Seit ein paar Jahren versucht die Metropolregion Mitteldeutschland mit Umfragen herauszubekommen, wie die Bewohner der Region zur Energiewende stehen. Ein schwieriges Unterfangen. Nicht nur, weil Vorgänge wie der Ukraine-Krieg, Inflation und Energiekrise die Sicht der Menschen massiv beeinflussen. So gesehen ist es schon eine kleine Überraschung, wenn die meisten Befragten des 3. „Mitteldeutschland-Monitors“ den Zielen der Energiewende weiter positiv gegenüber stehen.
Obwohl sich einige Politiker und etliche Medien eifrig bemühen, die Stimmung zu beeinflussen, Ängste zu schüren und die alten, fossilen Technologien wieder als Rettungstechnologien anzupreisen. Logisch, dass die Stimmung sich eben doch verändert. Und zwar nicht zum Positiven. Denn von einem Ausbau der Erneuerbaren ist in der Realität aufgrund restriktiver Regeln bislang wenig zu sehen.
Also wächst der Wunsch der alten Leute nach ihrer geliebten Kohle und Atomkraft wieder. Das ist jetzt etwas zugespitzt – aber die neueste Umfrage zeichnet sich eben auch durch den überproportionalen Anteil von Rentnern und Rentnerinnen aus, die befragt wurden.
Das mag dem Anteil an der Bevölkerung entsprechen, wenn 38 Prozent der Befragten 60 Jahre und älter sind. Aber das sorgt für eine deutlich konservativere Sicht auf die Energiewende. Das beeinflusst nun einmal auch die Befragungsergebnisse.
Die länderübergreifende Bevölkerungsstudie ist ein gemeinsames Projekt der Europäischen Metropolregion Mitteldeutschland, der MAS Gesellschaft für Marktanalyse und Strategie, der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung (SAS) und der Stabsstelle Strukturwandel des Landes Sachsen-Anhalt.
So befürwortet laut der repräsentativen Online-Befragung weiter eine Mehrheit von 52 Prozent der Menschen im Mitteldeutschen Revier grundsätzlich die Ziele der Energiewende. Unverändert hoch sind auch die Zustimmungswerte für den Ausbau der erneuerbaren Energien. So stimmen 87 Prozent dem Ausbau der Solarenergie und 80 Prozent dem Ausbau der Erdwärme zu.
Bei der Windenergie stieg die Zahl der Befürworter sogar von 69 Prozent im Vorjahr auf 73 Prozent. Für den Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft plädieren 72 Prozent.
Demgegenüber haben die im Befragungszeitraum Ende 2022 vorhandenen Unsicherheiten bei der Versorgungssicherheit und die steigenden Energiepreise die Stimmung beim Atom- und Kohleausstieg zu einer abwartenden Haltung der Befragten geführt.
Fragwürdige Fragestellung
41 Prozent der Befragten befürworten einen Kohleausstieg bis zum Jahr 2038, gegenüber 48 Prozent im Jahr 2021. Die Zustimmung zum Atomausstieg sank auf 26 Prozent (2021: 40 Prozent). Dabei gehen die letzten Atommeiler gerade vom Netz und das wird praktisch keinen Einfluss auf die Stromversorgung haben.
Was der Umfrage natürlich fehlt, ist ein Abfragen des Kenntnisstandes. Denn für gewöhnlich sind die Menschen in der Region nicht wirklich gut informiert über den tatsächlichen Stand der Energieerzeugung und die wirtschaftlichen Zwänge auf dem Energiemarkt. Und dazu kommt: Befragt wurden die 2.025 Interviewten im Dezember 2022, als noch nicht klar war, ob die Gasbeschaffung in Deutschland tatsächlich klappt und der Winter gesichert ist.
Und dazu kommt: Die Frage zu Kohle- und Atomaustieg war geradezu seltsam gestellt: „Befürworten Sie persönlich grundsätzlich die Ziele des Kohleaustiegs 2038/Atomausstiegs 2022/April 2023?“
Was heißt das? Dass die Mehrheit sogar Kohle über 2038 verfeuern möchte?
Oder gar das Gegenteil – nämlich eine Zustimmung zu den Plänen der aktuellen Bundesregierung, schon bis 2030 aus der Kohle auszusteigen?
Die Umfrage genügt – was die fossilen Energieerzeugungsarten betrifft – ganz offensichtlich vielen Grundlagen der Eindeutigkeit und Klarheit nicht.
Natur = egal?
Was auch im Detail Fragen aufwirft, wenn die Zustimmung zum Fragepunkt „intakte Natur“ binnen eines Jahres um acht Prozentpunkte (von 56 auf 48 Prozent) abfällt. Was geht da in den Köpfen der Menschen vor, dass sie eine intakte Natur auf einmal nicht mehr wertschätzen? Wirft man so einen Wunsch einfach über Bord, wenn im Supermarkt die Preise steigen?
Einen Hinweis könnte der leichte Anstieg beim Wunsch nach „Wohnortnaher ärztlicher Versorgung“ bieten, was eben darauf hindeutet, wie stark die Rentner und Rentnerinnen diese Umfrage beeinflussen und dabei ihre gruppenspezifischen Ansprüche und Sichtweisen geltend machen – neben medizinischer Versorgung (64 Prozent) auch die klassischen Rentnerwünsche nach Ordnung und Sicherheit (59 Prozent) und wohnortnaher Versorgung (58 Prozent).
Durchaus berechtigte Wünsche – die aber eben auch genauso wichtige Punkte ins Abseits drängen – wie guten ÖPNV (44 Prozent) und ein sicheres Radwegenetz (22 Prozent).
Womit die Umfrage im Grunde auch wieder deutlich macht, wie wenig die Befragten all diese Dinge im Zusammenhang sehen. Durchaus ein Problem heutiger Medienberichterstattung, die genauso diese Zusammenhänge auch kaum vermittelt.
Da überrascht es dann schon, dass der Einsatz erneuerbarer Energieerzeugung weiterhin auf hohem Level gewünscht wird. Das Bewusstsein dafür, dass die Energiewende notwendig ist, ist also da.
Die Ergebnisse sind unter www.mitteldeutschland-monitor.de abrufbar.
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