Am Donnerstag, dem 17. Oktober, um 10 Uhr startete die zweite Tarifverhandlung Metall und Elektro für Sachsen im Hotel „The Westin“ in Leipzig. Im Vorfeld versammelten sich Gewerkschaftsmitglieder aus ganz Sachsen vor dem Hotel, um ihrem Unmut über die gescheiterte erste Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern Luft zu machen. In der ersten Verhandlungsrunde hat der Arbeitgeberverband kein Angebot vorgelegt, in anderen Tarifbezirken wurden 1,7 % mit einer neunmonatigen Nullrunde angeboten.
Die Kolleginnen und Kollegen sind empört, dass die Arbeitgeber auf ihre Forderung nach 7 Prozent Gehaltserhöhung und 170 Euro monatlich für Auszubildende nicht reagiert haben.
Dirk Schulze, Bezirksleiter IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen und Verhandlungsführer sagte uns: „Wir fordern sieben Prozent für die sogenannten Erwachsenen und 170 Euro für die Auszubildenden. Das ist absolut berechtigt, denn die Inflation hat in den letzten Monaten und Jahren ordentlich zugeschlagen und wir sind mit der Entgeltforderung ein Teil der Lösung, um die Konsumsituation in Deutschland anzuregen, dass Leute sich wieder mehr kaufen können und damit die Wirtschaft wieder richtig in Zug kommen.
In der ersten Verhandlung haben sie uns nichts angeboten. Ich bin jetzt sehr gespannt, was sie uns in der zweiten Verhandlung hier heute in Leipzig anbieten werden. Wir fordern, wie gesagt, sieben Prozent und 170 Euro. Es gibt weitere Besprechungspunkte.
Wir wollen unseren Tarifvertrag T-Zug, wo man Geld auch mal in freie Tage wandeln kann, nutzen und verbessern, und wir brauchen auch eine soziale Komponente für die unteren Entgeltgruppen, die wir insbesondere stärken wollen. Die unteren Entgeltgruppen und auch die Auszubildenden, die besonders hart betroffen sind von den Preissteigerungen. Das ist der Kern heute.“
Die Notwendigkeit der Forderung nach Erhöhung der Ausbildungsvergütung begründete Dirk Schulze in seiner Rede: „Noch ein Wort zu den Auszubildenden und zu den jungen Erwachsenen. Ihr habt es wirklich verdient, dass ihr mehr bekommt als nur Verständnis für eure Situation und den knappen Geldbeutel. Das ist ja auch nicht viel besser, als wir das in der Corona-Zeit erlebt haben, mit dem Thema ‚Klatschen für die Krankenschwestern.‘
Ihr braucht als Auszubildende 170 Euro mehr. Und zwar jetzt. Das wollen wir sehen, das wollen wir ins Verhandlungsergebnis haben in diesem Herbst. Das ist berechtigt. Und diese 170 Euro sind eigentlich sowas von berechtigt, dass normalerweise die Arbeitgeber mit der Forderung und der Idee zu uns kommen müssten.
Sie müssten doch ein Interesse daran haben, dass Ihre Betriebe und die Ausbildungswerkstätten attraktiv sind und dass Schulabgängerinnen und Schulabgänger sich die Finger danach lecken, in unseren Industriebetrieben in Sachsen endlich anfangen zu können.“
Auch Nino Vogel, Betriebsrat und Vertrauenskörperleiter bei BMW in Leipzig, fand harte Worte für die Position der Arbeitgeber: „Wir haben ja Feedback-Regeln und wir sollen eigentlich mit etwas Positivem starten. Mir ist jetzt nicht so viel eingefallen, was ich heute Positives sagen kann, außer, dass ich es super finde, dass wir heute hier präsent sind und zu dem Angebot, um es positiv zu formulieren, ich finde es mutig, dass man mit so viel Scheiße in eine Verhandlung reingeht.“
Wir fragten Nino Vogel, warum sich die Gewerkschaftler von BMW, die ja als Besserverdienende gelten, an dem Arbeitskampf beteiligen.
Er fand dazu klare Worte: „Viele fragen sich wahrscheinlich, warum die BMW-Mitarbeiter auch hinter dieser Forderung von 7 % mehr Entgelt und 170 Euro mehr Ausbildungsvergütung stehen. Wir sind solidarisch mit allen Betrieben in der Metall- und Elektroindustrie. Auch wir sind von der Inflation betroffen. Unser Werk soll ausgebaut werden oder wurde ausgebaut.
