Es war gewiss nicht nur die Erfüllung des Kindheitstraumes, einmal auf einer Lokomotive mitfahren zu dürfen, die die CDU-Bundestagsabgeordneten Henning Rehbaum, Lars Rohwer und Jens Lehmann bewog, der Einladung zum „Praxistag Schienengüterverkehr“, der gemeinsam von FLEX-Bahndienstleistungen und „DIE GÜTERBAHNEN“ veranstaltet wurde, zu folgen. Die Veranstaltung am 7. August in Leipzig gehörte wohl zu der Reihe „Mit der Politik auf Praxistour“.

Es fanden schon andere, unter anderem mit Michael Dohnt (CDU) in Ludwigshafen und Isabel Codemartori (SPD) in Mannheim, statt.

Absicht der Veranstalter Kai Anger, Geschäftsführer der Flex-Bahndienstleistungen GmbH, und Peter Westenberger, Geschäftsführer „DIE GÜTERBAHNEN“, war es, den Politikern die Herausforderungen des Schienengüterverkehrs, im Besonderen für die privaten EVUs (Eisenbahnverkehrsunternehmen), darzustellen und selbstverständlich um Unterstützung durch die Politik zu werben.

Das ging gleich los, nach einer kurzen Vorstellungsrunde.

Flex-Bahndienstleistungen GmbH

Kai Anger beschrieb die Entstehungsgeschichte der Flex, von den Anfängen 2015, als er und Jan Habraneck, der andere Geschäftsführer, ein Eisenbahnunternehmen gründeten und sich zunächst selbst als Lokomotivführer vermieteten, über den Kauf der ersten Lokomotive bis zum heutigen Stand mit 110 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 24 Lokomotiven, von Diesel-Loks bis zu Dual-Mode-Loks, die auch mit dem Dieselkraftstoff HVO100 betrieben werden können.

Haupteinsatzgebiete der Flex sind Leipzig, Nürnberg und Bremen/Bremerhaven. Die Flex arbeitet meist im Bereich Zug-Zusammenstellung, Rangierdienst, Verkehr „letzte Meile“, bedient aber seit drei Jahren auch das Segment Streckenverkehr.

Im Backoffice, v.l.n.r. Lars Rohwer, Henning Rehbaum, Jens Lehmann, Andrea Stodden, Peter Westenberger, Kai Anger. Foto: Thomas Köhler
Im Backoffice, v.l.n.r. Lars Rohwer, Henning Rehbaum, Jens Lehmann, Andrea Stodden, Peter Westenberger, Kai Anger. Foto: Thomas Köhler

DIE GÜTERBAHNEN

Peter Westenberger stellte kurz DIE GÜTERBAHNEN im Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) e. V. mit über 100 Mitgliedsunternehmen mit Bezug zum Schienengüterverkehr vor. Er betonte, dass 61 Prozent des Gütertransports auf der Schiene durch die Unternehmen außerhalb des DB-Konzerns erbracht werden.
Das Ganze lief nicht so strukturiert, wie hier beschrieben, ab. Es wurde schon während dieser ersten Stunde nachgefragt, diskutiert und auf Details eingegangen.

Eines der Themen war erwartungsgemäß das Verhältnis DB Cargo zu den privaten Mitbewerbern. Hier zeigte sich, dass die defizitär arbeitende DB Cargo Ausschreibungen mit Tiefstpreisen gewinnt. Aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit und Kapazitäten gibt sie die Aufträge dann an private EVUs weiter, zu höheren Preisen. Das Defizit ist somit teils selbst gemacht und der Wettbewerb wird behindert.

Viele Probleme wurden behandelt, beispielhaft, ob Einzelwagenverkehr wirtschaftlich durchgeführt werden kann oder was mit Leerfahrten ist. Doch die Anmeldezeiten für Förderung von Einzelwagenverkehr nach den Förderrichtlinien verhindern kurzfristiges Reagieren und vieles Andere. Selbstverständlich ging es auch um Infrastrukturprobleme.

Ein Beispiel schilderte Kai Anger so: „Wenn wir das BMW-Werk in Leipzig täglich mit drei Zügen bedienen, also drei Züge rein – drei Züge raus, geht das über ein Gleis, für Ein- und Ausfahrt. Dort muss auch die E-Lok gegen eine Diesel-Lok gewechselt werden. Dazu kommen noch weitere Containerzüge, die auch über dieses eine Gleis zur gleichen Zeit in die Anschlussbahn der Stadt Leipzig abgewickelt werden müssen.

Wenn wir den Zug abstellen müssen, was manchmal bei der Übergabe vorkommt, müssen wir 20 km (in Summe hin und zurück 40 km) weiter fahren, also am BMW-Werk vorbei nach Gaschwitz, stellen den Zug da hin. Dann kommt die Diesel-Lok gefahren und dann fahren wir wieder durch den ganzen Leipziger Ring zu BMW.“
Alle angesprochenen Probleme zu benennen, würde den Rahmen des Artikels sprengen. Nach einer Stunde ging es, nach kurzem Rundgang durchs Backoffice, weiter zur Eisenbahnwerkstatt der Flex.

