Der Windkraftausbau in Deutschland kommt langsam wieder in Gang. Der Bundesverband WindEnergie fand am Dienstag, dem 18. Juli, sogar lobende Worte für die Bundesregierung: „Die Verbände bewerten die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung sowie die aktuelle Dynamik beim Zubau und bei den Genehmigungen positiv.“ Aber sie betonen zugleich ausdrücklich, „dass auch die deutlich steigenden Genehmigungszahlen bei Weitem noch nicht ausreichen, um den Ausbaupfad von jährlich 10 GW ab 2025 zu stemmen.“
Die größten Fortschritte erzielen freilich aktuell die norddeutschen Bundesländer, während in Sachsen und Thüringen der Ausbau stockt. Sachsen würde in einer Hitliste der Bundesländer sogar die rote Laterne bekommen, weil statt eines Zubaus der Rückbau von drei Anlagen zu verzeichnen war.
Was den Ausbau hemmt, hat Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems, sehr klar benannt: „Langwierige Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie der Mangel an verfügbaren Flächen stellen weiter die größten Zubauhürden dar. Die Verfahrenslaufzeiten sind laut Fachagentur Wind an Land nach einem kurzen Rückgang im Jahr 2021 zuletzt sogar auf einen neuen Höchstwert angestiegen und liegen nun bei 24,5 Monaten. Beschlüsse und Ziele sind vorhanden. Bis die Bundesländer diese Regelungen schlussendlich umsetzen, darf nicht weiter wertvolle Zeit verstreichen. Mit dem derzeitigen Tempo werden die Ziele verfehlt.“
Regelverschärfung 2022
Auch in Sachsen ist das so, 2022 dann noch einmal zusätzlich verschärft, als mit dem vierten Gesetz zur Änderung der Sächsischen Bauordnung (SächsBO) vom 1. Juni 2022 (SächsGVBI. S. 366) auch noch eine Abstandsregelung von Windenergieanlagen zu Wohngebäuden eingeführt wurde.
„Gemäß dieser Regelung müssen Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB, die der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie dienen, einen Mindestabstand von 1.000 m zu bestimmten Wohngebäuden einhalten (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SächsBO). Nach § 84 Abs. 3 SächsBO findet der Absatz 2 jedoch keine Anwendung auf Vorhaben, für welche der Antrag auf Genehmigung bis zum 30. September 2022 vollständig bei der zuständigen Behörde eingegangen ist“, stellt das Umweltministerium in der Antwort auf eine Landtagsanfrage fest.
Was insofern spannend ist, als bis zu diesem Stichtag schon ein Berg von Anträgen auf dem Tisch der sächsischen Genehmigungsbehörden gelandet war. Das SMEKUl in seiner Antwort: „Im Zeitraum vom 1. Januar 2022 bis einschließlich 30. September 2022 wurden 46 Anträge auf Genehmigung einer Windenergieanlage gestellt. Keiner dieser Anträge wurde bisher abgelehnt.“
Unter diesen Anträgen befinden sich allein 15 Anlagen im Landkreis Leipzig – bei Groitzsch und bei Neukieritzsch. Das sind die von der Mibrag geplanten Anlagen auf der Rekultivierungsfläche des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain.
Die Mibrag selbst meldete dazu: „MIBRAG hat am 28. Februar 2022 gemäß Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) den Genehmigungsantrag zur Errichtung des Windparks Breunsdorf bei der unteren Immissionsschutzbehörde des Landkreises Leipzig eingereicht. Der Windpark soll mit einer Kapazität von 90 Megawatt Strom liefern. Die jährliche Einspeisemenge liegt bei etwa 205 Gigawattstunden. Damit lassen sich rechnerisch rund 90.000 Haushalte mit Strom versorgen. Alternativ könnten aus der Strommenge per Elektrolyse bis zu 4.100 Tonnen Wasserstoff hergestellt werden.“
Neues Gesetz, neuer Ärger
Die Änderung im Baugesetz 2022 hat die Zahl der Anträge erst einmal zurückgehen lassen. Aber die Investoren für diese Anlagen geben noch nicht klein bei.
„Im Zeitraum vom 1. Oktober 2022 bis einschließlich 30. April 2023 wurden 18 Anträge auf Genehmigung einer Windenergieanlage gestellt“, teilt das SMEKUL mit. „Keiner dieser Anträge wurde bisher abgelehnt.“
Das klingt zwar beruhigend, zeigt aber ebenfalls, wie langwierig und zäh die bürokratischen Genehmigungsprozesse sind. Mit der neu eingeführten 1.000-Meter-Abstandsregel wird das Genehmigungsverfahren noch komplizierter. Und das betrifft eben auch etliche der neu beantragten Anlagen: „13 Anträge auf Genehmigung von Windenergieanlagen in Sachsen fallen unter die Regelung des § 84 Abs. 3 SächsBO in Verbindung mit § 84 Abs. 2 Satz 1 SächsBO. Bei weiteren 10 Anträgen steht eine Entscheidung über die Anwendung dieser Regelung aus. Keiner dieser Anträge wurde bisher abgelehnt.“
Teilweise gibt es – wie in Görbersdorf bei Oederan – massive Proteste durch Initiativen, die den Bau von großen Windparks verhindern wollen. In Görbersdorf geht es immerhin um zehn bis zu 250 Meter hohe Windkraftanlagen.
Drei Anlagen für Rehbach
Auch auf Leipziger Flur sind drei neue Windkraftanlagen geplant, alle drei bei Rehbach. Hier sollte die 1.000-Meter-Abstandsregel keine Rolle spielen, da diese Anträge schon vor dem 30. September 2022 gestellt wurden.
Die zähe Genehmigungspraxis macht aber gerade den Anlagenbauern jede wirtschaftliche Planung schwer.
„Hersteller und Zulieferer benötigen eine marktliche Wirtschaftlichkeitsperspektive durch Projekte sowie durch den Abbau von Hemmnissen, um ihre Kapazitäten auszulasten und perspektivisch einen Hochlauf zu stemmen – ohne diese können notwendige Investitionen in Forschung, Standorte und Personal nicht stattfinden“, sagt Dr. Dennis Rendschmidt.
„Für die Stärkung der europäischen Lieferkette braucht es verbesserte Rahmenbedingungen und eine politische Flankierung des strategischen Wertes eines starken Anlagenbaus in Europa. Die bisherigen Ansätze zum Green Deal Industrial Plan reichen hierfür nicht aus.“
Die zähen und meist unberechenbaren Genehmigungsverfahren machen genau das fast unmöglich.
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