Ist Abwärme aus Leuna ein Risiko? Oder ist es die Chance, ein ganzes Leipziger Stadtgebiet künftig mit klimaneutraler Wärme zu versorgen? Das war ja im Grunde der zentrale Punkt der Grünen-Anfrage im Leipziger Stadtrat „Welche Risiken und Alternativen gibt es zur Fernwärme aus Leuna?“ Darauf hat jetzt der Geschäftsbereich des OBM ausführlich geantwortet. Es könnte tatsächlich Teil einer klimaneutralen Wärmeversorgung sein.

Die Antwort stammt im Wesentlichen direkt aus den Leipziger Stadtwerken, denn sie werden die Leipziger Wärmewende umsetzen müssen. Und wie die aussehen wird, soll ja im kommunalen Wärmeplan stehen, den die Ratsversammlung beauftragt hat und der Ende 2023 vorliegen soll.

Und da könnte die Wärmelieferung aus Leuna dauerhaft drinstehen.

Fernwärme und Wasserstoff: Auf in die Welt von morgen?

„Durch die Nutzung der industriellen Abwärme aus Leuna können voraussichtlich ca. 600 GWh Wärme pro Jahr CO₂-neutral und preisstabil über das Fernwärmesystem verteilt werden, ohne große Eingriffe in die Natur und ohne Verbrauch von Flächenpotenzialen in der Stadt. Die Menge entspricht dem Wärmebedarf von ca. 100.000 Haushalten und stellt somit einen wesentlichen Baustein der Fernwärmetransformation dar, ohne den die klimapolitischen Ziele der Stadt im gesetzten Zeitrahmen nicht erreicht werden können“, heißt es jetzt in der Antwort der Stadtverwaltung auf die Anfrage der Grünen-Fraktion.

Neben einer Fernwärmeleitung ist auch eine Wasserstoffleitung nach Leuna in der Planung. Denn am Standort Leuna wird eines der Zentren der mitteldeutschen Wasserstoffwirtschaft entstehen.

Schema der doppelten Leitung von Leuna nach Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig
Schema der doppelten Leitung von Leuna nach Leipzig. Grafik: Stadt Leipzig

„Beide Trassen würden aus Synergiegründen parallel geplant und unabhängig voneinander genehmigt. Eine gemeinsame Realisierung würde Baukostensynergien mit sich bringen. Die Entscheidung über den Bau hängt für beide Trassen von einer separaten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und den jeweiligen Fördermitteln ab“, so die Verwaltung.

Die Wasserstoffleitung nach Leuna würde dann auch eine erste stabile Wasserstoffversorgung für das Heizkraftwerk Süd in der Bornaischen Straße bedeuten, das ja künftig statt mit Erdgas mit Wasserstoff betrieben werden soll.

Erstmals sichere Wasserstofflieferungen für Leipzig

„Durch eine Verbindungstrasse nach Leuna entstünde zunächst überhaupt erst die Möglichkeit, die Stadt Leipzig mit geplanten Wasserstofferzeugungsanlagen zu vernetzen. In Leuna sind bereits erste große Elektrolyseanlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff geplant“, betont die Verwaltung in ihrer Antwort.

„Hieraus können notwendige Mengen für die Wärmeversorgung in Leipzig resultieren. Die Leipziger Stadtwerke sind in regelmäßigem Austausch mit geeigneten Unternehmen vor Ort, die Wasserstofferzeugungsprojekte konkret planen. Nach gegenwärtigem Stand liegen weder den Stadtwerken, noch der Stadt Erkenntnisse vor, die darauf hindeuten würden, dass es nicht möglich wäre, für Leipzig relevante Mengen zur Verfügung zu stellen.“

Und mit den beiden Leitungen nach Leuna plant die Stadt nicht nur für die nächsten zehn Jahre, sondern für 80 Jahre Nutzung.

Hintergrund, so betont die Antwort aus dem Geschäftsbereich von OBM Burkhard Jung (SPD), ist die für Deutschland geplante Klimaneutralität bis 2045.

„Die zentralen Fragen bei diesem Projekt sind, ob sich die Investition wie geplant über einen Zeitraum von 20 Jahren (ab Inbetriebnahme im Jahr 2027) amortisiert und ob am Standort Leuna auch über diesen Zeitraum hinaus dauerhaft unvermeidbare Abwärme auf hohem Temperaturniveau zur Verfügung stehen wird“, heißt es in der Antwort.

„Die Total Raffinerie Mitteldeutschland am Chemiestandort Leuna hat auf Basis der bisher durchgeführten Untersuchungen, sowohl hinsichtlich der erforderlichen Versorgungsstrukturen in Deutschland als auch der Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Kontext, eine positive Zukunftsprognose im Betrachtungszeitraum abgegeben. Die erwarteten Bezugsmengen bleiben demnach im Betrachtungszeitraum auch bei einer verstärkten Defossilisierung der chemischen Industrie relativ konstant. Bis zum finalen Start der Trassenverlegung wird dessen ungeachtet noch eine vertiefte Betrachtung auch mit Blick auf die aktuellen und absehbaren geopolitischen Entwicklungen vorgenommen und in der Entscheidung berücksichtigt.

Was in den 2030er oder 2040er Jahren sein wird, kann heute niemand mit Sicherheit für irgendeine Technologie und/oder benötigte Fernwärmekapazität und/oder Industrieproduktionsform abschätzen.“

Abwärme, ja bitte

Und dabei könnten durchaus auch noch andere Unternehmen im Chemiepark Leuna interessant werden, die ihre Abwärme in die Fernwärmeleitung nach Leipzig einspeisen wollen.

„Die geplante Trasse bietet für die langfristige Nutzung weitere strategische Optionen. Dies gilt auch für die Einspeisungen und Abnahmen entlang der geplanten Trasse und Möglichkeiten erneuerbare Energien sinnvoll zu nutzen“, so die Antwort.

Welche ebenso auf die Arbeit des HYPOS-Netzwerkes in Mitteldeutschland verweist, wo sich alle Wasserstoffakteure aus der Region vernetzt haben.

Um die Aktivitäten der inzwischen 75 Partner aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sichtbar zu machen, wurde gerade auch erst die neue Website Hypower ins Netz gestellt.

Denn nicht nur Leipzig muss den Weg zur Klimaneutralität auch in der Wärmeversorgung schaffen. Dasselbe Problem müssen auch sämtliche Unternehmen und Kommunen in Mitteldeutschland lösen. Die doppelte Anbindung Leipzigs an den Chemiestandort Leuna könnte dabei ein wichtiger Teil der Lösung sein.

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Abwärmenutzung von Leuna nach Leipzig – Liest sich erst einmal gut. Wenn lange genug Abwärme in Leuna entsteht und diese Abwärme so hoch komprimiert werden kann, ohne gravierende Verluste durch das Komprimieren, wie es für Fernwärme erforderlich ist wäre gegen eine Nutzung der Abwärme wenig einzuwenden. Besteht die Frage 1, warum das nicht schon längst mal durchdacht wurde?
Frage 2 – warum wird die Abwärme von Rechenzentren und Servern auch noch nicht genutzt? Gibt es in Leipzig keine Serverzentren?

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