chemnitz – Geithain – Bad Lausick – Leipzig, die vor der Fußball-WM 2006 mit einem Riesenaufwand modernisiert wurde, ist offenbar der künftige Elektrifizierungs-Favorit, damit endlich fertig verdrahtet wird, was 1962/64 bzw. 1996/98 auf der Strecke blieb.
Der Haken ist nur, dass es gravierende Umplanungen der künftigen S-Bahn-Trassen im Bereich Paunsdorf/Engelsdorf während der Bauzeit des City-Tunnels nun nicht mehr zulassen, dass ein dort aus Chemnitz ankommender Zug in den Tunnel eingefädelt werden kann. “Möglicherweise haben wir ja [ab Geithain] auf die falsche Strecke gesetzt”, denkt ein hochrangiger Beamter aus dem sächsischen Verkehrsministerium, der nicht namentlich genannt werden möchte, leise, aber hörbar nach.
“Sorry Chemnitz” bedauert in diesen Tagen ein Leucht-Poster, das auf dem Leipziger Hauptbahnhof für eine lokale Rabattkarte wirbt. Der selbstbewusste Leipziger Spruch könnte vorläufig auch auf den Traum von der Einbeziehung von Chemnitz in das Netz der City-Tunnel-Linien umgemünzt werden. Wer aus Chemnitz mit dem RegionalExpress Geithain erreicht, soll ab Dezember 2013 dort in die S-Bahn umsteigen können. Es geht – elektrifiziert oder nicht – allerdings auch über Bad Lausick bis zum Leipziger Hauptbahnhof weiter, und dann wird auf der großen Station wie gewohnt auf weiten Wegen umgestiegen.
Der Wunschzettel wird nicht kürzer. Künftige Elektrifizierung zwischen Chemnitz und Geithain und auf der Gesamtstrecke von Chemnitz über Borna mit der S-Bahn umsteigefrei in den City-Tunnel und am selben Bahnsteig weiter in verschiedene Richtungen, das wünschen sich viele. Chemnitz zählt 10.000 Einwohner mehr als Halle/Saale und wäre vom Potenzial her mit knappem Vorsprung No. 2 im Kreis der Destinationen des Mitteldeutschen S-Bahn-Netzes. Mal sehen, zu welchem offiziellen Ergebnis die Voruntersuchungen zur Streckenelektrifizierung kommen, die in diesen Tagen auf Experten-Ebene verglichen und abgewogen werden.
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