So langsam bekommt das künftige Wasserstoffnetz im mitteldeutschen Raum Kontur. Am 20. März werden die oberirdischen Gasleitungen des neuen Forschungsstands im Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen erstmals öffentlich gezeigt. Im Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen erforscht die Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft den Transport von Wasserstoff in herkömmlichen Kunststoff-Gasleitungen.

Seit Oktober 2023 ist das Testfeld um einen Komponenten-Versuchsstand reicher: Zwei oberirdische Rohrleitungen sind mit zahlreichen Komponenten aus dem Erdgas-Transport bestückt. Dort testet ein Forschungsteam um HTWK-Professor Robert Huhn den Einfluss von Wasserstoff auf verschiedene Absperr-Armaturen und Dichtungsmaterialien. Mit handgroßen Messgeräten überprüft es außerhalb der Rohre, ob Wasserstoff an den Verbindungsstellen austritt.

Positiver Nebeneffekt des neuen Versuchsstands ist: Die Besucherinnen und Besucher der regelmäßigen Tage der offenen Tür können nun einen Teil der Gasleitungen zu Gesicht bekommen. Außerdem ist im Info-Pavillon jetzt neben einer Brennstoffzelle auch eine neue Wasserstofftherme zu bestaunen, die beide mit reinem Wasserstoff betrieben werden.

Der nächste Tag der offenen Tür im Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen ist am 20. März 2024.

Das Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen

Mitten im Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, 50 Kilometer nördlich von Leipzig, befindet sich ein zwei Fußballfelder großes umzäuntes Gelände. Zu sehen ist neben einem gläsernen Info-Pavillon vor allem grüne Wiese, denn das Besondere an diesem Testfeld liegt unter der Erde: 1,4 Kilometer Gasleitungen, durch die in drei verschiedenen Druckstufen reiner Wasserstoff strömt.

Robert Huhn, HTWK-Professor für Gas- und Wärmenetze und sein Team vom Institut Energie-, Gebäude- und Umwelttechnik testen hier gemeinsam mit den Partnern DBI Gas- und Umwelttechnik und der Mitteldeutschen Netzgesellschaft Gas (MITNETZ Gas) in einem Langzeitversuch, wie sich Wasserstoff verhält, wenn er im Verteilnetz durch herkömmliche Gasleitungen aus Kunststoff fließt.

Im Mai 2019 wurde das sogenannte Wasserstoffdorf als gemeinsames Testfeld des Forschungsverbunds „Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany“ (HYPOS) in Betrieb genommen. In diesem Forschungsverbund arbeiten mehr als 160 Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft daran, Wasserstoff technisch sicher und wirtschaftlich nutzbar zu machen. Gefördert vom Bundesforschungsministerium, erproben sie die Herstellung, Speicherung und Verteilung von Wasserstoff – letzteres im Wasserstoffdorf.

Die Rolle von Wasserstoff in der Energiewende

Im Zuge der Energiewende will Deutschland bis 2050 auf fossile Energieträger verzichten – somit auch auf Erdgas. Durch erneuerbare Energien erzeugter Wasserstoff soll es langfristig ersetzen. Das bringt neue Anforderungen mit sich: Wasserstoff ist das kleinste Element und kann sich somit leichter verflüchtigen als Erdgas. Zudem ist es im Gemisch mit Luft schnell entflammbar. Kann Wasserstoff trotzdem durch dieselben, bestehenden Kunststoffleitungen fließen?

Dieser Frage gehen die Wissenschaftler im Forschungsprojekt H2Infra nach. Sie ergründen den effizienten und sicheren Betrieb von Wasserstoffverteilnetzen im Wasserstoffdorf Bitterfeld-Wolfen.

Die Forschungsfrage beantwortet Huhn zuversichtlich: „Nach knapp viereinhalb Jahren Testzeitraum im Dauerbetrieb mit Wasserstoff in Erdgasleitungen funktioniert der Transport bisher einwandfrei. Daher können bestehende Erdgasleitungen für den Transport von Wasserstoff voraussichtlich leicht umgerüstet werden. Das könnte die Energiewende beschleunigen, denn Deutschland ist mit 550.000 Kilometer langen Erdgas-Verteilleitungen gut vernetzt.“

Prof. Dr. Faouzi Derbel, Prorektor für Forschung und Nachhaltigkeit sagt dazu: „Zahlreiche Forschungsprojekte der HTWK Leipzig setzen den Fokus auf Technologien und Verfahren, die eine nachhaltigere Zukunft ermöglichen. Eine herausragende Rolle spielt es dabei, Grundlagen für einen sicheren und effizienten Transport von Wasserstoff zu schaffen und diese wissenschaftlich zu begleiten.“

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