Wir sollen immer neue Produkte schaffen. Die Leistungsverdichtung spielt bei uns eine Rolle und dadurch brauchen wir eine adäquate Vergütung. Wir brauchen Azubis, die mit ihrem Ausbildungsgehalt sich eigene Wohnungen leisten können, die ihr Leben gestalten können, ohne abhängig von den Eltern zu sein.
Und deswegen stehen wir heute hier vor dem Westin mit unserer Forderung, um den Arbeitgebern zu zeigen, dass wir dahinter stehen und das notfalls auch mit Warnstreiks durchsetzen werden.“
Nicht nur er erklärte, dass die Gewerkschaftler auch bereit zu Warnstreiks sind. Eine wichtige Forderung der Gewerkschaften ist, dass die Transformation – die Einführung neuer Technologien wie KI und Robotik – sozialverträglich ablaufen muss.
Wir haben Dirk Schulze dazu befragt: „Wir wollen, dass die Transformation, die überall in der Industrie stattfindet, natürlich mit uns und mit den Beschäftigten bearbeitet wird. Es geht um eine ökologische, aber auch soziale und demokratische Transformation. Sie darf nicht über unsere Köpfe hinweg gemacht werden. Wir wollen, dass das fair und offen diskutiert wird.
Ich höre, dass die Arbeitgeber über ihre Strategien teilweise nicht reden wollen. Und das halte ich für unverantwortlich. Sie sollten eher die Belegschaften unserer Leute in den Betrieben mitnehmen und gemeinsam beraten, wie wir gut durch dieses Jahrzehnt und ins nächste Jahrzehnt kommen.“
Nicht nur an die Arbeitgeberseite, sondern auch an die Politik hat die Gewerkschaft Forderungen.
Diese formulierte Dirk Schulze in seiner Rede: „Darüber hinaus werde ich nicht müde zu sagen, dass wir natürlich auch Forderungen an die Politik haben, an die Ampel haben, solange es die noch gibt. Die Schuldenbremse muss weg! Sie ist genauso ein Wachstumshemmnis wie knausrige Arbeitgeber. Und wir fordern von den Politikern auch ein Zukunftsbekenntnis für unsere Industrie.
Ein Zukunftsbekenntnis und aber nicht nur ein Bekenntnis, sondern aktives Handeln. Zum Beispiel beim Energiepreis, insbesondere für energieintensive Betriebe, das ist das Stichwort 5 Cent für die Kilowattstunde. Wir brauchen für die Arbeitgeber, das ist eigentlich auch eine typische Arbeitgeberforderung, Planbarkeit in den Kosten und insgesamt niedrigere Kosten.
Und wir brauchen drittens, das ist auch eine große Forderung an die Politik, die uns aber gemeinsam mit unseren Arbeitgebern dann helfen würde, wir brauchen ein klares Bekenntnis und Fördermaßnahmen für die Elektromobilität. Wir brauchen eben nicht mehr ein Schlechtreden von Politikern und Skeptikern und Zweiflern.“
Am Nachmittag kam das ernüchternde Ergebnis: In einer Pressemitteilung teilte die Gewerkschaft die Ablehnung des Angebots der Arbeitgeber mit. Das Angebot beinhaltete eine Entgelterhöhung um 1,7 Prozent zum 1. Juli 2025 und um 1,9 Prozent zum 1. Juli 2026. Die Laufzeit soll 27 Monate betragen. Bei den Ausbildungsvergütungen signalisierten die Arbeitgeber Verhandlungsbereitschaft über eine überproportionale Erhöhung, allerdings ohne eine konkrete Zahl zu nennen.
Die Arbeitgeber verlangen dafür, dass Möglichkeit für Einschnitte bei den Sonderzahlungen in Betrieben mit schwieriger wirtschaftlicher Lage erweitert und dauerhaft festgeschrieben werden.
Verhandlungsführer Dirk Schulze kommentierte die Anlehnung mit den Worten „Das ist deutlich zu wenig und würde für die Kolleginnen und Kollegen nicht einmal die Inflation ausgleichen.“
Verdi ist für den Fall, dass in den folgenden Verhandlungsrunden kein akzeptables Angebot der Arbeitgeber vorgelegt wird, auch bereit für einen Arbeitskampf. Es bleibt nicht viel Zeit dafür, die Friedenspflicht endet am 28. Oktober. Danach sind Warnstreiks möglich.
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