In Sachen Radverkehr ist Leipzig ja ein Flickenteppich. Das liegt am Geld. Wie so oft. Auch der Bau von Radwegen kostet Geld. Selbst simple Schilder und Fahrbahnbemalungen brauchen ein paar Euro. Immerhin: 31,3 Millionen Euro hat Leipzig in den letzten 20 Jahren für den Radverkehr ausgegeben, hat Planungsbürgermeister Martin zur Nedden ausrechnen lassen.
Immerhin gab’s in den letzten Monaten wieder etwas einseitige Kritik im Zusammenhang mit dem “Radverkehrsentwicklungsplan”, der nun im April im Stadtrat beschlossen werden soll. Grundlage für eine deutliche Erhöhung des Anteils von Wegen, die die Leipziger künftig mit dem Fahrrad zurücklegen sollen – und nicht mit dem Auto. Von 14 Prozent soll der Radwegeanteil auf 18 Prozent gesteigert werden. Was dann wieder Teil der städtischen Strategie ist, den Umweltverbund (ÖPNV, Rad, Fuß) auf 70 Prozent zu forcieren. Jetzt hat er gerade einmal 60 Prozent. Der Rest gehört dem Bequemomobil. Und das hat in den letzten Jahren seine Anteile sogar ausgebaut – beim Weg zum Einkauf vor allem.
Politik ist oft widersprüchlich. Oft kann die Stadt nicht gegensteuern, wo sie müsste. Dutzende Supermärkte und Discounter mit opulenten Parkplätzen sind überall in der Stadt aus dem Boden geschossen. An sich nicht das Problem. Der Mensch hat ja die Wahl. Doch sie haben in allen Stadtvierteln die fußläufig erreichbaren Einkaufslagen in den Wohnvierteln lädiert. Wo man nicht mehr zu Fuß hin kommt, fährt man halt.
Aber warum nicht mit dem Rad? – Gerade der von der FDP so geliebte Sonntag zeigt in der ganzen Stadt, wie emsige Männer mit dem Familienauto losfahren, um sich beim Bäcker in der nächsten Straße oder an der Tankstelle frische Brötchen zu besorgen. Ob die Bildzeitung vom Kiosk oder die Zigarettenpackung vom Automaten – man fährt mit dem Auto hin. Die meisten Wege sind kürzer als 5 Kilometer, könnten locker (und gesünder) auch mit dem Rad absolviert werden. Doch vor den Bäckerfilialen findet man zwar meist zugeparkte Radfahrstreifen – aber selten mal einen Stellbügel fürs Fahrrad. Leipzigs Filialenbetreiber haben den Radfahrer als Kunden nicht wirklich im Visier – um den autofahrenden Kunden aber kämpfen sie mit aller Macht.Politik ist auch deshalb oft so wirr, weil sich auch das Verantwortungsgefühl der Bürger für ihre Stadt oft nur langsam ändert. Immerhin konnten sich die meisten Leipziger erst in den letzten 20 Jahren motorisieren. Da nimmt man nicht gern gleich wieder Abschied, bloß weil der Sprit immer teurer wird. Und mit Gesundheitsargumenten erreicht man Änderungen auch nicht – das haben alle Kampagnen gegen Zigarettenkonsum und dickmachende Lebensmittel gezeigt.
Deswegen ist die Strategie der Stadt, das Radwegenetz einfach Stück für Stück und nach den finanziellen Möglichkeiten auszubauen, vielleicht nicht so falsch. Es hat Lücken und Löcher. Doch Martin zur Nedden ist sich sicher: “Wenn wir Radverkehr fördern, schaffen wir auch Entlastungen beim Individualverkehr.” Heißt wohl: Wo sichere Radwege existieren, steigen eben doch mehr Leute aufs Fahrrad um.
