Seit 2020 offenbart die Globalisierung all ihre Schattenseiten besonders deutlich. Erst war es die Corona-Pandemie, die zeigte, wie verletzlich internationale Lieferketten sind. Dann sorgte der russische Überfall auf die Ukraine im Frühjahr 2022 für Turbulenzen an den Energie- und Rohstoffmärkten, von denen auch die sächsischen Unternehmen nicht verschont wurden. Sodass die Stimmung der IHK-Unternehmen in Sachsen auch im Herbst 2023 noch immer im Keller ist.
Die sächsische Wirtschaft verharrt deutlich länger und tiefer in der Rezession als bislang angenommen, fassen die drei sächsischen IHKs die Ergebnisse der Herbstumfrage unter ihren Mitgliedsunternehmen zusammen. Sowohl die Geschäftslage als auch die Geschäftserwartungen der Unternehmen haben sich im Vergleich zum Frühjahr 2023 markant verschlechtert. In der Konsequenz sinkt auch der IHK-Geschäftsklimaindex nach zwischenzeitlicher Erholung von 111 auf 97 Punkte.
Ein nachhaltiger konjunktureller Aufschwung scheint aktuell in weiter Ferne. Die Ergebnisse der Herbst-Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, die im September 2023 durchgeführt wurde, basieren auf den Antworten von 1.627 Unternehmen mit nahezu 85.000 Beschäftigten aller Wirtschaftsbereiche.
Geschäftslage und -erwartungen werden wieder schlechter eingeschätzt
Die Geschäftslage der sächsischen Unternehmen hat sich in den vergangenen Monaten spürbar eingetrübt. Der Lagesaldo sinkt um zwölf auf 17 Punkte. Dies spiegelt sich insbesondere in der Ertragsentwicklung der Unternehmen wider. Aufgrund des anhaltenden Kostendrucks konnte nicht einmal jedes fünfte Unternehmen in diesem Jahr seine Gewinne steigern. Im Handel (13 Prozent der Unternehmen) und im Baugewerbe (7 Prozent der Unternehmen) haben die wenigsten Unternehmen von steigenden Gewinnen berichtet.
Die Geschäftserwartungen für die kommenden zwölf Monate sehen in allen Wirtschaftsbereichen nicht allzu optimistisch aus. Der Saldo für die Gesamtwirtschaft sinkt um 15 auf nunmehr 19 Punkte. Diese Entwicklung lasse – so die IHKs – kein Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr erwarten.
Geringe Investitionsbereitschaft und möglicher Personalabbau
Angesichts der ungünstigen Rahmenbedingungen bleibt die Investitionsbereitschaft in der sächsischen Wirtschaft nach wie vor schwach. 17 Prozent der Unternehmen mit steigenden stehen 28 Prozent mit sinkenden Investitionsausgaben gegenüber. Der Saldo bleibt mit -11 Punkten im negativen Bereich.
Auch die Personalplanungen geben Anlass zur Sorge.
Aufgrund der schwachen Konjunktur gehen nur noch 14 Prozent von einem Mitarbeiterzuwachs in den kommenden Monaten aus. 23 Prozent rechnen mit einem Personalrückgang. Damit dürften auch die Beschäftigtenzahlen der gewerblichen Wirtschaft in den kommenden Monaten abnehmen.
Die Risiken aus Sicht der Unternehmen
Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen treten immer deutlicher hervor. Die weiterhin erheblichen Konjunkturrisiken tragen nicht zur Entspannung der Situation bei. Immer mehr sächsische Unternehmen (aktuell 54 Prozent, nach 44 Prozent im Frühjahr 2023) sehen in den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen ein Geschäftsrisiko. Zudem kommen die gewerbliche Nachfrage und der private Konsum angesichts der noch immer hohen Inflationsrate nicht in Schwung.
Auch die schwächelnde Weltwirtschaft, die, insbesondere durch eine konjunkturelle Flaute in wichtigen Absatzmärkten wie dem Euroraum und China, die Exporte der sächsischen Wirtschaft bremst, bereitet den Unternehmen Sorge. Die meistgenannten Risikofaktoren der Unternehmen sind auch weiterhin die Energiepreise (65 Prozent) und die Arbeitskosten (62 Prozent).
Kirpal: Die sächsischen Unternehmen sind stark verunsichert
„Die sächsischen Unternehmen sind stark verunsichert und blicken mit Skepsis in die Zukunft“, kommentiert Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Leipzig und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Sächsischen Industrie- und Handelskammern, die neuen Zahlen. „Die Konjunkturdaten zeigen deutlich, welche Probleme und Schwierigkeiten in der gewerblichen Wirtschaft bestehen: Hohe Energie- und Arbeitskosten belasten Unternehmen nach wie vor. Das Investitionsklima trübt sich ein.
Auch wenn die Nachfrage nach Arbeitskräften aktuell etwas zurückgeht, bleibt der Fachkräftemangel über die Breite der Wirtschaft hinweg ein erheblicher Risikofaktor. Vor allem aber ist der starke Anstieg der Unternehmensnennungen bezüglich der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen besorgniserregend. Die Unternehmen fühlen sich aktuell von der Landespolitik alleingelassen und geben ihr deshalb schlechte Noten.
