Von 2020 bis Dezember 2024 war Regina Kraushaar Präsidentin der Landesdirektion Sachsen. In dieser Funktion verantwortete sie im September auch die Genehmigung für den Ausbau des Frachtflughafens Leipzig, eine Genehmigung, in der so gut wie alle Einsprüche der Anliegerkommunen, der Naturschutzverbände und der Bürgerinitiativen ignoriert wurden.

Schon von 2017 bis 2020 war die Ärztin mit CDU-Parteibuch Staatssekretärin in zwei Kretschmer-Regierungen. Im Dezember berief sie Michael Kretschmer zur Ministerin für Infrastruktur und Landesentwicklung. Ein Posten, auf dem sie ohne zu zögern die eigenartigen Wirtschaftsvorstellungen der sächsischen CDU umsetzt.

Oder zumindest artikuliert. So wie am Donnerstag, 3. April, als sie einfach mal forderte, das mühsam ausgehandelte Flächenziel für den Windkraftausbau wieder aufzuweichen. Ein sensibler Zeitpunkt, denn gerade erst haben die sächsischen Regionalverbände nach ebenso mühsamen Aushandlungsprozessen die ersten Entwürfe für die Windkraftvorranggebiete vorgelegt, mit denen 2 Prozent der Landesfläche für Windkraftausbau gesichert werden sollen. Flächen, die dringend gebraucht werden, wenn nach jahrelangem Stillstand der Windkraftausbau in Sachsen endlich wieder in Gang kommen soll.

Technologieoffenheit, Technologieoffenheit, Technologieoffenheit,

Aber Regina Kraushaar hat da so ihre eigenen Vorstellungen und scheint zumindest zu glauben, dass man mit einem Einspruch aus Sachsen die neue (wahrscheinliche) Schwarz-Rote Regierung in Berlin dazu bringen könnte, den ganzen Prozess zum Windkraftausbau noch einmal ganz von vorn zu starten. Als wären nicht schon 16 wertvolle Jahre durch ganz ähnliche Verzögerungstaktiken vertrödelt worden.

„Die Ampel-Regierung hatte den Ländern in der letzten Legislaturperiode mit dem Wind-an-Land-Gesetz starre Flächenziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien vorgegeben: Bis 2032 müssen danach insgesamt zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie ausgewiesen werden. Bei uns in Sachsen ist diese Regelung schwerlich umsetzbar, weil wir ein dicht besiedeltes Land mit teilweise ungünstiger Topografie sind. In meinen Gesprächen vor Ort höre ich darüber hinaus immer wieder, dass die Bevölkerung erhebliche Belastungen bei der Umsetzung des starren Flächenzieles befürchtet“, behauptete die Infrastrukturministerin am 3. April in einer offiziellen Pressemitteilung.

Es könnte doch ganz anders funktionieren, meinte sie: „Erfreulicherweise sind Forschung und Entwicklung nicht untätig. So kann heute mit neuen Anlagen unter den gleichen Voraussetzungen und der gleichen Fläche deutlich mehr Energie erzeugt werden als noch vor ein paar Jahren. Deswegen halte ich einen festen Flächenbeitragswert von zwei Prozent gar nicht für zielführend. Stattdessen befürworte ich das im Rahmen der Koalitionsverhandlungen diskutierte Ökostromziel (Energiebeitrag).

Es wäre richtig, wenn es den Ländern überlassen bleibt, ob sie den Energiebeitrag durch die Nutzung von Wind-, Sonnen- oder einer anderen erneuerbaren Energiequelle erbringen. Und um das klar zu sagen: Natürlich spielt das Repowering von bestehenden Windenergieanlagen hier eine wichtige Rolle. Denn damit werden die Flächen, die für die Energiegewinnung bereits genutzt werden, wiederverwendet. Die Anzahl der Anlagen können damit auf ein nötiges Minimum beschränkt werden.“

Sachsen braucht viel mehr Öko-Strom

Das eine gegen das andere auszuspielen, zeugt zumindest von einer gewissen Ahnungslosigkeit der Ministerin. Denn auch auf den neu ausgewiesenen Flächen müssen deutlich leistungsfähigere Anlagen aufgestellt werden. Denn die Verstromung der Energienutzung in Sachsen – vom Elektromobil über die energieintensiven Betriebe bis hin zu den Erdwärmepumpen – braucht viel mehr elektrische Leistung, als sie mit den derzeitigen erneuerbaren Energien in Sachsen derzeit erzeugt werden.

Sachsen liegt nach Jahren des Bremsens längst am Ende der Bundesländer, wenn es um den Windkraftausbau geht. Und das, obwohl auch CDU-Minister/-innen ausrechnen können – wenn es sie es denn wollten –, dass mehr selbstproduzierter Öko-Strom auch in Sachsen die Kosten der Stromerzeugung senken würde.

Logisch, dass auf den Vorstoß insbesondere Wolfram Günther, zuvor Umweltminister und jetzt wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen, ziemlich deutlich reagiert.

