Seit der Entdeckung der Nutzbarkeit des Feuers durch den Menschen hat dieser zuerst den in Pflanzen, später den in fossilen Energieträgern wie Kohle und Erdöl gebundenen Kohlenstoff verbrannt und somit CO₂ freigesetzt. Mit Beginn der industriellen Revolution und der damit verbundenen Besiedelung weiter Landstriche wurden die Wälder, die bis dahin für den Ausgleich in der Atmosphäre sorgten, großflächig abgeholzt und der durch den Menschen verursachte CO₂-Ausstoß wuchs bis heute ständig an.
CO₂ ist eines der Treibhausgase, die für den Klimawandel und die damit verbundenen Wetterextreme verantwortlich sind.
Um die Klimaziele des Pariser Abkommens, die Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2° Celsius zu erreichen, müssen Treibhausgas-Emissionen radikal reduziert werden.
Das allein genügt nicht, es muss auch der vorhandene Anteil der Treibhausgase in der Atmosphäre verringert werden. Allein durch Aufforstung von Wäldern, die das CO₂ auf natürlichem Weg binden, ist das nicht zu erreichen. Es bedarf zusätzlicher, technischer Lösungen.
Carbon-to-Value Challenge
Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) hat dazu eine Challenge gestartet und die fünf Teams für den Endausscheid trafen sich am 2. und 3. März 2023 in Leipzig. Die LZ durfte bei diesem Treffen als Zaungast dabei sein und auch mit Jano Costard, dem Challenge Officer der SPRIND, sprechen.
Die erste, noch schriftlich gestellte Frage an Jano Costard war:
LZ: Das Thema Carbon Dioxide Removal (CDR) ist ja momentan in aller Munde. Es ist aber auch umstritten, weil Klimaschützer befürchten, dass damit das Thema CO₂-Vermeidung umgangen werden soll.
J.C.: Das IPCC ist da recht klar, ohne CDR werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Es ist aber genauso klar, dass CDR kein Ersatz sein kann für die Reduktion und Vermeidung von Emissionen; CDR muss zusätzlich erfolgen.
Das Ziel der Challenge ist es, die Innovationen der Teams in wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen zu überführen. Nähere Angaben zu den Teams und den Innovationen finden Sie hier.
Fragen und Antworten
LZ: Es gibt ja zwei Methoden, mit dem aus der Atmosphäre entnommenen CO₂ umzugehen. Die eine besteht aus Abscheidung des CO₂ aus der Luft und der Speicherung z. B. unterirdisch, die zweite darin, dass aus dem CO₂ wieder Kohlenstoff gewonnen wird und dieser in Produkte eingeht. Womit beschäftigen sich die Teilnehmer?
J.C.: Keiner der Teilnehmer beschäftigt sich z. B. mit der Mineralisierung in Basaltgestein. Es geht hier um Produkte, die auch einen Markt haben, zwei Teams arbeiten daran, das CO₂ in Beton zu integrieren, was eine ähnliche Methode der dauerhaften Bindung wie die Mineralisierung in Gestein ist.
LZ: Geld verdienen mit CDR, es war die Rede von CDR-Credits. Ist das vergleichbar mit dem Emissionshandel, also ein Unternehmen welches CO2 ausstößt, kauft diese CDR-Credits von dem Unternehmen, welches CO₂ verarbeitet?
J.C.: Das ist eine der Ideen, es geht aber auch der Handel mit aus dem CDR-Prozess hervorgegangenen Produkten. Beides ist in der Challenge möglich. Eine Herausforderung ist, dass der Handel mit CDR-Credits bisher auf freiwilliger Basis stattfindet, es wird also problematisch, wenn Unternehmen aufhören freiwillig CDR-Credits nachzufragen und damit auch zu finanzieren. Deshalb ist ein Ziel der Challenge die Herstellung von handelbaren Produkten. Ein Beispiel wäre, dass der im CDR-Prozess erzeugte Beton nicht teurer ist als konventionell hergestellter. Dann ist die CO₂-Reduzierung automatisch dabei.
LZ: Ist ein regulatorisches Eingreifen des Staates beim Handel mit CDR-Credits, wie beim Emissionshandel, wünschenswert?
