Es klingt ganz so, als hätte Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) tatsächlich noch Spielräume - und die Bürger könnten auch noch mitreden. "Bundesverkehrswegeplan 2015 - Freistaat prüft Projektanmeldungen für Bundesstraßen und beteiligt Öffentlichkeit" heißt eine Meldung aus seinem Hause. Als wenn eine lange Liste von Großprojekten dem Freistaat mehr Fördergelder bringen könnte.

Das Verkehrsministerium prüfe derzeit, welche Bundesfernstraßen beim Bund für den Bundesverkehrswegeplan 2015 (BVWP) angemeldet werden sollen. Die Anmeldung im BVWP ist eine wichtige “Schwelle” bei der Planung, Finanzierung und beim Neu- oder Ausbau von Bundesstraßen.

“Unser Ziel ist eine leistungsfähige, verkehrsträgerübergreifende und umweltfreundliche Infrastruktur, die den Bedürfnissen von Bürgern und Unternehmen gerecht wird. Das sächsische Straßenverkehrsnetz ist bereits gut ausgebaut. Noch sind jedoch einige wichtige Lücken zu schließen”, erklärt Verkehrsminister Sven Morlok dazu.

Der BVWP ist die Grundlage für die Entwicklung und den Ausbau der Bundesfernstraßen und wird vom Bundeskabinett beschlossen. Er enthält alle von der Bundesregierung beabsichtigten Investitionsprojekte für Straßen, Schienen und Wasserstraßen, ist jedoch kein Finanzierungsplan. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat die Länder aufgefordert, bis zum September 2013 die Straßenbauprojekte des Fernstraßenbaus zu benennen, die aus Sicht des Landes einer Bewertung im Rahmen der Aufstellung des BVWP unterzogen werden sollen. Die Bewertung der Projekte und die Festlegung, welche dieser Projekte dann tatsächlich in den BVWP 2015 aufgenommen werden, trifft das BMVBS.

Der Freistaat habe im Landesverkehrsplan 2025 bereits die sächsischen Schlüsselprojekte im Bereich der Bundesfernstraßen definiert und priorisiert. Das vorrangige Projekt sei die Fertigstellung der A 72 von Chemnitz nach Leipzig. Von übergeordneter Bedeutung seien außerdem die Fertigstellung der B 178 als überregionale Verbindungsachse von der A 4 über Polen nach Tschechien. Weitere Schlüsselprojekte sind u. a. die B 169 / B 98, die B 101 / B 173, die B 87, die Verkehrsachsen der B 174 und der B 95 durch das Erzgebirge, sowie die B 107 Südverbund Chemnitz und die B 6 Cossebaude.

Überprüft würden in erster Linie alle Projekte, die im derzeit geltenden Bundesverkehrswegeplan 2003 aufgeführt sind. Ausgenommen davon sind die Vorhaben, die bereits unter Verkehr bzw. im Bau sind. Für acht Vorhaben ist gegenwärtig vorgesehen, sie für den Bundesverkehrswegeplan 2015 nicht erneut anzumelden.

Das sächsische Verkehrsministerium möchte die Öffentlichkeit frühzeitig in diesen Prozess einbeziehen. Bis zum 15. März 2013 können Bürgerinnen und Bürger sowie Träger öffentlicher Belange einschließlich aller Gemeinden in Sachsen zu den Vorhaben Stellung nehmen.

Der Freistaat wolle sich bei der anstehenden Fortschreibung für eine bedarfsgerechte Umsetzung der Maßnahmen einsetzen, so dass die sächsischen prioritären Neubauvorhaben bis zum Jahr 2025 verkehrswirksam werden, teilt das Ministerium noch mit.Doch das Problem ist: Auf Jahre hinaus sind die möglichen Zuschüsse des Bundes für sächsische Straßenbauprojekte schon verplant. Das Bundesverkehrsministerium hat nach einer ganzen Reihe von Alarmmeldungen zum Zustand deutscher Autobahnen, Brücken und Bundesstraßen den Schwerpunkt der Mittelverteilung deutlich geändert. Es fließt deutlich mehr Geld in die Sanierung der in den letzten 60 Jahren gebauten Straßen. Vor dem Hintergrund der durch den Bundesfinanzminister verhängten Sparauflagen ist die Summe der für Neubau verfügbaren Gelder weiter drastisch reduziert worden.