„Mit diesem Vorschlag stellt die CDU erneut ihre industriepolitische Planlosigkeit zur Schau“, sagte er am Freitag, 4. April. „Sachsens Unternehmen, von der Gießerei bis zum Chiphersteller, sind rund um die Uhr auf eine sichere Versorgung mit kostengünstigem Strom angewiesen. Der Weg dorthin ist ein intelligenter Mix aus Wind- und Sonnenenergie in Kombination mit hochflexiblen weiteren Kraftwerken. Deshalb fordern unsere Unternehmen eine konsequente Fortsetzung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Nur dank der bestehenden Regelung zur Flächensicherung haben sie langfristig Planungssicherheit und können in den kommenden Jahren mit bezahlbarem, grünem Strom in allen Landesteilen rechnen.“

Zurück zur alten Unverbindlichkeit?

Und auch Thomas Löser, energiepolitischer Sprecher der Bündnisgrünen-Fraktion, kann nur den Kopf schütteln über den neuerlichen Bremsversuch aus der sächsische Regierungsspitze.

„Während Sachsen im Jahr 2024 einen Solarboom erlebte, sind wir im Ländervergleich trotz der zuletzt eingeleiteten Trendwende beim Ausbau der Windenergie weiterhin Schlusslicht“, sagte er. „Eine sichere und günstige Versorgung am Tag und in der Nacht, im Sommer wie im Winter, ist nur mit einem gut durchdachten Mix aus Wind und Solarenergie möglich. Die Funktion von Windenergieanlagen im Stromsystem kann nicht durch etwas mehr PV ersetzt werden. Die Kenia-Koalition hat hier weitsichtig gehandelt und das Zwei-Prozent-Flächenziel in Sachsen bereits für 2027 in das Landesplanungsgesetz aufgenommen.“

Mit Kenia-Koalition meint er die bisherige Schwarz-rot-grüne Regierungskoalition in Sachsen, die inzwischen durch die CDU-SPD-Minderheitsregierung abgelöst wurde. Zum Bruch mit den Grünen kam es auch, weil die mehr als nur konservativen energiepolitischen Vorstellungen der seit 1990 regierenden CDU immer wieder mit der Forderungen der Grünen kollidierten, Sachsen endlich auf einen zukunftsfähigen Energiekurs zu bringen. Mal war es die Kohle, mit der gegen den Ausbau von Windenergie argumentiert wurde, dann das „billige“ russische Gas.

Das Beklemmende an der durch Kraushaar wieder angezettelten Diskussion ist, dass diese mitten in einen jahrelang zäh errungenen Prozess eingreift und so tut, als könnte man in Sachen Energiewende einfach mal so durch einen Koalitionsbeschluss alles wieder auf null setzen.

„Der Hochlauf von Planungs- und Genehmigungsverfahren zeigt: Auch in der Energiewirtschaft wächst endlich das Vertrauen in eine sächsische Energiewende“, betont Thomas Löser. „Jetzt das Flächenziel infrage zu stellen und über ein allgemeines Ökostromziel zu sinnieren, würde den Freistaat erneut um Jahre zurückwerfen. Die CDU verspricht gern allerorts Bürokratieabbau – die Forderung von Ministerin Kraushaar, die bisherigen Flächenplanungen über Bord zu werfen und neue Planungen aufzusetzen, würde das Gegenteil bedeuten.“

Das Windenergieflächenbedarfsgesetz

Der Bund gibt durch das Windenergieflächenbedarfsgesetz vor, dass bestimmte Anteile der Landesfläche als Vorranggebiete für die Errichtung von Windkraftanlagen ausgewiesen werden müssen. Diese Festlegung ermöglicht Planungssicherheit für alle Beteiligten:

Stromabnehmer wie Unternehmen, die fest mit grüner Stromversorgung planen,
Projektierer, die sich auf einen festgelegten Flächenkorridor konzentrieren können, und
auch die Anwohnerinnen und Anwohner, für die klar ist, dass 98 Prozent der Fläche keine Windvorranggebiete sind.

Der Verweis auf ein allgemeines Ökostromziel hingegen unterstellt nun, dass eine bezahlbare und grüne Energieversorgung auch ohne erheblichen Ausbau von Windenergieanlagen möglich sei – etwa, indem stattdessen stärker auf Solarstrom gesetzt wird. Dies verkenne allerdings, dass wir bereits jetzt an vielen Stellen kaum mit der Netzintegration bestehender Solaranlagen hinterherkommen, so Löser.

Mangels Stromspeichern, deren Ausbau sich auch erst im Hochlauf befindet, führt das insbesondere in sonnigen Mittagsstunden immer häufiger zu negativen Strompreisen. Diese werden zwar auch von der CDU beklagt, doch der offensichtlichen Lösung, mehr Windenergie als ausgleichende Ergänzung zur PV ans Netz zu bringen, will sie nun aus dem Weg gehen, um die besonders lauten Stimmen der Windkraftgegner zu besänftigen.

Dabei gelte auch in Sachsen: Eine Mehrheit der Menschen ist für den Ausbau der Erneuerbaren – einschließlich Windenergie. Die klügere Strategie wäre es stattdessen, beispielsweise mit Verweis auf das sächsische Beteiligungsgesetz, dank dessen jedes Windrad jährlich rund 30.000 Euro für die Gemeindekasse bringt, weiter offensiv für die Akzeptanz der Energiewende zu werben und so unseren Wirtschaftsstandort abzusichern.

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Keine Kommentare bisher

Tja Herr Julke, wenn man die falschen Ärzte oder die, die gar keine sind, an den Patienten (hier Windkraft) dann kann es schon mal passieren, daß der Patient tot geht.

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