Im März 2021 leitete die EU-Kommission ein förmliches Prüfverfahren ein, ob die 1,75 Milliarden Euro, die die LEAG für das Abschalten ihrer Kohlekraftwerke in Sachsen und Brandenburg bekommen sollte, eigentlich als Beihilfe genehmigungsfähig sind. Am 4. Juni meldete nun das Bundeswirtschaftsministerium, dass Exekutiv-Vizepräsidentin Margrethe Vestager und die Dienststellen der Europäischen Kommission grundsätzlich grünes Licht für die Entschädigung geben. Kritik gibt es dafür jetzt vom BUND Sachsen.
Ausgehandelt wurde diese Entschädigungssumme im Rahmen des Kohlekompromisses 2020. Die Kohlekonzerne werden dafür entschädigt, dass sie klare Abschalttermine für ihre Kohlekraftwerke akzeptieren und diese früher als nach ihrer Laufzeit möglich vom Netz nehmen.
„Das ist ein wichtiger Schritt vor allem für die Menschen der Region. Damit sind Entschädigungsgelder für die soziale Absicherung der Beschäftigten im Übergang und für die Tagebaufolgenkosten gesichert“, sagte Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz.
Was wurde durch die EU-Kommission geregelt?
Nach der vorläufigen summarischen beihilferechtlichen Bewertung der EU-Kommission ist der Entschädigungsbetrag in Höhe von bis zu 1,75 Milliarden Euro im Grundsatz als Beihilfe zu rechtfertigen. Das Verfahren ist aber gestuft.
Erstens: Ein Teil der durch den Kohleausstieg verursachten Kosten in Höhe von derzeit geschätzten 1,2 Milliarden Euro ist mit entsprechenden Nachweisen fix, d.h. hierfür könnte nach der förmlichen Genehmigung der Europäischen Kommission unabhängig von der weiteren energiewirtschaftlichen Entwicklung eine Entschädigung ausgezahlt werden.
Dies ist darin begründet, dass diese Kosten nicht von der künftigen Rentabilität abhängen, sondern u.a. Sozialvereinbarungen abdecken und Änderungen in der Revierplanung, die durch den Kohleausstieg notwendig wurden und in den Vorsorgevereinbarungen zwischen den Ländern und LEAG berücksichtigt wurden.
Zweitens: Der Rest von bis zu 550 Millionen Euro ist an Voraussetzungen gebunden. Er wird dann berücksichtigt, wenn sich in Zukunft bestätigt, dass die Kraftwerke der LEAG auch über die im Kohleverstromungsbeendigungsgesetz vorgesehenen Stilllegungsdaten hinaus wirtschaftlich gewesen wären und der LEAG somit aufgrund der gesetzlichen Ausstiegsregelung Gewinne entgehen.
Planungssicherheit für die Wiedernutzbarmachung
Und so sah es auch Sachsens stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig: „Wir sind zufrieden und erleichtert, dass die EU diese Entscheidung nun getroffen hat. Dies ist ein richtiges und wichtiges Signal aus Europa für die Menschen im Revier, die LEAG und den Klimaschutz! Wir haben in den vergangenen Monaten viel im Hintergrund dazu beigetragen.
Nach intensiver Arbeit des Bundeswirtschaftsministeriums haben nun Sachsen und Brandenburg, aber auch das Energieunternehmen LEAG endlich Planungssicherheit. Deshalb gilt mein Dank vor allem dem Bund, der durch seine Verhandlungen dieses gute Ergebnis maßgeblich ausgehandelt hat.
Damit kann die Braunkohleverstromung in der Lausitz spätestens im Jahr 2038 ein kontrolliertes Ende finden und notwendige Zukunftsinvestitionen in nachhaltige Energie und sichere Arbeitsplätze können erfolgen.“
Damit werde die Wiedernutzbarmachung der sächsischen – aber auch der brandenburgischen – Bergbaufolgelandschaften abgesichert, die nach Einstellung des aktiven Gewinnungsbergbaues in der Lausitz anstehen wird.
„Die Verständigung war ein richtiges und wichtiges Signal, da die LEAG selbst Planungssicherheit benötigt, um aktiv ihre eigene Transformation hin zu einem grünen Energieunternehmen weiter zu betreiben“, sagte Dulig. „Wir wollen, dass uns das Unternehmen auch zukünftig als verlässlicher Partner in der Lausitz erhalten bleibt und den Strukturwandel weiter mitgestaltet. Die Beihilfeentscheidung ist somit nicht nur eine Entscheidung zu Gunsten der LEAG, sondern insbesondere für die Menschen in der Lausitz, den gesamten Wirtschaftsstandort und den Klimaschutz.“
Jetzt die Renaturierung planen
Und auch die Grünen im Sächsischen Landtag sehen vor allem das Positive an dieser Entscheidung.
„Die Freigabe der EU-Kommission für die Entschädigungszahlungen ist ein großer Verhandlungserfolg von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Habeck hat mit seinem Team dafür gesorgt, dass die ostdeutschen Reviere die benötigte Absicherung erhalten.
