Manchmal staunt man ja über Minister, wie sie kurz vor der Wahl auf einmal munter werden und ein Projekt ankündigen, das sie auch schon vier Jahren hätten anpacken können, so wie Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am Mittwoch, dem 17. Juli, das Projekt einer Investitionsgesellschaft, die den energetischen Umbau Sachsens finanzieren soll. Erst 2023 hat sein Ministerium ein Gutachten für die Gründung so einer Gesellschaft in Auftrag gegeben. Da erinnert man sich an ein anderes Projekt aus seinem Haus.
Nämlich an die Mobilitätsgesellschaft, mit der der ÖPNV in Sachsen zentral justiert werden sollte. Eigentlich ein echtes Zukunftsprojekt, weil damit auch die Nahverkehrsplanungen endlich aus dem Kleinklein der Nahverkehrsverbände herausgekommen wären. Aber die sächsischen Gebietsfürsten stellten sich quer und blockierten die Idee aus dem Ministerium so gründlich, dass sie in dieser Wahlperiode nicht mehr umsetzbar ist.
Vielleicht ist die Sache mit der Investitionsgesellschaft auch deshalb so spät gestartet, weil hier ganz ähnliche Krümelei zu erwarten ist. Da ist es wohl besser, wenn anderthalb Monate vor der Sachsenwahl einfach die Zahlen auf dem Tisch liegen und die Wähler wissen, worum es jetzt geht.
Wie finanziert man die Energiewende?
Im November 2023 hat das sächsische Wirtschaftsministerium (SMWA) die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) beauftragt, ein Sachverständigengutachten für den „Aufbau einer sächsischen Investitionsgesellschaft“ und zu den Erfolgsaussichten dieser häufig geforderten Gesellschaft zu erstellen. Eine Investitionsgesellschaft, wie sie in dem nun vorgelegten Sachverständigengutachten näher untersucht wurde, soll dem Freistaat einen zukunftsweisenden und finanziell machbaren Weg zur klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft ebnen.
Am 17. Juli stellte PwC dann die Ergebnisse der Untersuchung vor und das Wirtschaftsministerium fasste diese kurz und farblos so zusammen: „Für den nötigen Ausbau der Erzeugung Erneuerbarer Energien, der Stromnetze, den Rückbau bzw. Umbau der Gasnetze, den Aufbau des Wasserstoffnetzes, einer Ladeinfrastruktur und von Speichern bis hin zur Umstellung vieler Produktionsprozesse und der völligen Neuausrichtung der Energie- und Wärmeversorgung des Gebäudebestandes gehen neueste Schätzungen mittlerweile von Investitionskosten von gut einer Billion Euro in den nächsten zehn Jahren in Deutschland aus.
Allein für Sachsen muss im Energiebereich mit einem öffentlichen und privaten Investitionsbedarf in Höhe von mindestens 20 Milliarden Euro bis 2033 gerechnet werden. Zahlreiche Wirtschaftsinstitute, Verbände wie der BDI und Gewerkschaften fordern deshalb einen staatlichen Investitionsschub.“
Die Präsentation von PwC zu einer sächsischen Investitionsgesellschaft.
Tatsächlich hat PwC nach Abfrage aller nötigen Investitionen bei den in Sachsen tätigen Akteuren (von den Stadtwerken über die Wasserversorger bis zu den Netzbetreibern und Nahverkehrsunternehmen) eine noch deutlich höhere Summe ermittelt: „22.748 Mio. € für die nächsten 10 Jahre (…), wobei knapp 28 % auf das Wärmenetz und die Wärmeerzeugung entfallen.“
Sprich: Allein für die klimaneutrale Wärmeversorgung müssen über 6 Milliarden Euro investiert werden, für die klimaneutrale Stromversorgung über 5 Milliarden. Der ÖPNV steht mit etwas über 700 Millionen Euro in der Liste.
Investiert werden muss so oder so
Mit einer Summe von fast 23 Milliarden Euro kann man natürlich auch die braven Wähler erschrecken, die niemals Betriebswirtschaft studiert haben und von der Politik für gewöhnlich auch ein simplifiziertes und ziemlich falsches Bild von Wirtschaft beigebracht bekommen. Denn investiert wird immer – auch in all den Branchen, die jetzt die energetische Wende hinbekommen müssen.
Und zur Wahrheit gehört auch: Die meisten Unternehmen sind längst dabei, auch die Leipziger Stadtwerke und Wasserwerke. Über deren Investitionspläne berichteten wir hier und hier.
Wobei die Leipziger Stadtunternehmen davon profitieren, dass die Stadt wächst und wirtschaftlich recht gut dasteht. Das macht sich in den Bilanzen und den finanziellen Spielräumen der Kommunalbetriebe bemerkbar, die deutlich größer sind als in den vielen kleineren Stadtwerke in Sachsen. Welche auf die Anfrage von PwC deutlich rückmeldeten, dass ihnen das Investitionskapital für den energetischen Umbau fehlt.
