Am 13. Juni veröffentlichten die deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute die neuen Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Das Ergebnis widersprach dann schon einmal spürbar dem aktuellen medial angestimmten Lamento über den Niedergang der Nation. Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) jedenfalls sieht „erste Anzeichen für ein Ende des Abschwungs“.

In der ersten Jahreshälfte 2024 vermehren sich für Deutschland die Anzeichen für eine konjunkturelle Besserung. Im Sommerhalbjahr wird die Produktion aber wohl nur verhalten ausgeweitet. Ab Herbst dürfte die Belebung mit höheren Realeinkommen und leicht steigenden Exporten Fahrt aufnehmen, fasst das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die wichtigsten Aussagen der jüngsten Prognose zusammen.

Nach der Sommerprognose des dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 um 0,3 % expandieren, im Jahr 2025 um 1,5 % (Ostdeutschland: 0,6 % und 1,4 %). Im März hatten die IWH-Konjunkturforscher ein Plus von 0,2 % für Deutschland im Jahr 2024 und ebenfalls 1,5 % für 2025 erwartet.

Die Deutsche Wirtschaft hängt direkt von der Entwicklung der Weltwirtschaft ab

Seit Beginn des vergangenen Jahres expandiert die Weltwirtschaft in moderatem Tempo, so das IWH. Allerdings gerate in den USA das Inflationsziel von 2 % zusehends außer Reichweite, und die US-Zentralbank werde ihren Leitzins, anders als an den Finanzmärkten noch zu Jahresbeginn erwartet, im Sommer wohl nicht senken.

Die Revision der Leitzinserwartungen, insbesondere, aber nicht nur für die USA, hat im ersten Halbjahr 2024 die Kapitalmarktzinsen wieder steigen lassen. Dagegen hat die chinesische Wirtschaftspolitik ihre Bemühungen um eine Eindämmung der Immobilienkrise zuletzt noch einmal verstärkt, und jüngste Umfragen lassen auf eine Verbesserung des globalen Geschäftsklimas im Frühsommer schließen.

Dennoch bleiben die Aussichten für die internationale Konjunktur durch die recht hohen Zinsniveaus und eine in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften eher restriktive Finanzpolitik leicht eingetrübt. Insgesamt ist für die Weltwirtschaft mit einer leichten Abschwächung des moderaten Expansionstempos zu rechnen.

Exporte legen wieder zu

In Deutschland hat die Produktion im ersten Quartal 2024 dank etwas stärkerer Exporte und eines vorübergehenden Anstiegs der Bauproduktion wieder etwas expandiert. Der private Konsum schrumpfte dagegen. Zu vermuten ist, dass die einmaligen Inflationsausgleichszahlungen zum großen Teil zunächst gespart worden sind, schätzt das IWH ein. In den kommenden Quartalen werden auch real weiter steigende Lohneinkommen zu einer Ausweitung des privaten Konsums führen. Bremsend wirkt dagegen, dass die Erwerbstätigenzahl wegen der schwachen Konjunktur in den nächsten Monaten leicht sinken dürfte.

„Alles in allem wird die Produktion im Sommerhalbjahr wohl nur verhalten ausgeweitet. Daran ändert auch die Fußball-Europameisterschaft nichts“, sagt Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH. Denn den Einnahmen durch Fußballfans aus dem In- und Ausland stehen Verdrängungs- und Substitutionseffekte an anderer Stelle gegenüber, sodass unter dem Strich kein ökonomischer Impuls bleibt.

Darauf, dass die deutsche Wirtschaft dennoch auf Erholungskurs ist, deutet etwa die jüngst deutlich gestiegene Erwartungskomponente des ifo-Geschäftsklimas hin. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Exporte weiter moderat steigen dürften.

Risiko: fragmentierte Weltwirtschaft

„Die Belebung wird wohl ab dem Herbst Fahrt aufnehmen“, sagt Oliver Holtemöller. Die Verbraucherpreisinflation dürfte im Jahr 2024 bei 2,3 % liegen und erst gegen Jahresende spürbar sinken, weil die kräftigen Lohnsteigerungen den Sommer über zum Teil überwälzt werden. Die Arbeitslosenquote beträgt sowohl im Jahr 2024 als auch im kommenden Jahr 6,1 %, nach 5,7 % im Vorjahr. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo dürfte sich im Jahr 2024 auf ‒1,4 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt und im Jahr 2025 auf ‒1,3 % belaufen.

„Ein Risiko für die internationale und insbesondere die deutsche Konjunktur ist die Möglichkeit einer rasch zunehmenden Fragmentierung der Weltwirtschaft“, so Ökonom Holtemöller. So wird derzeit vielfach erwartet, dass die Europäische Kommission im Sommer Strafzölle auf subventionierte chinesische Produkte erhebt, und dass China mit eigenen Zollerhöhungen antworten wird.

Besonders in Mitleidenschaft gezogen würden etwa Unternehmen der Automobilbranche, und zwar auch über europäische Zölle auf in China von deutschen Unternehmen für den europäischen Markt produzierte Fahrzeuge. Unter solchen Bedingungen wären die Chancen für eine Expansion der deutschen Exporte schlecht, so das IWH. Das auch betont: Es ist zweifelhaft, ob sich eine gesamtwirtschaftliche Erholung in Deutschland ohne außenwirtschaftliche Impulse einstellen könnte.

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