Nach den neuesten Zahlen ist das Leipziger Radwegenetz nun 392,3 Kilometer lang. 11,2 Kilometer sind 2011 dazugekommen. Die Zahlen differieren zu den gemeldeten Zahlen der Vorjahre. Immerhin war das Radwegenetz 2010 offiziell nur mit 309,4 Kilometer gemeldet. “Das resultiert aus einer Neuerfassung des Bestands, die wir vorgenommen haben”, erklärt Verkehrsplaner Torben Heinemann. Jetzt werden auch die Radwege bis zum Mittelpunkt von Verkehrsknoten miterfasst, die in der alten Rechnung ausgespart worden waren. Deswegen sind die Zahlen zu den Vorjahren nicht vergleichbar. Nur ahnen kann man, wie rudimentär das Radwegenetz noch 1990 war: Da gab es lediglich 74 Kilometer Radwege in Leipzig.1,931 Millionen Euro hat die Stadt 2011 für Radwege ausgegeben – 1,245 Millionen dafür für den Neubau. Wichtige Radwege sind zum Beispiel in der Nürnberger Straße zwischen Liebigstraße und Johannisgasse (336.000 Euro) entstanden, in der Emil-Fuchs-Straße im Nordabschnitt des Tangentenvierecks (139.200 Euro), in der Majakowskistraße in Mockau-Nord (252.000 Euro) oder auch beim Neubau der Prager Straße in Probstheida (76.600 Euro).
Oft sind neue Radanlagen in Straßenneubauprojekte integriert und werden deshalb im Haushaltsplan der Stadt nicht extra ausgewiesen. Manches Wegestück wird für innerstädtische Radler gar nicht wahrnehmbar, weil es etwa in Lützschena-Lindenthal (118.800 Euro) oder Engelsdorf (180.000 Euro) entsteht. Oder an der Delitzscher Landstraße von Wiederitzsch Richtung Autobahn – das ist die wichtige und seit langem umkämpfte Radverbindung direkt zum Schladitzer See. Der Landkreis Nordsachsen hat seinen Radweg von Norden bis zur Autobahnbrücke über die A 14 schon gebaut, Leipzig hat mit 160.800 Euro den südlichen Anschluss gebaut. Jetzt fehlt nur noch das Zwischenstück auf der Brücke selbst.
268.000 Euro hat Leipzig auch für die Rekonstruktion von Radwegen ausgegeben, 185.000 Euro für Radfahrstreifen und 21.400 Euro für Radbügel. Womit man wieder bei den Bäckern wäre. Denn auch Einzelhändler, Hausbesitzer und andere Gewerbetreibende können die Aufstellung solcher Bügel sponsern: Rund 300 Euro kostet die Aufstellung eines solchen Bügels im Schnitt, sagt Edeltraut Höfer, Leiterin des Verkehrs- und Tiefbauamtes. Allein in der Innenstadt wurden für 20.400 Euro 90 neue Fahrradbügel aufgestellt. Und jeder Radfahrer weiß: Sie reichen noch lange nicht.
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820.000 Euro sind 2012 für reine Radverkehrsmaßnahmen im Haushalt eingestellt. Sie fließen zum Beispiel in Rad-Geh-Wege in Rückmarsdorf und Lützschena. “Weitere Anlagen entstehen auch wieder im Zusammenhang mit großen Straßenbauprojekten”, so Martin zur Nedden. Das betrifft die Max-Liebermann-Straße in Nord-Gohlis, die im April freigegeben wird. Das betrifft die große Umbaumaßnahme in der Lützner Straße und die Umbauten am Roßplatz, wo auch die Radwege-Zufahrten in die Innenstadt deutlich verbessert werden. Und das betrifft – so bestätigt Edeltraut Höfer wieder – auch die Georg-Schumann-Straße, wo nach Freigabe der Max-Liebermann-Straße die Abmarkierungen auf der Fahrbahn beginnen sollen. Neben markierten Parkflächen sollen hier endlich Radfahrstreifen aufs Pflaster.
“Viele Maßnahmen sind solche mit Schwarzbrotcharakter und nicht so spektakulär”, sagt Baubürgermeister zur Nedden dazu ein wahres Wort. Denn auch das gehört zum Lernen in der Leipziger Verkehrspolitik: dass für das “Spektakuläre” auf viele Jahre hinaus bald das Geld fehlt und die Lösungen ganz irdisch im Bestand gefunden werden müssen, mit kleinen Maßnahmen, die das Radfahren in Leipzig leichter und selbstverständlicher machen.
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