Was ist eigentlich Wirtschaft? Und wie kann man messen, wie es ihr geht? Die Frage steht jedes Mal, wenn die sächsischen Industrie- und Handelskammern einige ihrer Mitglieder befragen, wie ihre wirtschaftliche Lage ist, wie sie die nähere Zukunft einschätzen und was ihre größten Sorgen sind. Ein Fragenkomplex, der natürlich auch sichtbar macht, wenn sich die aktuellen Krisen gerade häufen. So wie in der landesweiten Umfrage zum Jahresbeginn.
„Die sächsische Wirtschaft startet ohne Rückenwind in das Jahr 2024.“ Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, an der sich 1.690 Unternehmen aus Industrie, Baugewerbe, Handel, Dienstleistungen, Verkehr sowie Gast- und Tourismusgewerbe mit mehr als 91.000 Beschäftigten beteiligten.
„Aufgrund der konjunkturellen Schwäche, die zu einer rückläufigen Binnennachfrage führt, sowie angesichts der unverändert hohen Energie- und Rohstoffpreise und der Arbeitskosten ist die weitere wirtschaftliche Entwicklung ungewiss. Ein Aufschwung ist aktuell nicht absehbar. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren deutlich verschlechtert.“
Aber dann wird es politisch, wenn die Kammern die Ursachen für die Krisen vor allem bei Agieren der aktuellen Bundesregierung suchen: „Neben Energiekosten, die im internationalen Vergleich nicht mehr wettbewerbsfähig sind, haben erratische wirtschaftspolitische Entscheidungen und Kehrtwenden zu zunehmender Verunsicherung seitens der sächsischen Unternehmen geführt. Der Wirtschaft fehlen Planungssicherheit und stabile Rahmenbedingungen.“
Krisen mit langem Vorlauf
Aber wenn die Kammern dann die eigentlichen Fragen stellen, wird schnell klar, dass etliche der aktuellen Probleme einen langen Vorlauf haben und sehr viel mit einer verspäteten Transformation der Energielandschaft, mit einem zurechtgesparten Bildungssystem und einer falschen Steuer- und Finanzpolitik zu tun haben. Alles Phänomene, die ihre Folgen nun auch im Alltagsgeschäft der Wirtschaft zeigen.
Aktuell bestehen bezüglich zukünftiger Entwicklungen zahlreiche Unklarheiten, so die Landesarbeitsgemeinschaft der IHKs: „Wie wird sich die Transformation der Wirtschaft gestalten? Wie werden die Transformationsprozesse finanziert? Welche Unterstützungen sind zu erwarten? Wie entwickeln sich die Energiekosten? Wie die Steuern? Wird es auch in Zukunft noch ausreichend qualifizierte Fachkräfte geben, um den Bedarf der Unternehmen zu decken?
Diese und andere Fragen sind in besonderem Maße bei Investitionsentscheidungen relevant. Nur wenn Planungssicherheit herrscht, sind Unternehmen zu Investitionen in relevantem Umfang bereit, die die Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft erst möglich machen.“
Die sächsische Wirtschaft richtet daher folgende Forderungen an die politischen Entscheidungsträger:
1. Belastungsmoratorium bei Bürokratie verhängen!
2. Energie- und Verkehrswende an der wirtschaftlichen Realität ausrichten!
3. Investitionsanreize setzen!
4. Fachkräftesicherung forcieren!
5. MINT-Bildung priorisieren!
Die Entwicklung des Geschäftsklimaindex
Der IHK-Geschäftsklimaindex für Sachsen sinkt zum dritten Mal in Folge, teilen die IHKs mit. Er steht aktuell bei 94 Punkten und damit zwölf Punkte unter dem Wert vom Jahresbeginn 2023. Der Blick auf die Grafik zeigt, dass die Stimmung in der sächsische Wirtschaft seit Beginn der Corona-Pandemie 2020 eine Berg-und-Tal-Fahrt erlebt.
Im Herbst 2021 schien sie wieder zu den guten Werten vor der Pandemie aufzuschließen, doch dann begannen die großen Lieferkettenprobleme, die Autobauer genauso Ärger bereiteten wie Apotheken. Und als sei das noch nicht genug, begann im Februar 2022 bekanntermaßen auch noch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Lage dann durch rasant steigende Energiepreise noch weiter verschärfte.
Wie ist die aktuelle Geschäftslage?
Die abgefragte Geschäftslage der Unternehmen hat sich in den vergangenen Monaten leicht verschlechtert. Der Lagesaldo sinkt um zwei auf 15 Punkte. Angesichts sinkender Nachfrage und anhaltend hoher Kosten hat sich die Ertragslage in den Unternehmen erneut negativ entwickelt, schätzen die IHKs ein. Nur jedes fünfte Unternehmen konnte in diesem Jahr seine Ertragsentwicklung verbessern.
Im Baugewerbe (12 Prozent) und im Verkehrsgewerbe (15 Prozent) waren diese Einschätzungen am schlechtesten. Hier schlagen die hohe Energie- und Rohstoffkosten durch.
Die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate, so die IHKs, nehmen eine ähnliche Entwicklung. Der Saldo sinkt leicht auf nunmehr -23 Punkte. Während der Anteil der positiven Stimmen zum dritten Mal in Folge sinkt, steigt spiegelbildlich der Anteil der negativen Stimmen. Damit liegt der Saldo zwar 19 Punkte über dem Tiefpunkt vom Herbst 2022, sinkt aber ebenfalls zum dritten Mal in Folge. Bei unverändert schwierigen Rahmenbedingungen lasse dieses Ergebnis kein Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr erwarten.
Wo stecken die größten Risiken?
Die Investitionsbereitschaft in der sächsischen Wirtschaft bleibt auch nach dieser Umfrage nach wie vor schwach und hat sich gegenüber den vorherigen Umfragen kaum verändert. 15 Prozent der Unternehmen mit steigenden Investitionsausgaben stehen 30 Prozent mit sinkender Tendenz in diesem Bereich gegenüber.
Auch die Personalplanungen fallen zurückhaltend aus. Aufgrund der schwachen Konjunktur und des angespannten Arbeitsmarktes gehen erneut nur 15 Prozent von einem Mitarbeiterzuwachs in den kommenden Monaten aus. Ein Viertel rechnet mit einem Personalrückgang.
„Die Konjunkturrisiken sind nach wie vor erheblich“, schätzen die IHKs ein.
Im Risikoradar stehen weiterhin die Energiepreise mit 67 Prozent der Nennungen, vor den Arbeitskosten (64 Prozent), den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (58 Prozent) und der Inlandsnachfrage (54 Prozent) an vorderster Stelle.
Inflation und Konsumzurückhaltung
Dazu kommt, so die IHKs: „Die gewerbliche Nachfrage und der private Konsum erholen sich angesichts der noch immer hohen Inflationsrate langsamer als gedacht. Die sich perspektivisch weiter verschärfende Knappheit an Arbeits- und Fachkräften, das Zinsumfeld und weiterhin hohe Arbeits-, Rohstoff- und Energiekosten belasten die sächsischen Unternehmen nach wie vor.
Hinzu kommt eine schwächelnde Weltwirtschaft, die, insbesondere durch eine konjunkturelle Flaute in wichtigen Absatzmärkten wie dem Euroraum und China, die Exporte bremst.“
Der vollständige Konjunkturbericht der sächsischen IHKs zum Jahresbeginn 2024 kann hier
heruntergeladen werden.
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