Die Kommunen können da nicht helfen, denn durch die sächsische Sparpolitik stehen diese auch reihenweise finanziell mit dem Rücken zur Wand. An dieser Stelle soll die Investitionsgesellschaft einspringen und das nötige Investitionskapital zur Verfügung stellen.
„Ich plädiere nachdrücklich dafür, für den nötigen Investitionsschub eine landeseigene Investitionsgesellschaft einzurichten, die Investitionen in die Transformation der Energieinfrastruktur unterstützend tätigt“, sagte Dulig am Mittwoch.
„Die Finanzierung könnte aus einem ‚Sondervermögen‘ wie einem ‚Sachsenfonds‘ erfolgen oder durch die Akkumulation privaten Kapitals seitens der Investitionsgesellschaft, das durch staatliche Bürgschaften und Garantien abgesichert wird. Das wäre auch im Rahmen der Schuldenbremse möglich. Das ist machbar. Und es wird so für Unternehmen und private Haushalte gerechter.“
Am Ende zahlt sowieso der Verbraucher
Ganz zu schweigen davon, dass das Geld ja wieder zurückfließt. Denn all die Kosten für den Umbau der Energiewirtschaft zahlt – wie das SMWA berechtigterweise feststellt – der Verbraucher: „Der Umbau ist teuer. Es läuft an vielen Stellen zu langsam. Weil zu Beginn des Umbaus hohe Kosten anfallen, weil etwa in Stromnetze, Anlagen und Speicher investiert werden muss, kommen die sinkenden Energiepreise nicht bei den Unternehmen und Bürgern an.
Denn die Kosten der Investitionen in die Energieinfrastruktur zahlt der Endverbraucher. Deshalb ist damit zu rechnen, dass die Energieverbrauchspreise in Deutschland auch in näherer Zukunft im internationalen Vergleich relativ hoch bleiben werden.“
Eine Aussage, in der auch der Hinweis darauf steckt, dass jetzt schon kräftig in die Netze investiert wird. Diese Kosten schlagen z.B. im aktuell hohen Strompreis mit durch. Aber: Es wird zu wenig investiert, sodass der Effekt am Ende deutlich niedrigerer Preise der Stromerzeugung mit alternativen Anlagen nicht beim Kunden ankommt.
Und noch etwas kommt hinzu: Das Klecker-Investieren, wie es aktuell betrieben wird, ist auf die Dauer deutlich teurer als eine schnelle Investition in großem Maßstab – auch das rechnet die PwC-Studie vor. Deswegen ergibt eine Investitionsgesellschaft Sinn, die möglichst vielen Kommunen eine schnelle Investition in neue Wärmenetze, klimaneutrale Stromversorgung und weitere Bausteine hin zur Klimaneutralität ermöglicht.
Falscher Zungenschlag zum Wohlstand
Auch wenn die Worte von Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig dann doch etwas fehlplatziert wirken, wenn er sagt: „Die Wende zur klimaneutralen Wirtschaft darf unseren Wohlstand nicht gefährden, sondern muss ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und sogar Wirtschaftsmotor sein. Wir müssen jetzt in Wachstum investieren. Zentral hierfür ist eine bezahlbare und gerechte Energiewende.“
Denn zur Wahrheit gehört: Die „Wende zur klimaneutralen Wirtschaft“ gefährdet unseren Wohlstand nicht (auch wenn das einige Schwätzer im Land immer wieder behaupten), sondern sichert ihn tatsächlich erst. Die Zeit der billigen fossilen Brennstoffe geht vorbei, das Heizen mit Gas, Öl und Kohle wird sehr schnell unbezahlbar – ganz zu schweigen von der steigenden CO₂-Abgabe.
Das SMWA will nun möglichst rasch klären, wie in Sachsen eine landeseigene Investitionsgesellschaft etabliert werden kann, die nach wirtschaftlichen Maßstäben agieren soll. Im Ergebnis sollte die Investitionsgesellschaft nur in rentable Geschäftsfelder der Energiewende investieren, bei denen der Markt noch nicht richtig funktioniert, betont das SMWA.
Dies können zum Beispiel der Aufbau der klimaneutralen Wärmeerzeugung und der entsprechenden Wärmenetze oder die finanzielle Absicherung des Ausbaus der Stromverteilnetze sein.
„Wir heben hier ein wirtschaftliches Potenzial, das dem Freistaat Sachsen ermöglichen wird, seine Energie- und Klimapolitik an zentralen Stellen zu beschleunigen, finanziell machbar zu gestalten und dadurch das regionale Wachstum anzukurbeln“, sagte Dulig noch.
„Das wird ein gewinnbringendes Geschäft. Das hat nichts mit Verstaatlichung zu tun. Es geht darum, die Potenziale der Energiewende mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu heben. Zudem wäre die landeseigene Investitionsgesellschaft Ausdruck dafür, dass der Freistaat Sachsen seiner gesetzlich gebotenen und höchstrichterlich verbrieften Verantwortung für die klimaneutrale Transformation gerecht wird.“
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