Die Stadt Leipzig und der Branchenverband biosaxony e. V. fungierten als Gastgeber für eine der größten Life Science-Partneringveranstaltungen Europas, die BIO-Europe, welche vom 24. bis 26. Oktober 2022 in Leipzig mit mehr als 5.000 Besucher aus 66 Ländern stattfand. Für Thomas Köhler war es Anlass, mit André Hofmann, CEO von biosaxony, einmal über die Rolle der Leipziger biocity und das Wachstum des Branchenverband für Biotechnologie in Sachsen zu sprechen.
Lifescience, viele Leute sagen, das wäre so ein wenig Science Fiction. Wir haben da Prothetik, Sensorik, in manchen Kreisen wird sogar vom Transhumanismus gemunkelt. Ich habe in den 1970ern das letzte Mal in Science Fiction Literatur davon gelesen, aber es kommt gerade wieder hoch. Sie beschäftigen sich ja nun mit Science und nicht mit Fiction, was ist die Zukunftsmusik in der Branche? Vorhin sprachen Sie ja über die Corona-Tests, im Internet-Auftritt sieht man beim 3D-Druck Masken für medizinisches Personal, also ganz „gewöhnliche“ Dinge.
In der Medizintechnik, gerade bei Prothetik und Sensorik, die Sie gerade ansprachen, wird sich wahnsinnig viel tun. Beim 3D-Druck haben wir in Leipzig eine sehr gute Ausgangsbasis, um da im Medizinbereich etwas vorwärtszubringen. Wir versuchen über verschiedene kleinere und größere Projekte mit Leipziger Akteuren, dahin zu kommen, dass wenn in Zukunft jemand über 3D-Druck in der Medizintechnik nachdenkt, sollte ihm unbedingt sofort Leipzig einfallen. Wenn man über Mikroelektronik in Sachsen spricht, fällt einem Dresden ein, dahin möchte ich beim medizinischen 3D-Druck mit Leipzig.
Was die Zukunftsmusik betrifft, ein kleiner Rekurs in Richtung 1920er Jahre. Da gab es einen russischen Wirtschaftswissenschaftler in Berlin, den Herrn Kondratjew, der damals die großen Technologiewellen postulierte. Diese führen aufgrund einer neuen Technologie zu großen technischen und gesellschaftlichen Umwälzungen.
Der erste Kondratjew-Zyklus war, glaube ich, die Dampfmaschine, dann kam Stahl, Chemie, Elektrotechnik und aktuell im auslaufenden 5. Zyklus Mikroelektronik und Informations- und Kommunikationstechnologie, die, wie wir alle gesehen haben, unser Leben stark verändert hat. Die Wissenschaft ist sich einig, dass der nächste Zyklus, der schon beginnt, der der Biowissenschaften sein wird.
Was da alles dahintersteckt, lässt sich heute schwer abschätzen, es geht aber damit los, dass viele Produktionsprozesse künftig auf biotechnologischer Basis funktionieren können. Wir haben in Freiberg einen Wissenschaftler sitzen, der Bergbau mit Mikroorganismen macht.
Die pumpen eine Bakterienbrühe in den Schacht, da wo kein Mensch mehr hinkommt, schlachten dann, um es brutal zu sagen, die Bakterien und rauskommt Uran. So etwas ist schon möglich, man kann damit auch alte Halden nach Wertstoffen durchsuchen.
Das wäre also auch im Recycling-Bereich, zur Wiedergewinnung von Rohstoffen möglich?
Ja, hier in Leipzig sitzt ein Team, welsches auch mit Bakterien, durch enzymatische Reaktion, Plastikmüll aufarbeiten kann. Der wird in Einzelkomponenten zerlegt, diese können dann wieder verwendet werden. In der circular economy wird Biotechnologie eine große Rolle spielen.
Es gibt die verrücktesten Zukunftsvisionen, was man damit alles machen kann. Wir haben jetzt einige grundlegende Technologien entwickelt, crispr cas ist da eine. Mit der kann man sehr stark in die Genome von Bakterien und Zellen eingreifen. Es werden 4–5 spannende Jahrzehnte vor uns liegen.
Sie sprachen, in dem Zusammenhang Plastik an, ich könnte mir vorstellen, dass es auch für den Elektronikschrott Bedarf gibt. Dort ist die Komponententrennung ja problematisch.
Es wäre wahrscheinlich möglich z. B. die Leiterplatten zu zermahlen und dann die Einzelkomponenten biologisch zu trennen.
Weil Sie gerade crispr cas, die sogenannte Genschere, ansprechen. Im Zusammenhang mit der Gen- oder Genomtechnik stellen sich ethische Probleme. Beschäftigen Sie sich auch damit?
Wir haben es zumindest im Blick. In der Ausrichtung, die wir hier haben, gibt es keine Aktivitäten betreffs menschlicher Genome. Natürlich gibt es weltweit Standorte, wo über solche Themen nicht nur nachgedacht wird – es wird auch daran gearbeitet. Aber es ist wie bei allen anderen Technologien, Missbrauch lässt sich nicht ausschließen. Ich glaube, die „gute“ Nutzung solcher Technologien wird auch immer Sicherheitsmechanismen beinhalten.
Ich habe auf der Website von Biosaxonie gelesen, dass es eine Zusammenarbeit mit China gibt, allerdings nur die Zusammenfassung. Wissenschaftstransfer nach China wird ja von vielen kritisch gesehen.
Das ist kein Projekt von uns, wir haben dort nur einen Artikel der Wirtschaftsförderung Sachsen promotet. Wir haben durchaus im Bereich Internationalisierung auch Kooperationspartner, die sind allerdings zum Beispiel in Korea und Kanada, Mexiko könnte demnächst auch ein Thema werden. Mit China tue ich mich schwer, weil es gefühlt immer eine Einbahnstraße ist.
Wissenschaft wird wohl immer nur international erfolgreich sein? Wenn jeder in seinem Land sein Süppchen kocht, bringt uns das wahrscheinlich nicht weiter.
An dieser Stelle muss ich differenzieren, wir sind in erster Linie ein wirtschaftlich getriebenes Netzwerk. Wissenschaftlich passiert unheimlich viel in unserem Umfeld, wir sind mit der Uni Leipzig und Dresden in gutem Benehmen, aber dort haben wir eher wenig Eingriff.
Uns interessieren die Unternehmen, die haben China durchaus auf dem Schirm, da unterstützen wir. Wir haben aber keine Kooperation mit einem chinesischen Cluster. Das hat sich bis dato noch nicht ergeben und wenn das eine Einbahnstraße ist, habe ich auch kein Interesse.
Weil ich gerade Mexiko erwähnte, die Kollegen waren schon 3 Mal hier und haben ein starkes Interesse, mit uns zu kooperieren. Wir sehen bei unseren Unternehmen, dass diese ein starkes Interesse haben etwas mit Mexiko voranzutreiben.
Wir werden wohl im nächsten Jahr einen Gegenbesuch in Baja California machen. Das liegt genau an der US-Grenze und dort ist San Diego, einer der Biotech-Hotspots weltweit. Dort sehe ich eher Potenzial für eine Zusammenarbeit, als momentan mit China.
Fortsetzung folgt.
Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption‘ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.
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