Will die Deutsche Bahn punkten bei Meinungsführern und Entscheidern, verteilt sie gern die Informationsmappe "Der neue Eisenbahnknoten Leipzig. Ein schnelles, komfortables und flexibles Verkehrskreuz für das 21. Jahrhundert." Das reich mit Plänen und Fotos bebilderte Druckwerk stammt aus dem Juni 2012 und zeigt - wie sollte es anders sein - natürlich das Netz der sechs S-Bahn-Linien, die durch den City-Tunnel führen sollen.
Vor sieben Wochen bereicherte die gedruckte Faktensammlung noch alle einschlägigen Pressetermine. Es lohnt sich, den darin enthaltenen S-Bahn-Plan genau zu studieren. Im Norden von Leipzig ist zum Beispiel der Haltepunkt Leipzig – Essener Straße eingezeichnet. Er soll von der S 2 (Bitterfeld – Gaschwitz) und von der S 5 / S 5 x (Halle – Leipzig/Halle Flughafen – Zwickau) berührt werden.
Derweil finden Mitarbeiter der Deutschen Bahn in ihrer Konzernzeitung DB Welt, Ausgabe Januar 2013, wiederum den künftigen S-Bahn-Linienplan. Indes, es fehlt darin der Haltepunkt Leipzig – Essener Straße.
Verschwunden sein kann das Bauwerk so schnell wohl noch nicht, und gebuddelt wird an dieser Stelle auch nicht. Denn die Tunnel-Verantwortlichen haben seit dem 25. November 2012 jede Menge Baukapazitäten auf den Streckenabschnitt Engelsdorf – Gaschwitz geworfen, der essentiell für das Funktionieren des gesamten S-Bahn-Systems via City-Tunnel ist und offensichtlich mit seinem abschnittsweise geänderten Spurplan, den kilometerlangen Lärmschutzwänden, mit den neuen bzw. umzubauenden Haltepunkten im Süden der Stadt und in Markkleeberg sowie mehreren neuen Brücken in den kommenden elf Monaten noch viel Geld und Nerven verschlingen wird.
Was die Verantwortlichen für das Mega-Pojekt City-Tunnel an Auskünften über den zum Phantom mutierten Haltepunkt Leipzig – Essener Straße auf Nachfrage bieten, gleicht einer Endlosschleife. “Das bauen ja nicht wir”, sagen die Tunnel-Beschäftigten der Deges. Na gut. “Soviel ich weiß, kommt das noch”, heißt es bei der Deutschen Bahn. “Die Bahn muss es genauer wissen. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der S-Bahn ist der Haltepunkt Essener Straße aber nicht”, erfährt der Nachfrager aus dem Sächsischen Wirtschafts- und Verkehrsministerium, über dessen Konten Tunnel-Millionen fließen.Es wäre ein herber Verlust, wenn der Haltepunkt an der Essener Straße ein Dreivierteljahr vor Beginn des Probebetriebs dem steigenden Termindruck des Baugeschehens zum Opfer gefallen wäre, weil möglicherweise Zeit und Geld dafür nicht reichen. Immerhin findet sich in der mittlerweile fast zwanzig Jahre währenden Entstehungsgeschichte des City-Tunnels in jeder einzelnen Phase und durch alle Wechselfälle hindurch immer dieser wichtige Verknüpfungspunkt zwischen den S-Bahnen und Bussen der LVB. Bis eben zum Januar 2013.
So verlangte die damals auf den Namen S-Bahn Tunnel Leipzig GmbH getaufte Planungsgesellschaft im August 1998 in ihrer Projekt-Präsentation neben der Verlängerung des eingleisigen Abschnitts von der Theresienstraße bis zur Essener Straße ausdrücklich den Bau eines Haltepunkts an dieser vielbefahrenen Straße im Norden der Stadt. Im Unterschied zum ersten Anlauf der S-Bahn Leipzig aus dem Jahre 1969 sollte das neue, nun mitteldeutsche S-Bahn-System ja ausdrücklich “nicht um den Stadtkern herumführen”, sondern Wohn- und Industriegebiete direkt mit dem Stadtzentrum verknüpfen.
“Mit der Schaffung günstiger Umsteigepunkte zwischen Stadtbahn und S-Bahn sowie neuer S-Bahn-Haltepunkte wird die Vernetzung des schienengebundenen Personennahverkehrs gefördert, beide Systeme werden besser ausgelastet und arbeiten wirtschaftlicher”, schrieben die damaligen Chefs der Planungsgesellschaft, Walter Stein und Andreas Glowienka, am 16. September 1998 zur Begründung des Vorhabens und voll auf der nachvollziehbaren Nutzen-Schiene an das Bundesverkehrsministerium.
Wie es praktisch geht, kann jeder Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel jeden Tag in Dresden erfahren: Innerstädtisch hält an zahlreichen Punkten oben die gut vertaktete S-Bahn und darunter immer eine oder mehrere Straßenbahn- bzw. Buslinien der DVB. Warum sollte das an der Essener Straße in Leipzig anders sein? Und warum verschwindet solch ein leicht nachvollziehbarer Systemvorteil im Januar 2013 aus den Leipziger S-Bahn-Plänen?
Später – bei laufendem Betrieb – einen Haltepunkt in das bestehende Netz einbauen zu wollen, scheint auf jeden Fall eine kompliziertere und teurere Variante.
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