Wenn der politische Gestaltungsrahmen jetzt nicht konsequent an den Bedürfnissen der Unternehmen ausgerichtet wird, dürfte sich die Rezession in den kommenden Monaten noch weiter verschärfen. Hier gilt es, entschieden gegenzusteuern.“
Zu den einzelnen Branchen
In der Industrie hat sich die Geschäftslage gegenüber dem Frühjahr deutlich eingetrübt. Nur noch 33 Prozent der Betriebe beurteilen ihre Lage mit gut, 24 Prozent hingegen mit schlecht. Der Saldo von neun Punkten liegt damit 13 Punkte unter dem Vorjahresniveau. Nach wie vor bestehende Lieferengpässe sowie hohe Energie- und Rohstoffkosten belasten insbesondere die sächsischen Industriebetriebe. Hinzu kommt die zurückhaltende Nachfrage aus In- und Ausland.
Die Ertragslage hat sich dementsprechend weiter verschlechtert. Die Geschäftserwartungen fallen analog zur Geschäftslage ebenfalls kräftig. Der Prognosesaldo liegt mit -17 wieder deutlich unter der Nulllinie. Verglichen zum Frühjahr fallen die Umsatzerwartungen wesentlich, die Exporterwartungen hingegen moderat niedriger aus. Die nach wie vor zurückhaltenden Aussichten lassen insgesamt auf kein substanzielles Industriewachstum schließen.
Das Baugewerbe stagniert weiterhin auf einem schwachen Niveau. Der Lagesaldo verbessert sich zwar um zwei auf nunmehr 31 Punkte und liegt damit aber drei Punkte unter dem Vorjahresstand. Viele Unternehmen können sich nach wie vor auf ein hohes Auftragspolster stützen, aber die Entwicklung der Auftragseingänge zeigt deutlich nach unten (Saldo: -47 Punkte). Entsprechend skeptisch fallen die Geschäftserwartungen für die kommenden Monate aus.
Nur sechs Prozent rechnen mit besseren Geschäften, 47 Prozent jedoch mit Umsatzrückgängen und damit auch mit einer Verschlechterung ihrer Lage. Vor allem der Auftragseinbruch im Wohnungsbau, den die steigenden Baukosten und -zinsen in besonderem Maße treffen, belastet die Baukonjunktur. Mit -41 Punkten bleibt der Prognosesaldo im Bau der schlechteste unter allen Wirtschaftsbereichen.
Etwas besser ist der Konjunkturverlauf im Dienstleistungsgewerbe. Der Saldo aus guten und schlechten Lagebeurteilungen fällt zwar um 13 auf 34 Punkte, ist aber der beste Wert aller Wirtschaftsbereiche. Fast die Hälfte der Unternehmen (46 Prozent) melden eine gute Geschäftslage. Die meisten Dienstleister sind in geringerem Maße von den hohen Kosten bei Energie und Rohstoffen betroffen, als viele andere Branchen.
Die Geschäftsaussichten der Dienstleister sind im Vergleich zu den übrigen Wirtschaftszweigen zwar weniger pessimistisch, stehen aber auch unter negativen Vorzeichen.
Stark verschlechtert gegenüber dem Frühjahr zeigen sich die Lageeinschätzungen im Handel. Der entsprechende Saldo fällt massiv im Einzelhandel um 25 auf -10 Punkte und im Großhandel um 17 auf drei Punkte. Entsprechend dazu zeigt die Ertragsentwicklung nach unten. Angesichts des immensen Kostendrucks ist eine spürbare Entspannung der Preise im Handel, insbesondere bei Lebensmitteln, nicht in Sicht.
Die weiterhin hohe Inflation drückt weiterhin die Konsumlaune der Verbraucher, sodass die Geschäftserwartungen sowohl im Einzelhandel (Saldo: -35 Punkte) als auch im Großhandel (Saldo: -33 Punkte) sehr zurückhaltend ausfallen. Vornehmlich bei letzterem fällt der Saldo bei den Geschäftsaussichten um 30 Punkte schlechter aus als im Frühjahr.
Im Verkehrsgewerbe hat sich die Lage in den vergangenen Monaten leicht verschlechtert. Der Lagesaldo fällt um sechs auf nunmehr zwei Punkte. Speziell die Kraftstoffpreise haben zuletzt wieder stark angezogen und verharren auf einem sehr hohen Niveau. Konjunkturelle Impulse sind dagegen kaum zu erkennen. Entsprechend verhalten beurteilen die Verkehrsunternehmen ihre zukünftige Geschäftsentwicklung.
Mit -35 Punkten ist der Prognosesaldo im Vergleich zum Frühjahr (-22 Punkte) abgestürzt. Sowohl die Auftrags- als auch die Umsatzerwartungen werden sehr skeptisch bewertet. Hinzu kommt der wachsende Kostendruck mit Blick auf die bevorstehenden Mauterhöhungen.
Im Gastgewerbe/Tourismus hat sich die Geschäftslage dagegen verbessert. Mit 25 Punkten erreicht der Lagesaldo den höchsten Wert seit Beginn der Corona-Pandemie. Die Umsatzentwicklung verlief weiterhin positiv, jedoch schmälern die hohen Kosten die Erträge vieler Betriebe. Ebenso führt der Fachkräftemangel immer öfter zur Reduzierung der Serviceangebote bzw. der Öffnungszeiten.
Ihre Geschäftsaussichten bewerten die Tourismusbetriebe zwar günstiger als vor einem Jahr, jedoch vor allem saisonbedingt wieder deutlich schlechter als im Frühjahr. Die angespannte Personalsituation und Kostenrisiken (Auslaufen des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen zum Jahresende) hemmen weiter die Wachstumsperspektiven der Branche.
Den Konjunkturreport der Sächsischen Industrie- und Handelskammern findet man hier.
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