Das ist nicht zuletzt auch eine gute Nachricht für die Beschäftigten und die betroffenen Regionen. Ich bin dem BMWK dankbar für seinen intensiven Einsatz in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen“, sagte am 4. Juni Dr. Daniel Gerber, energiepolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag.
„Die bisher sicher beihilferechtlich bewilligte Summe umfasst 1,2 Milliarden Euro. Frühere Bundes- und Landesregierungen hatten der LEAG Entschädigungszahlungen über 1,75 Milliarden Euro in Aussicht gestellt. Hierbei handelt es sich um Steuermittel, die Sozialvereinbarungen und die Renaturierung absichern, für die das Unternehmen verantwortlich ist.”
Da aber die Braunkohleverstromung immer häufiger unwirtschaftlich ist, fällt der Verlust, für den die LEAG beihilfechtlich entschädigt werden kann, vorerst geringer aus.
„Hätten die LEAG und Ministerpräsident Michael Kretschmer nicht auf einem Weiterbetrieb der Kohleverstromung bis zum maximal-möglichen Enddatum im Jahr 2038 bestanden, wäre die Entschädigung möglicherweise wesentlich höher ausgefallen“, stellt Gerber fest. „Die potenzielle Lücke von bis zu 550 Millionen Euro muss nun Anlass auch für das Sächsische Oberbergamt sein, ein schlüssiges Konzept für die Einzahlung der fehlenden Vorsorgegelder im Rahmen einer Anpassung der Vorsorgevereinbarung zu entwickeln und diese auch umzusetzen.
Das Geld für die Renaturierung muss auch im Falle interner Umstrukturierung oder Insolvenz gesichert sein. Denn es ist davon auszugehen, dass die Braunkohle viel früher als 2038 nicht mehr rentabel sein wird. Was aber bleibt, sind die massiven Umweltschäden. Vor uns liegt eine Generationenaufgabe.“
Er verwies auch noch auf das von den Grünen vorgeschlagene Konzept zur Errichtung einer Braunkohlefolgestiftung, um die Renaturierung der Reviere über Generationen hinweg abzusichern.
BUND Sachsen kritisiert Milliarden-Beihilfe an die LEAG
Am Donnerstag, dem 6. Juni, meldete sich freilich der BUND Sachsen mit Kritik an dieser Beihilfe zu Wort.
„Die LEAG verdient das Geld schlichtweg nicht, und dafür gibt es mehrere Gründe“, erklärt Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen.
„Laut gesetzlicher Bestimmungen soll das Geld in zweckgebundene Gesellschaften einbezahlt und für die Rekultivierungskosten in den Braunkohleabbaugebieten eingesetzt werden. Allerdings legt die LEAG nicht glaubhaft und transparent offen, wie die klimaschonende Transformation des Unternehmens, die Stärkung der Lausitz und die Wiedernutzbarmachung und Renaturierung der Braunkohletagebauflächen laufen soll.
Im Gegenteil, der fossile Gigant steuert momentan auf eine Unternehmensaufspaltung zu und könnte sich durch absehbare Insolvenz des Braunkohlegeschäfts aus der Verantwortung stehlen, überhaupt für die Wiedernutzbarkeitskosten aufzukommen“.
Ein weiterer Kritikpunkt ist laut Ekardt, dass der größte Teil der Entschädigungszahlungen, nämlich 1,2 Milliarden Euro, nicht daran geknüpft sind, ob der Entschädigungsfall überhaupt eintritt.
„Bei den nun bewilligten Entschädigungszahlungen handelt es sich um entgangene Gewinne in der Zukunft, die es faktisch höchstwahrscheinlich so nicht geben wird. Die wissenschaftliche Meinung ist einhellig, dass auch ohne vorgezogenen offiziellen Kohleausstieg und Entschädigungen die letzten Kohlekraftwerke eher vor 2030 vom Netz gehen werden“, betont Ekardt.
„Danach wird der Energieträger Kohle durch den anziehenden EU-Emissionshandel schlicht für die Konzerne nicht mehr profitabel sein, bereits unabhängig von den Renaturierungskosten. Faktisch wird durch die Beihilfe ein fossiler Konzern gestärkt und der fossile Ausstieg eher verzögert.“
Ein wichtiges Signal für den Klimaschutz, wie Sachsens Wirtschaftsminister Dulig die EU-Entscheidung betitelt, sei diese aus BUND-Sicht gewiss nicht. Denn richtiger Klimaschutz wäre der Ausstieg aus der Kohle bis spätestens 2030.
Keine Kommentare bisher
Verstehe ich das richtig, die “Entschädigungszahlungen” sollen auch für die Renaturierung sein??
Dafür gibt es ja die durch Gesetz geforderten Rückstellungen, welche die LEAG bisher nirgendwo glaubhaft zurückgelegt hat!
Ich gebe also dem Affen noch mal Zucker, und dann verschwindet der irgendwann trotzdem im Wald.
Und Herr Dulig klopft sich dafür auf die Schulter.
Wieso sind die Entschädigungszahlungen nicht an den tatsächlichen Fall geknüpft?
Wer beschließt so einen Unsinn und eine Steuerverschwendung?