Die Zeit der fossilen Brennstoffe geht zu Ende. Doch nicht alle Brennstoffe kรถnnen durch Strom aus alternativen Erzeugeranlage ersetzt werden. Gerade energieintensive Unternehmen brauchen einen neuen Brennstoff โ€“ und das ist nun einmal Grรผner Wasserstoff. Doch woher nehmen, wenn Deutschland beim Ausbau von Wind- und Solaranlagen einfach nicht aus dem Knick kommt? Das Deutsche Institut fรผr Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Strategie der Bundesregierung einmal unter die Lupe genommen.

โ€žDie neue Wasserstoffstrategie der Bundesregierung setzt auf einen beschleunigten Hochlauf der heimischen Produktion und der Importe von grรผnem Wasserstoff, lรคsst aber noch viele Fragen offen. Unklar ist etwa, woher die Importe stammen sollen und wie hoch der Anteil an nicht grรผnem, also treibhausgaswirksamen Wasserstoff im Jahr 2030 noch istโ€œ, ergibt eine Analyse von Wissenschaftler/-innen der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt im Deutschen Institut fรผr Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).

โ€žDie Strategie ist ein Fortschritt gegenรผber der Vorlรคuferversion aus dem Jahr 2020, da Anwendungsbereiche und diverse MaรŸnahmen konkretisiert werdenโ€œ, sagt Studienautor Wolf-Peter Schill. โ€žAngesichts der bisher noch sehr geringen Mengen an produziertem grรผnem Wasserstoff sollte sie nun mit Hochdruck und sehr fokussiert umgesetzt werden.โ€œ

Klarer Fokus auf nicht elektrifizierbare Anwendungen

Wasserstoff sollte nur fรผr Anwendungen eingesetzt werden, in denen eine direkte Elektrifizierung kaum mรถglich ist โ€“ zum Beispiel bei der Stahlherstellung oder im Flug- und Schiffsverkehr. Im StraรŸenverkehr und im Wรคrmebereich sei der Einsatz von Wasserstoff meist nicht sinnvoll, so die Studienautoren.

โ€žDies ist auch der Wasserstoffstrategie zu entnehmenโ€œ, erklรคrt Studienautor Martin Kittel. โ€žDas wird in der รถffentlichen Debatte manchmal anders wiedergegeben, wenn etwa die Nutzung von Wasserstoff fรผr den Pkw-Individualverkehr diskutiert wird.โ€œ

Aber es geht nicht nur um Import von Grรผnem Wasserstoff. Auch in Deutschland muss er in mรถglichst groรŸen Mengen produziert werden.

Die Wasserstoffstrategie 2023 erhรถht das Ziel fรผr die heimische Elektrolysekapazitรคt zur Erzeugung von grรผnem Wasserstoff im Jahr 2030 von fรผnf auf mindestens zehn Gigawatt. Der restliche Bedarf soll weitgehend durch Importe sowie einem verbleibenden Anteil nicht grรผnen Wasserstoffs gedeckt werden.

Doch bei der Entwicklung des Gesamtverbrauchs und der verfรผgbaren Importmengen im Jahr 2030 herrscht Unsicherheit, stellen die Studienautoren fest. Und dabei nehmen Importe von grรผnem Wasserstoff eine zentrale Rolle in der Strategie der Bundesregierung ein.

โ€žDie Bundesregierung muss Tempo machen, um nicht hinter ihre Ziele zurรผckzufallenโ€œ, bilanziert Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Verkehr, Energie, Umwelt. โ€žDer Hochlauf von grรผnem Wasserstoff ist essenziell, um Klimaneutralitรคt im Jahr 2045 zu erreichen. Dafรผr brauchen wir allerdings groรŸe Mengen an grรผnem Strom โ€“ hier sollte รผber einen beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien nachjustiert werden.โ€œ

Grรผner Wasserstoff nur mit 25 Prozent mehr Photovoltaik und Kavernenspeichern

Die Nationale Wasserstoffstrategie strebt bis 2030 eine Elektrolyseleistung von zehn Gigawatt zur heimischen Produktion von Wasserstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien an. Davon ist aber derzeit nur rund ein Prozent installiert.

Die Produktion von grรผnem Wasserstoff kann einerseits helfen, schwankende erneuerbare Energien in den Markt zu integrieren, wenn die Elektrolyse in Stunden mit mรถglichst gรผnstiger Stromerzeugung geschieht und der Wasserstoff anschlieรŸend gespeichert werden kann. Andererseits fรผhrt die grรผne Wasserstoffproduktion zu einem erhรถhten Strombedarf, sodass erneuerbare Energien noch stรคrker ausgebaut werden mรผssen.

โ€žVor allem der Ausbau der Photovoltaik ist wichtig, da wir davon ausgehen, dass der Ausbau der Windkraft bis 2030 weiterhin durch lange Planungs- und Genehmigungsdauern begrenzt istโ€œ, sagt Dana Kirchem, Autorin einer weiteren Studie zur Wasserstoffspeicherung in Deutschland.

Zwischen 48 und 53 Gigawatt Photovoltaik-Leistung mรผssen laut Studie zugebaut werden, das sind rund 25 Prozent mehr als in einem Vergleichsszenario ohne heimische Wasserstoffproduktion.

Nicht nur die Stromerzeugung, auch die Speicherung des Wasserstoffs sollte ausgebaut werden. Die geringsten Gesamtkosten entstehen, wenn der grรผne Wasserstoff in groรŸen und gรผnstigen Kavernen gespeichert wird, รคhnlich wie heutzutage Erdgas.

Gรผnstig sind die Kavernen vor allem, wenn die Elektrolyse und der Verbrauch des Wasserstoffs nah am Kavernenspeicher liegen oder ein leistungsfรคhiges Wasserstoffnetz vorhanden ist. Mรผssen hingegen Tanklaster den zentral gespeicherten Wasserstoff zu den Verbrauchern transportieren, kann eine verbrauchsnahe Produktion mit kleineren und teureren Tankspeichern gรผnstiger sein.

โ€žDie Ergebnisse der Modellierung legen nahe, dass Politik und Infrastrukturplanung auf mรถglichst flexible Wasserstoffproduktion unter Nutzung groรŸer Speicher hinwirken solltenโ€œ, sagt Kirchem. โ€žAllerdings kรถnnen sich die Strompreise fรผr weniger flexible Verbraucher leicht erhรถhen.โ€œ

Insgesamt sollte die Politik den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter vorantreiben und den Aufbau eines flexiblen Wasserstoffsektors unterstรผtzen.

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