In Zeiten der immer spürbareren Klimaerwärmung reicht es nicht mehr, wenn Wirtschaftsinstitute sich allein mit Wirtschaftswachstum und Staatsfinanzen beschäftigen. Sie müssen auch die Treibhausgas-Emissionen in den Blick nehmen. Denn wenn Wirtschaft nicht binnen kurzer Zeiträume klimaneutral wird, nutzt das ganze Wachstum nichts. Doch die Emissionen sinken zu langsam, mahnt auch das IWH.
Nach der mittelfristigen Projektion der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland wird das Wirtschaftswachstum laut Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) in den kommenden sechs Jahren mit 1 % pro Jahr in etwa genauso hoch ausfallen wie in den vergangenen sechs Jahren. Der Staatshaushalt bleibt im Defizit, aber der Schuldenstand geht relativ zum Bruttoinlandsprodukt ab dem Jahr 2024 wieder zurück. Bei diesem Tempo der wirtschaftlichen Expansion werden die Treibhausgas-Emissionen mittelfristig zwar weiter zurückgehen, aber deutlich langsamer als nötig, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen.
Die Energiekrise vorläufig gemeistert
Seit Herbst vergangenen Jahres sind die wirtschaftlichen Aussichten in Deutschland wieder etwas heller geworden: Produktion und Nachfrage sind trotz Krieg und Energiekrise bislang weitgehend stabil geblieben, die Erdgaspreise sind europaweit deutlich gefallen, und die Sicherung einer von russischen Lieferungen unabhängigen Gasversorgung scheint auf gutem Wege, stellt das IWH fest.
Der Zuzug von Flüchtlingen aus der Ukraine sei kurzfristig zwar eine finanzielle Belastung, berge mittelfristig aber Chancen, weil der natürliche Bevölkerungsrückgang für sich genommen wegen verschärften Arbeitskräftemangels die Expansion der Wirtschaft bremsen wird.
Nach der aktuellen mittelfristigen makroökonomischen Projektion durch das IWH dürfte das Wirtschaftswachstum mit 1 % pro Jahr in den kommenden sechs Jahren in etwa genauso hoch sein wie in den vergangenen sechs Jahren. Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo verringere sich bis zum Jahr 2027 auf –1,1 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, was bei einer nahezu geschlossenen Produktionslücke in etwa auch dem strukturellen Finanzierungssaldo entsprechen werde. Heißt: Der Staat muss weniger Schulden machen.
Der Schuldenstand gehe relativ zum Bruttoinlandsprodukt ab dem Jahr 2024 wieder zurück, nicht zuletzt wegen der noch einige Zeit recht hohen Preisdynamik, so das IWH.
Die Emissionen müssen schneller runter
Schließlich ist die gesamtwirtschaftliche Lage auch ein wichtiger Bestimmungsgrund für die Emission von Treibhausgasen. Nach den Projektionen des IWH bleiben die Wirtschaftszweige mit den höchsten Emissionsanteilen mittelfristig das Verarbeitende Gewerbe, die Energieversorgung sowie Verkehr und Lagerei. Dabei würde die Emissionsintensität (das Verhältnis von Emissionen und Bruttowertschöpfung) aufgrund von Effizienzgewinnen insbesondere in der Energieversorgung sinken – aber das Sorgenkind bleibe der Verkehrssektor.
Und deshalb warnt auch Oliver Holtemöller, Leiter der Abteilung Makroökonomik und Vizepräsident des IWH: „Wenn sich die Effizienzgewinne bei der Freisetzung von Treibhausgasen im Zuge der Produktionsprozesse nicht spürbar beschleunigen, werden die Emissionen mittelfristig zwar weiter zurückgehen, aber deutlich langsamer als nötig, um die nationalen Klimaschutzziele zu erreichen.“
Langfassung: Katja Heinisch, Oliver Holtemöller, Axel Lindner, Alessandro Sardone, Götz Zeddies: Wirtschaftswachstum, Staatsfinanzen und Treibhausgas-Emissionen in der mittleren Frist, in: IWH, Konjunktur aktuell, Jg. 10 (4), 2022, 146‒151. Halle (Saale) 2022.
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