Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff sowie dessen Erzeugungskapazitäten werden bis 2040 in Mitteldeutschland rasant steigen. Um Produzenten und Verbraucher des klimafreundlichen Energieträgers zu verbinden, ist ein rund 1.100 km langes regionales Verteilnetz in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen notwendig. Das sind zwei Ergebnisse der am Mittwoch, dem 24. Juli, in Leipzig vorgestellten Studie „Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 2.0“.

Diese Studie wurde gemeinsam von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland, dem Wasserstoffnetzwerk HYPOS, der DBI-Gruppe und der INFRACON im Auftrag von 54 privatwirtschaftlichen und öffentlichen Partnern in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durchgeführt.

So prognostiziert die Studie auf Basis konkreter Bedarfsabfragen sowie von Flächenpotenzialanalysen für das Jahr 2030 einen Wasserstoffbedarf von bis zu 39 Terawattstunden (TWh) in den Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen, Haushalte, Energiewirtschaft und Mobilität. Dieser wird sich bis zum Jahr 2040 auf bis zu 88 TWh mehr als verdoppeln.

Jeweils mehr als ein Drittel des prognostizierten Bedarfs entfallen dabei auf die beiden Sektoren Industrie und Energiewirtschaft. Diese Zahlen gehen bereits über den im Rahmen der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung ermittelten Nachfrageumfang für Mitteldeutschland hinaus.

Ein Drittel kann in der Region produziert werden

Auch bei der lokalen Erzeugung von grünem Wasserstoff bescheinigt die Studie der Region ein umfangreiches Potenzial. So wird für das Jahr 2030 bereits eine Elektrolyseleistung von 2,9 bis 3,7 Gigawatt (GW) erwartet. Zehn Jahre später soll diese zwischen 7,1 GW bis 11,0 GW betragen. Möglich werde dies durch die weitere Steigerung des Ausbaupotenzials für erneuerbare Energien in Mitteldeutschland, das die Studie anhand von drei Szenarien (konservativ, moderat, ambitioniert) ebenfalls untersuchte.

So steigt im moderaten Szenario die installierte Leistung der Windenergie im Untersuchungsgebiet bis 2040 um den Faktor 6 auf rund 34 GW, während die Freiflächen-Photovoltaik um den Faktor 8 auf 23 GW zulegt. Im Ergebnis kann im Jahr 2040 der regionale Wasserstoffbedarf zu einem Drittel durch die inländische Erzeugung im Untersuchungsgebiet gedeckt werden.

1 Milliarde Euro Investitionsbedarf

Um Nachfrager und Erzeuger von grünem Wasserstoff an den 79 durch die Studienpartner gemeldeten Anschlusspunkten miteinander zu verbinden, umfasst das geplante Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 42 Leitungsabschnitte mit einer Gesamtlänge von 1.100 km. In enger Abstimmung mit den 13 beteiligten Netzbetreibern schlagen die Studienverfasser dazu eine stufenweise Umsetzung des Netzes für die Jahre 2030, 2035, 2040 und 2045 vor.

Rund 51 Prozent der Trasse (565 km) sollen durch die Umstellung bereits vorhandener Erdgasleitungen realisiert werden. Dadurch sowie durch die parallele Verlegung neuer Abschnitte in bestehenden Trassenkorridoren können die damit verbundenen Kosten und die Planungszeiträume deutlich reduziert werden.

So rechnen die Verfasser der Studie aktuell mit Kosten für das mitteldeutsche Wasserstoffnetz von rund einer Milliarde Euro. Das bedeutet eine Einsparung von 41 Prozent bzw. 720 Millionen Euro gegenüber einem kompletten Neubau des Netzes.

„Mit der Studie haben wir Quellen und Senken für grünen Wasserstoff in der Region in bisher nicht erreichter Qualität und Umfang erhoben sowie eine sehr konkrete und realistisch dimensionierte Zielnetzplanung für das mitteldeutsches Wasserstoff-Verteilnetz vorgelegt. Möglich wurde dies durch die deutschlandweit einmalige, rein privatwirtschaftliche Finanzierung und die enge Zusammenarbeit von 54 Studienpartnern. Das zeigt eindrucksvoll: Mitteldeutschland ist H2-ready“, erklärt Jörn-Heinrich Tobaben, Geschäftsführer der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland.

Die Stimmen zur Wasserzukunft

„Die ab 2027 startenden Elektrolyse-Standorte entlang der ersten Ausbaustufe des Nationalen Wasserstoff-Kernnetzes in der Region zeigen: Für weitere Investitionsentscheidungen auf der Erzeuger- und Nachfragerseite von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstab brauchen wir zeitnah eine leitungsgebundene, großflächige Infrastruktur.

Bei allen anderen kritischen Erfolgsfaktoren wie der Grünstromverfügbarkeit, industriellen Wasserstoffnachfrage und innovativen Geschäftsmodellen rund um grünen Wasserstoff ist Mitteldeutschland bereits heute gut aufgestellt“, erklärt Dr. Joachim Wicke, Vorstandsvorsitzender des HYPOS e.V.

„Die in der Studie vorgelegten Zahlen belegen das enorme Potenzial und die dynamische Entwicklung bei der Nachfrage und Erzeugung von grünem Wasserstoff in Mitteldeutschland. Durch die Etablierung der entsprechenden Infrastruktur kann nicht nur die klimafreundliche Energieversorgung der regionalen Unternehmen sichergestellt werden, sondern auch zusätzliche Wertschöpfung in der Region durch die Wasserstoffbranche realisiert werden“, betont Gert Müller-Syring, Geschäftsführer und Sprecher der Geschäftsleitung der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH.

„Die jetzt vorgelegte Zielnetzplanung für das regionale Wasserstoff-Verteilnetz umfasst mehr als 30 Landkreise und damit große Teile der Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Damit ist die planerische Voraussetzung für die Anbindung des Wirtschaftsstandortes Mitteldeutschlands an das nationale Wasserstoffkernnetz geschaffen.

Bereits jetzt zeichnet sich darüber hinaus ein großes Interesse an einer Ausweitung des Untersuchungsraumes auf bisher nicht erfasste Teilregionen in einer dritten Auflage der Studie ab“, ergänzt Dr. Ulf Kreienbrock, Geschäftsleiter der INFRACON Infrastruktur Service GmbH & Co. KG.

Die gemeinsam von der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland, dem Wasserstoffnetzwerk HYPOS e.V., der DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH sowie der INFRACON Infrastruktur Service GmbH & Co. KG initiierte Studie „Wasserstoffnetz Mitteldeutschland 2.0“ wurde im Auftrag von 54 regionalen Partnern aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durchgeführt.

Darunter sind 13 Netzbetreiber, 29 Bedarfsträger/Erzeuger und 12 Unterstützer. Damit ist sie die größte privatwirtschaftlich finanzierte Untersuchung dieser Art in Deutschland.

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