Es ist schon ein verzwicktes Ding mit dem Tourismus. Zahlreiche Städte sind stolz darauf, wenn viele Touristen kommen und die Stadt bestaunen. Aber man bekommt den Tourismus einfach nicht ohne Nebeneffekte. Dass er in Leipzig noch längst nicht als problematisch angesehen wird, hielt das Amt für Wirtschaftsförderung jetzt trotzdem nicht davon ab, einmal mehr die Akzeptanz des Tourismus in Leipzig und der Leipziger Region abfragen zu lassen. Denn es kann ja auch zu wenig Tourismus geben.
Zum Beispiel, wenn man es durch die Brille der Tourismus.-Akteure in der Region betrachtet, für die als Prämisse schon immer galt: Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt Leipzig und die Region um sie herum.
Obwohl Tourismus als eigener Wirtschaftszweig gar nicht existiert. In der Regel wird er statistisch als Teil des Gastgewerbes betrachtet, weil die Hauptumsätze nun einmal in Hotels, Gasthöfen und Herbergen und natürlich in Restaurants und Cafés erzielt werden. Dass diese Einrichtungen dann natürlich davon profitieren, wenn viele Touristen kommen, ist nur folgerichtig.
Immerhin konnte Leipzig 2022 wieder 3,37 Millionen Übernachtungen zählen und damit an die Wachstumsjahre vor der Corona-Pandemie anknüpfen.
Wie wird der Tourismus aber von den Einheimischen angenommen und akzeptiert?
Das städtische Amt für Wirtschaftsförderung hat das Deutsche Institut für Tourismusforschung mit einer 90-seitigen Studie beauftragt, die den sogenannten TourismusAkzeptanzSaldo (TAS) für die LEIPZIG REGION, also das Stadtgebiet, die Landkreise sowie einen Teil Mittelsachsens, ausführlich untersucht. Ausgewertet wurde die Tourismus-Wahrnehmung bei den Menschen sowohl am jeweiligen Wohnort als auch für sie persönlich.
Hohe Akzeptanz für den Tourismus
Die Ergebnisse im Untersuchungsgebiet stimmen durchweg optimistisch, schätzt das Amt für Wirtschaftsförderung ein. Leipzigs Bevölkerung steht ihren touristischen Gästen äußerst aufgeschlossen gegenüber. Dreiviertel (74 Prozent) bewerten die Auswirkungen des Tourismus auf den eigenen Wohnort überwiegend positiv, während lediglich fünf Prozent angeben, dass der Tourismus sich negativ auf den eigenen Wohnort auswirkt. Damit ergibt sich ein deutlich positiver Tourismusakzeptanzsaldo Wohnort (TAS-W) von +70.
Der TourismusAkzeptanzSaldo (TAS) ergibt sich aus der Differenz zwischen Personen, welche die Auswirkung des Tourismus als positiv bewerten und Personen, welche die Auswirkungen als negativ einstufen. Auch die Anzahl der Touristen in der Stadt wird von den meisten Leipzigerinnen und Leipzigern positiv bewertet. 71 Prozent der Einheimischen finden, dass „die richtige Menge“ zu Gast ist. 13 Prozent stufen diese Anzahl als „zu wenige“ ein, nur neun Prozent meinen, dass es „zu viele“ Touristen in Leipzig gibt.
„Die Menschen verstehen genau, wie wichtig Tourismus ist. Nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch die eigene Freizeit“, sagt dazu Clemens Schülke, Bürgermeister und Beigeordneter für Wirtschaft, Arbeit und Digitales. „Die Leipzigerinnen und Leipziger schätzen und nutzen das große Angebot an Gastronomie, Kulturveranstaltungen und anderer Freizeitmöglichkeiten. Diese touristische Infrastruktur auszubauen haben wir uns vorgenommen im Touristischen Entwicklungsplan 2025.“
Auch als Wirtschaftsmotor ist der Tourismus unumstritten, meint das Amt für Wirtschaftsförderung. 92 Prozent der Leipziger Bürgerschaft nehmen ihn als wichtigen Wirtschaftsfaktor und als Imagetreiber (87 Prozent) wahr. Zudem schätzen 76 Prozent der Befragten ein, dass der Tourismus attraktive Arbeitsplätze schafft und dafür sorgt, dass es ein großes Angebot an Restaurants und Cafés (78 Prozent) gibt. Mehr als Dreiviertel der Befragten geben an, die freizeittouristische Infrastruktur selbst zu nutzen.
Ein deutlich anderes Bild für die Region
In der Region um Leipzig zeichnet sich ein etwas anderes Bild ab. Nahezu die Hälfte aller Befragten ist der Meinung, dass es „zu wenige“ Touristen am eigenen Wohnort gibt (48 Prozent). Drei Prozent der Befragten gaben an, dass es „zu viele“ sind. 62 Prozent der Befragten sind von positiven touristischen Auswirkungen überzeugt, nehmen Tourismus allerdings weitgehend saisonal wahr. Außerhalb der Saison sehen fast 53 Prozent der Befragten weder positive noch negative Auswirkungen auf ihren Wohnort oder sie persönlich. Die freizeittouristische Infrastruktur wird von mehr als der Hälfte der Befragten genutzt.
„Fast 53 Prozent der Befragten in der Region Leipzig sehen weder positive noch negative Auswirkungen auf ihren Wohnort oder auf sie persönlich. Diese gilt es genau im Blick zu halten“, findet Sandra Brandt, Geschäftsführerin Tourismusverband LEIPZIG REGION.
„Wir werden dies zum Anlass nehmen, um den Nutzen der touristischen Einrichtungen für die Naherholung der Einheimischen besser zu kommunizieren und vor allem auch identitätsstiftende Kultur- und Freizeitangebote in den Focus der Entwicklung stellen. Denn was für Einheimische authentisch, selbst gut nutzbar und sichtbar ist, steigert die Tourismusakzeptanz.“
Eher ein Saisongeschäft
Was die simple Behauptung von der wirtschaftlichen Bedeutung des Tourismus gerade im Leipziger Umland einschränkt, denn dort wird Tourismus deutlich stärker als saisonales Phänomen wahrgenommen. Die Tatsache, dass im Winterhalbjahr die Touristen eher wegbleiben, wirkt sich dann auch noch zusätzlich negativ auf die Einschätzung des Tourismus aus. Und das kann man nicht einfach ausgleichen, indem man immer mehr touristische Angebote im Neuseenland schafft, die dann aus simplen jahreszeitlichen Gründen ein halbes Jahr lang gar nicht genutzt werden – und damit auch keine konstanten Beschäftigungsmöglichkeiten und Einnahmequellen liefern.
Und noch etwas fällt in Auswertung der Studie auf: Junge Leute zwischen 16 und 34 Jahren sehen auf einige Effekte des Tourismus deutlich kritischer, zum Beispiel die dadurch bewirkte Belastung der Natur. Übrigens ein Topos, der auch in den anderen Altersgruppen durchaus als Faktor Erwähnung findet.
Was eben nicht heißt, dass Tourismus selbst als negativ gesehen wird. Im Gegenteil: Seit der letzten Erhebung 2020/2021 sind die Zustimmungswerte in Leipzig sogar gestiegen. Aber dass einige Akteure weiterhin neue Eingriffe in die Natur und den Bau immer neuer Attraktionen für nötig halten, wird durch alle Altersgruppen zunehmend kritisch gesehen. Und am kritischsten nun einmal bei den jungen Leuten.
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