J.C.: Wir sind uns hier einig, dass es genau das braucht. Ohne die öffentliche Nachfrage, ohne eine Einbindung in den Emissionshandel und ohne den CO₂-Preis, wird die Nachfrage nach diesen CO₂-Credits nicht groß genug werden. Der Grund, aus dem wir handelbare Produkte wünschen ist nicht, dass wir CDR-Credits für einen falschen Weg halten. Wir denken, dass diese Regulierung vielleicht nicht ausreicht. Besonders weil sie vielleicht in Europa und Nordamerika eingeführt wird, in vielen Schwellenländern verständlicherweise aber nicht. Immerhin geht der überwiegende Teil des überschüssigen CO₂ in der Atmosphäre auf die Industrieländer zurück. Für diese Länder sind die Produkte vielleicht der bevorzugte Weg zur CO₂-Reduzierung.
LZ: Ich möchte Sie nicht als Orakel missbrauchen, Herr Costard, aber in welchen Zeiträumen müssen wir hier denken, bis diese Projekte tatsächliche Effekte zeigen?
J.C.: Da muss man eher über 2030 und später reden. Nehmen wir als Beispiel die Anlage, die Climeworks auf Island betreibt. Orca läuft tatsächlich und schafft theoretisch maximal 4.000 Tonnen CO₂. Zum Vergleich, man spricht für das Jahr 2050 von 10 Gigatonnen, die pro Jahr entnommen werden müssen. Umso wichtiger ist es jetzt, mit den ersten industriellen Großanlagen zu beginnen, auch wenn diese erst nach 2030 einen substantiellen Beitrag leisten können.
LZ: Wenn wir über diese Anlagen reden, dann reden wir ja auch immer über die dort benötigte Energie. Wenn das Klimaziel erreicht werden soll, dann kann es sich ja nur um erneuerbare Energien handeln.
J.C.: Auf jeden Fall.
LZ: Es wird also nicht so schnell gehen, aber wenn ich es richtig verstanden habe, reden wir hier über die Entstehung einer neuen Industrie.
J.C.: Wir haben keine Alternative dazu, weil allein die Emissionen reduzieren reicht nicht. Aber auch ohne Reduzierung der Emissionen schaffen wir das nicht.
LZ: Vielen Dank und viel Erfolg.
YIMBY vs. NIMBY
Marian Krüger von SPRIND wies in seinem Vortrag „Dos and Don’ts for early Stage Carbon Removal Startups“ auch auf die Standortfrage der neuen Unternehmen hin.
Reflexartig, wir haben das bei Atomkraftwerken gesehen und sehen das heute bei Windkraftanlagen, kommt beim deutschen Bürger immer dieses „Nicht in meinem Hinterhof!“ (NIMBY – not in my backyard) hoch.
Marian wies darauf hin, dass wir jetzt über YIMBY (yes in my backyard) reden müssen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass nun überall diese Anlagen entstehen, es ist ja von vielen Faktoren abhängig – auch von der Verfügbarkeit der erneuerbaren Energien. Wir dürfen dem aber nicht von vornherein ablehnend gegenüber stehen.
Wo diese Anlagen am Ende entstehen, werden wir sehen. Jano Costard meint dazu: „Für mich ist das aber kein „Yes in my backyard“ im engeren Sinne. D. h. die Unternehmen bauen die CDR-Anlagen nicht wirklich neben ihrem Firmengelände auf, sondern ‚nur‘ global gesehen in einer ähnlichen Region.“
Fazit: CDR ist kein Ersatz für die Vermeidung von CO₂-Emissionen, sondern ihre notwendige Ergänzung, damit wir die Klimaziele erreichen können.
Unternehmen können und müssen, nach anfänglich hohen Investitionen, Geld mit CDR verdienen. Wenn nicht, dann machen sie es nicht.
Es wird, voraussichtlich in den 2030er Jahren, eine neue Industrie entstehen. Es werden Produkte aus dem CDR-Prozess vermarktet werden und voraussichtlich einen regulierten Handel mit CDR-Credits geben.
Wir werden beobachten, wie diese Challenge weiter geht.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
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