Sachsen bekommt dafür vom Bund in den nächsten Jahren durchschnittlich 14 Millionen Euro pro Jahr. “Allein die Kosten für die begonnenen Projekte in Sachsen belaufen sich auf 189 Millionen Euro”, stellte Stephan Kühn, Dresdner Bundestagsabgeordneter und verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, dazu bei einer Pressekonferenz im Januar in Dresden fest. “Im Investitionsrahmenplan des Bundes von 2011 bis 2015 sind weitere sächsische Straßenbauprojekte in Höhe von 313 Millionen Euro enthalten. Die laufenden Projekte binden die Mittel weit über das Ende des Jahrzehnts.”

Und da sind die Lieblingsprojekte des Freistaates noch nicht einmal dabei. Auch nicht die vom Verkehrsministerium wieder auf den Tisch gehobene B 87, deren Komplettkosten bei sagenhaften 360 Millionen Euro liegen würden. In der Liste, die das Ministerium jetzt zur Diskussion stellt, steht die B87 nach wie vor zum größten Teil als Vordringlicher Bedarf – das betrifft das komplette Stück von Leipzig bis Eilenburg, bei dem das Ministerium durchaus noch immer durch die Parthenaue will, mit geschätzten 89,5 Millionen Euro Baukosten. Das Bundesverkehrsministerium hat die B87 längst aus dem Bundesverkehrswegeplan gestrichen – Sachsen will sie wieder drin stehen haben, auch wenn bis 2025 nicht einmal in Aussicht steht, dass dafür Gelder vom Bund kommen.

Dabei drängt ein anderes Projekt viel mehr: die A 72 von Chemnitz nach Leipzig, deren Bau sich mittlerweile um Jahre verzögert hat. Wenn man dann endlich den Anschluss an die A 38 im Leipziger Süden gefunden hat, kommt jenes Stück, um dessen Ausführung sich die Parteien seit zwei Jahren streiten – das Stück südlich von Leipzig von der A 38 bis zur Abfahrt Connewitz mit der Durchquerung des agra Parkes. Insbesondere SPD und Grüne kämpfen ja hier um die Tunnelvariante. Die Sanierung des Stelzenbaus, über den die Autobahn über den agra Park führt, ist dringend.

Aber während das Verkehrsministerium für die B87 sogar Vordringlichen Bedarf sieht, hat es den 7,7 Kilometer langen Abschnitt von der A 38 bis Connewitz nur als Weiteren Bedarf deklariert. Womit das Projekt weit nach hinten rutscht. Auch zeitlich. Und hier geht es immerhin um geschätzte 52 Millionen Euro Baukosten. Wenn die Liste so ans Bundesverkehrsministerium geht, wird dort schon der erste Sachbearbeiter die Schultern zucken und das Projekt streichen. Denn es steht auch noch “OP” dahinter – ohne Planung. Wahrscheinlich gibt es dann eher eine freundliche Aufforderung, das Projekt erst einmal auszudiskutieren und zur Planungsreife zu führen – und dann wieder anzumelden.

Und dasselbe wird wohl mit der B87 passieren, hinter der das Kürzel “ROV” steht – für Raumordnungsverfahren. Was im Klartext heißt: Die Streckenführung ist noch nicht einmal festgelegt. Hätte sie zwar längst sein können, wenn das Ministerium einfach den Beschluss des Regionalforums akzeptiert hätte. Aber irgendwie scheint man im Dresdner Verkehrsministerium immer noch davon zu träumen, dass jeder Straßenbau, den man sich da so vorstellt, gebaut werden könnte in absehbarer Zeit.

Eine Art Weihnachtsmannpolitik, die die knappen Finanzvorgaben der nächsten Jahre einfach ignoriert und den Bürgern mit diesem Beteiligungsverfahren suggeriert, sie könnten mitreden und all das, was da auf der Liste steht, hätte bis 2025 eine Chance auf Verwirklichung.

Selbst die fünf Neuanmeldungen im Gesamtpreis von 93 Millionen Euro, die man extra noch auf die Liste gesetzt hat. Darunter eine 11 Millionen Euro teure Ortsumfahrung für Markranstädt.

Die Projektliste des SMWA als PDF zum download.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar