Vom 16. bis 20. Oktober findet wieder die Frankfurter Buchmesse statt. Das ist für den Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Landesverband Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V., auch jedes Mal der Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen: Wo steht eigentlich der Buchhandel? Wie geht es den Verlagen in Mitteldeutschland? Wie geht es dem Buch überhaupt – oder verschwinden nach und nach die Leser? Durchaus verzwickte Fragen.
Denn von allen Seiten ist die Branche unter Druck. Papier wird immer teurer, Druckereien verschwinden aus Deutschland, der Online-Handel frisst einen großen Teil des Umsatzes, die jungen Leute hängen immer länger an ihren Smartphones.
Kulturgut Buchhandlung
Der Börsenverein, Landesverband Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen e.V., vereint nicht nur die Verlage, sondern auch die Buchhändler. Weshalb der Fokus eben auch auf den Umsätzen liegt, die lokale Buchhändler noch generieren können, nachdem ihnen der Online-Handel gewaltige Teile ihrer einstigen Umsätze genommen hat. Gerade die Corona-Zeit hat vielen (vor allem kleineren) Buchhandlungen schwer zu schaffen gemacht.
Aber noch halten sie sich tapfer, wie der Börsenverein feststellt: „Der Sortimentsbuchhandel beweist mit einem Umsatzanteil von 41,8 Prozent seine Signifikanz für den deutschen Buchmarkt. Der Online-Buchhandel folgt darauf mit 24,8 Prozent des Gesamtumsatzes. Dies entspricht einer Summe von 2.403 Millionen Euro. Das Direktgeschäft der Verlage hat einen Umsatzanteil von 22,6 Prozent.“
Weniger Käufer erwerben mehr Bücher
Aber die Buchkäufer sind eben nicht einfach nur zur Online-Bestellung im Internet gewechselt. Tatsächlich gibt es immer mehr Menschen, die gar keine Bücher mehr kaufen, wie die Markt-Media-Studie „best for planning 2023“ ergab.
Was der Börsenverein so resümiert: „Die Buchbranche verliert auch weiterhin Buchkäufer/-innen – und das drastischer denn je. 2023 haben nur 38 Prozent der Befragten mindestens einen Buchkauf für den privaten Bedarf getätigt, 2021 lag diese Zahl noch bei 53 Prozent. Allein zwischen 2021 und 2023 gingen rund 3,6 Millionen Käufer/-innen verloren (Publikumsmarkt, ohne Schul- und Fachbücher).“
Allerdings gebe es zur Entwicklung der Buchkäufer/-innen auch Positives zu vermelden: „Die Kaufintensität bei der Buchkundschaft steigt. Während 2019 pro Buchkäufer/-in im Schnitt 12,8 Titel erworben wurden, stieg der Wert 2023 auf 14,0 Bücher pro Käufer/-in. Bei den Buchkäufer/-innen zwischen 10 und 15 Jahren stiegen die Werte sogar von 7,3 auf 9,5 Bücher.“
Das heißt: Die Zahl der Buchkäufer nimmt ab – aber dafür kaufen sie mehr Bücher. Trotzdem ergibt sich so auf den ersten Blick das Bild einer Nation, in der das Kaufen von Büchern nur noch für ein Drittel der Menschen zum ganz normalen Bildungsalltag gehört. Was aber tun die Anderen? Sind die alle nur noch mit ihren Smartphones unterwegs und lassen sich die Welt mit Schnipseln und Bildchen erklären? Wenn das so ist, könnte das einiges über die von Fakes und Gerüchten durchwaberte Gegenwart erklären.
Und es droht noch schlimmer zu kommen, wie der Börsenverein feststellt: „Eine Statistik, die nicht nur der Buchbranche Sorgen machen sollte: 18 Prozent der Kinder lesen laut KIM-Studie nie Bücher, bei den Jungen sind es sogar 23 Prozent. Lesen ist jedoch ‚essenziell‘ für eine selbstbestimmte Zukunft jedes und jeder einzelnen, für gesellschaftliche Teilhabe und für demokratischen Zusammenhalt‘, so Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins.“
Weniger Titel, weniger Verlage
Begleitet wird diese Entwicklung von einem deutlichen Rückgang der in Deutschland verlegten Buchtitel und einem leisen Schwinden vor allem kleinerer Verlage.
