Während führende Politiker in Sachsen immer noch darüber reden, die Kohleverstromung bis zu den im „Kohlekompromiss“ vereinbarten Endterminen 2035 (Mitteldeutschland) und 2038 (Lausitz) weiterlaufen zu lassen, arbeiten die beiden in Sachsen agierenden Kohlekonzerne LEAG und Mibrag längst an den Strukturen einer alternativen Energiegewinnung. Immerhin haben sie die Flächen, auf denen Wind- und Solaranlagen entstehen können. Die LEAG hat jetzt ein Projekt bei Böhlen in Betrieb genommen.
Bei Böhlen wurde auf dem Gelände einer ehemaligen und teilrekultivierten industriellen Absetzanlage nahe dem Kohlekraftwerk Lippendorf ein weiteres Fotovoltaik-Projekt der LEAG fertiggestellt. Den 17 Megawatt-Solarpark hat die LEAG gemeinsam mit ihrem strategischen Partner EP New Energies GmbH (EPNE) entwickelt und umgesetzt.
Thorsten Kramer, LEAG-Vorstandsvorsitzender, erklärte am Mittwoch, dem 20. September zur Inbetriebnahme der neuen Anlage: „Wir freuen uns, dass das Areal der ehemaligen IAA Böhlen eine besonders nachhaltige Nutzung erfährt. Mit der Inbetriebnahme tragen wir zur Erweiterung des Grünstromangebots in Mitteldeutschland bei. Das ist die Grundlage für eine forcierte Entwicklung der Region im Bereich der grünen Wasserstoffwirtschaft. Der weitere Ausbau der Grünstromerzeugung sowie von Wasserstoff- und Speichertechnologien ist eine wichtige Voraussetzung für den Erhalt von Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen, für Wirtschaftswachstum und die Ansiedlung neuer Industriearbeitsplätze.“
Eine entscheidende Bedingung für eine erfolgreiche Transformation sei, dass große Kraftwerks- und Industriestandorte in der Lausitz und in Mitteldeutschland an das Wasserstoffkernnetz angebunden werden und dass sich die Genehmigungsverfahren für Erneuerbare-Energien-Anlagen deutlich vereinfachen und beschleunigen, betonte Kramer.
Solar ersetzt Kohle
An ihren Kraftwerksstandorten – darunter das Kraftwerk Lippendorf im Süden von Leipzig – plant die LEAG den Neubau flexibler H2-ready-Gaskraftwerke oder reiner Wasserstoffkraftwerke. Die Gesamtkapazität dieser Kraftwerke soll bis 2040 bis zu 4,5 GW betragen.
„Zusammen mit bis zu 14 GW Grünstromerzeugung, die wir bis 2040 verfügbar machen wollen, kann damit die Stromerzeugungskapazität der heutigen Braunkohlekraftwerke in der Lausitz und in Mitteldeutschland ersetzt werden“, so Kramer.
Für den PV-Park Böhlen wurden 30.000 Module installiert, rein rechnerisch wird er rund 6.000 Haushalte mit Grünstrom versorgen. Bei der 14 Hektar großen Fläche, auf der die PV-Anlage errichtet wurde, handelt es sich um das Gelände einer ehemaligen industriellen Absetzanlage für Kraftwerksasche, die direkt auf dem Areal eines ehemaligen Tagebaus liegt. Die Nachnutzung ehemals industriell genutzter Flächen, wie Bergbaufolgeland oder Altkraftwerksstandorte, sind ein essenzieller Bestandteil der LEAG-GigawattFactory, da sie einen konfliktarmen und gleichzeitig nachhaltigen Ausbau von Erneuerbaren Energien ermöglichen.
Dominique Guillou, Geschäftsführer des Projektentwicklungsunternehmens EP New Energies GmbH, unterstrich die Fertigstellung als Baustein der Transformation der Tagebauregionen zu klimaneutralen Energielandschaften: „Mit dem PV-Park Böhlen und unseren anderen Multimegawatt-Solar- und Windprojekten in fortgeschrittener Entwicklung, bringen wir die notwendige Power für die GigawattFactory. Insgesamt haben wir von den Projektpotenzialen der LEAG bereits über ein Gigawatt in Genehmigungsverfahren gebracht.“
Darüber hinaus betonte Guillou die umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen, die in Böhlen umgesetzt wurden: „Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf dem Artenschutz. So wurden bestimmte Bereiche von den Bauarbeiten ausgenommen, um die heimische Zauneidechse zu schützen. Gleichzeitig entstanden Blühstreifen, naturbelassene Unterschlupf-Möglichkeiten aus Feldsteinen und Totholz sowie zahlreiche Brutkästen als ökologische Habitate zur Steigerung der Artenvielfalt.“
Eine Stadtratsanfrage in Leipzig
Vor diesem Hintergrund wird eine Anfrage der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat spannend. Denn wenn jetzt das neue Gaskraftwerk der Stadtwerke Leipzig an der Bornaischen Straße, dessen Turbinen auch mit Wasserstoff betrieben werden können, in Betrieb geht, rückt auch der Tag näher, an dem Leipzig keine Fernwärme mehr aus dem Kraftwerk Lippendorf bezieht. Spätestens 2025 sollen diese Lieferungen enden, auch wenn die LVZ zwischenzeitlich mal etwas anderes meldete.
Aber die Fernwärmeleitung liegt ja noch. Und die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat bewegte die Frage: „Gibt oder gab es mit der LEAG Gespräche über die Möglichkeit der Bereitstellung von Wärme über die Fernwärmeleitung nach Lippendorf aus alternativen Quellen, wie die Abwärme der planten Elektrolyseure oder der Dow?“
Und erstaunlicherweise gab es kein klares „Nein“ aus dem Oberbürgermeisterbüro, sondern eine Antwort, die alles offen ließ: „Die Leipziger Stadtwerke verstehen sich als zuverlässiger Versorger für die Stadt Leipzig. Nachhaltige Versorgungssicherheit und eine zukünftige CO₂-freie Wärmeversorgung stehen bei bevorstehenden unternehmerischen Überlegungen im Vordergrund. Ebenso spielen die Themen: Nachhaltigkeit, Verlässlichkeit und Wirtschaftlichkeit eine wichtige Rolle. Die Leipziger Stadtwerke stehen daher mit verschiedenen Akteuren im Austausch unter anderem mit den oben Genannten.“
Der Stadtratsbeschluss, die Lieferverträge aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf spätestens 2025 zu beenden, beziehen sich eben direkt auf diese Fernwärmelieferungen aus der Kohleverbrennung. Wenn die LEAG aber Wärme aus Wasserstoffkraftwerken anbieten kann, würde das im Rahmen der Leipziger Energiewende wieder Sinn ergeben.
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