Die Flex-Eisenbahnwerkstatt. Foto: Thomas Köhler
Die Flex-Eisenbahnwerkstatt. Foto: Thomas Köhler

Die Eisenbahnwerkstatt

Nach kurzer Sicherheitseinweisung begann die Führung. Allerdings standen auch hier wichtige Themen im Vordergrund. Anhand der verschiedenen Typen von Lokomotiven ging es schon einmal um die Herausforderungen technischer Art bei deren Instandsetzung. Nicht für alle Typen, besonders die älteren, sind Ersatzteile auf Abruf verfügbar. Teilweise wird Ersatz für Verschleißteile auch selbst angefertigt.

Einen großen Teil der Diskussion vor Ort nahm das Thema „Fit machen für Digitalisierung im Schienentransport“ ein. Allein die Umrüstung des gesamten Lokomotiven- und Wagenbestands für den Gütertransport von der Schraubenkupplung auf die digitale automatische Kupplung (DAK) erfordert einen enormen Logistik-, Zeit-, Geld- und Materialaufwand.

Bis das European Train Control System (ETCS) und die Digitalisierungsmaßnahmen in der Infrastruktur die volle Wirksamkeit entfalten können, also bis hin zum vollautomatisierten, fahrerlosen Fahren, ist auch am „rollenden Material“ noch viel zu tun.

Weiter ging es: Auf dem Gleis 18a des Hauptbahnhofs wartete die Lok.

Flex-Lok im Hauptbahnhof Leipzig. Foto: Thomas Köhler
Flex-Lok im Hauptbahnhof von Leipzig. Foto: Thomas Köhler

Auf Schienen durch Leipzig

Wieder Sicherheitseinweisung, dann Einsteigen und die Fahrt Hauptbahnhof → Borsdorf → Wahren → Hauptbahnhof mit Lokführer Kai Anger begann. Keine reine Vergnügungsfahrt. Für diejenigen, die Schienenverkehr nicht vom Fahrerstand einer Lokomotive aus kannten, war es jedenfalls lehrreich. Was bedeuten die Signalanlagen? Das Schienennetz ist in Blöcke aufgeteilt, man kann in den Block erst hineinfahren, wenn der vorausfahrende Zug diesen verlassen hat.

Hier auch wieder der Verweis auf Digitalisierung und ETCS, dadurch können Züge in engeren Abständen fahren. Lokführer fahren nicht auf Sicht, sie werden, wie Piloten durch Fluglotsen, durch den Fahrdienstleiter „gesteuert“. Am Ende der Fahrt hatten alle nicht nur mit dem Schweiß, sondern auch mit den erhaltenen Informationen zu kämpfen. Nach etwa einer Stunde endete die Fahrt wieder am Bahnsteig 18a.

Im Anschluss haben wir Anschluss Henning Rehbaum, stellvertretend für die MdBs, gefragt: Herr Rehbaum, was nehmen Sie vom heutigen Tag mit?

„Ja, Schienenverkehr, natürlich auch der Schienengüterverkehr, ist ein komplexes System mit höchsten Sicherheitsstandards, bei dem ein Rädchen ins andere greifen muss, wenn es funktionieren soll. Das wurde mir heute nochmal deutlich vor Augen geführt. Die Probleme und Herausforderungen, vor denen die Akteure stehen, sowohl DB als auch private EVUs, sind groß, und die Schiene kann ihre Vorteile nur im Zusammenspiel von DB und Privaten voll ausspielen.

Die Bedeutung der privaten EVUs für einen funktionierenden Schienengüterverkehr wurde lange Zeit unterschätzt – heute sind die Privatbahnen eine unverzichtbare Säule und Innovationstreiber, wenn es darum geht, mehr Güter auf die Schiene zu bringen. Es war eine sehr informative Veranstaltung für mich, und ich habe viele Gedankenanstöße für die künftige verkehrspolitische Arbeit mitgenommen.“

Fazit: Selbstverständlich war diese Veranstaltung eine Werbung für die privaten Güterbahnen, das ist aber per se nichts Schlechtes. Politiker sollte man viel öfter einladen, damit diese sich ein Bild von der Arbeit vor Ort machen können und mit den Problemen einer Branche konfrontiert sind. Hier war es ja auch nicht auf die privaten EVUs beschränkt, sondern betraf den gesamten Schienenverkehr. Vielleicht sollten die Verkehrsminister auch mal an so einem Format teilnehmen.

Doch dem Schienengüterverkehr droht Ungemach. Wir haben dazu Peter Westenberg gefragt. Dazu gleich mehr an dieser Stelle.

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