Auch wenn hinter den deutschen Verlagen – gemessen an der durchschnittlichen Umsatzentwicklung – ein gutes Jahr 2023 liegt. In Summe melden sie ein Umsatzplus von 3,3 Prozent. Die Umsatzdelle aus dem Jahr 2022, als die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine die Rahmenbedingungen für die Buchproduktion radikal verschlechterten, ist damit mehr als wettgemacht, so der Börsenverein.
Aber das kommt nicht allen Verlagen gleichermaßen zugute.
„Neben der allgemeinen Beruhigung der Märkte tritt als aktueller Umsatzmotor auch der Boom der Bücher für junge Leser/-innen hervor. Davon profitieren allerdings vor allem die größeren Verlagshäuser“, stellt der Börsenverein fest.
„Die kleinen, unabhängigen Verlage haben mit ihren Programmen abseits des Mainstreams nach wie vor wirtschaftlich stark zu kämpfen. Die hohe Inflation verstärkt diese Probleme zusätzlich und zugleich verlieren die Titel vieler Indies an Sichtbarkeit, weil engagierte Buchhandlungen schließen, Feuilletons ihre Buchrezensionen zurückfahren und Fernsehsender ihre Programmplätze für Literatur reduzieren.“
So verliert das Buch zusehends an öffentlicher Aufmerksamkeit. Obwohl Bücher eben nicht nur beste Unterhaltung bieten und die Fantasie anregen, sondern elementares Wissen über die Welt immer wieder in komprimierter und mitreißender Form darbieten – kompakter und spannender als die meisten Dokumentarsendungen im TV.
Aus diesen Gründen fordert der Börsenverein schon lange eine strukturelle Verlagsförderung, die im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auch bereits angedacht ist. Den gleichzeitig wir die Herstellung von Büchern immer teurer.
Steigende Kosten, weniger Titel
„Stellt man dem im Durchschnitt gestiegenen Umsatz die Entwicklung der Ausgaben gegenüber, zeigt sich, dass sich die Kostenlast der Verlage 2023 gegenüber dem Vorjahr um 3,5 Prozent vergrößert hat. Die Herstellungskosten kletterten 2,8 Prozent nach oben, die Personalkosten gar 4,6 Prozent und die Werbekosten um 4,3 Prozent“, so der Börsenverein.
Der dann eben auch feststellen muss, dass die Zahl der in Deutschland verlegten Titel seit 2013 permanent zurückgeht – von damals 93.600 auf nur noch 67.467 im Jahr 2023. Ein scheinbar unaufhaltbarer Trend, der auch an den mitteldeutschen Verlagen nicht vorbeigeht.
Was auch in der Hitliste der buchproduzierenden Städte sichtbar wird: „Berlin und München sind hier die Spitzenreiter, wobei Berlin 2023 mit 10.830 Novitäten deutlich in Führung liegt. München folgt mit 6.507 Titeln. An dritter Stelle liegt Hamburg mit 4.279 Titeln, an vierter Stelle Stuttgart mit 3.192 Titeln. Leipzig belegt als erste Stadt aus den neuen Bundesländern wie bereits im Vorjahr Platz 11 mit 762 Titeln.“
Jedoch bilden diese 762 zwar den Ausstoß ab, wie er seit 2020 aus Leipziger Verlagen kommt. Aber der ist inzwischen weit von den Zahlen etwa der Jahre 2014/2015 entfernt, als es über 1.000 Titel im Jahr waren. Die Leipziger Verlage reagieren also auch sehr sensibel auf den Markt.
Und gleichzeitig verzeichnet auch der Börsenverein einen stetigen Rückgang der Verlage in Mitteldeutschland: Gab es bis 2016 noch über 330 zumeist kleiner und kleinster Verlage in den drei Bundesländern Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt, so begann schon 2017 ein deutlicher Rückgang, der zumeist mit der Betriebsaufgabe älterer Verleger/-innen zu tun hat, während deutlich weniger junge Büchermacher den Mut fanden, einen neuen Verlag zu gründen.
2023 zählte der Börsenverein nur noch 248 Verlage in den drei Bundesländern, davon 127 in Sachsen, 34 in Sachsen-Anhalt und 87 in Thüringen.
Keine Kommentare bisher