Wenn sich Rahmenbedingungen ändern – und zwar nachhaltig – trifft das meist ganze Branchen. Wenn Flüsse aufgrund ausbleibender Niederschläge monatelang nicht schiffbar sind, trifft das alle Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell auf einer funktionierenden Wasserstraße aufgebaut haben. Doch wie nun weiter mit der Elbe? Diese Frage stellten sich mehrere Wirtschaftsverbände bei einem Treffen am 15. September in Riesa.
Im Riesaer Hafen fand am Donnerstag, dem 15. September, eine gemeinsame Konferenz der Industrie- und Handelskammern Cottbus, Dresden, Leipzig, Magdeburg und Halle-Dessau, sowie dem Elbe Allianz e.V., der Kammerunion Elbe-Oder und dem Netzwerk Logistik Mitteldeutschland statt.
Die versammelten Verbände forderten bei der Gelegenheit die Umsetzung des „Gesamtkonzepts Elbe“. Dieses Konzept wurde bereits 2017 durch das Bundesverkehrsministerium sowie das Bundesumweltministerium beschlossen. Die Bundesländer entlang der Elbe, darunter Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt, waren ebenfalls am Beschluss beteiligt.
Es geht nicht nur um Schifffahrt
Das „Gesamtkonzept Elbe“ war mit dem Ziel entwickelt worden, die Schiffbarkeit der Elbe bei gleichzeitiger Wahrung von Umwelt- und Hochwasserschutz sicherzustellen.
„Passiert ist in dieser Hinsicht bis heute aber nur wenig. Aus diesem Grund luden Wirtschaftsverbände und Unternehmen in den Riesaer Hafen ein, um gemeinsam mit Transporteuren und Verladern auf die Ausbaudefizite der Binnenschifffahrtsstraße Elbe hinzuweisen“, so die IHK zu Leipzig.
Denn beim Gesamtkonzept taucht zwar auch der Punkt „Verbesserung der Schifffahrtsverhältnisse“ mit dem Unterpunkt „Niedrigwasseroptimierung“ auf. Doch der steht wieder im Themenfeld „Erosionsbekämpfung und Geschiebehaushalt“. Denn die Schifffahrt ist nur ein Punkt unter vielen.
Gleichzeitig soll nämlich der Hochwasserschutz gewährleistet und die Erosion verringert werden, sollen die Zugänge zu den Auen verbessert, die Lebensraumtypen Gewässer und Aue gestärkt werden. Das alles beißt sich mit einer fast ganzjährigen Schiffbarkeit oder gar, wie an einem Punkt zu lesen – dem Ausbaggern der Flussrinne an Engstellen, um Schiffe auch bei Niedrigwasser fahren zu lassen.
Logisch, dass es für das Gesamtkonzept kein Hauruck-Verfahren gibt, sondern nur viele kleine Projekte den Zustand der Elbe nach und nach verbessern können. Und nicht zu vergessen ist: 2017 war von den Dürrejahren 2018 bis 2020 noch nichts zu ahnen. Während alle Beteiligten wussten, dass alle Flussanrainer in der Pflicht stehen, die Gewässerqualität der Elbe sogar zu verbessern. Stichwort: Europäische Wasserrahmenrichtlinie.
Schiffbarkeit versus Naturschutz
Das heißt: Die wirtschaftlichen Forderungen nach einer möglichst ganzjährigen Schiffbarkeit der Elbe beißen sich selbst mit den im Gesamtkonzept formulierten Zielen beim Naturschutz.
Was schon beim ersten Lesen offenkundig wird:
„Stopp und Rückführung der anthropogen verursachten Sohlerosion
Maßgebliche Verbesserung des Stoff- und Wasserhaushalts im gesamten Einzugsgebiet
Flächendeckender günstiger Erhaltungszustand aller fluss- und auentypischen Lebensraumtypen und Arten mit Herbeiführung eines möglichst naturnahen Zustands des Flusssystems
Herbeiführung eines möglichst naturnahen Zustands des Flusssystems im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie
Prüfung, ob ökologische Verbesserungen durch Richtungsverkehr über die verkehrlichen Fehlstellen hinaus ermöglicht werden können“.
Das alles beißt sich mit dem formulierten Ziel einer „weitgehenden Verlagerung von Großraum- und Schwerlasttransporten von der Straße auf das System der Bundeswasserstraßen“. Gerade das scheitert in den letzten Jahren immer öfter am fehlenden Wasser. Was dann in den sächsischen Elbhäfen – auch im Hafen Riesa – zu immer weniger Betrieb und immer weniger Wassertransporten führt. Die Güter werden statt auf Schiffe auf Lkw und Züge umgeladen.
Maßvolle Engstellenbeseitigung oder vollständige Wiederherstellung der Schiffbarkeit?
Erstaunlich ist dann freilich, dass die Versammlungsteilnehmer trotzdem festhalten an einem Binnenschifffahrtssystem, das in Zeiten zunehmenden Wassermangels kaum noch aufrechtzuerhalten ist.
Im Ergebnis der Konferenz formulierten die Teilnehmer folgende Positionen:
„Die Binnenschifffahrt als ressourcenschonende Transportmöglichkeit darf nicht aus dem Fokus der Politik geraten. Gerade für spezielle Transportaufgaben wie Teile von Windkraftanlagen leisten sie einen Beitrag zur Entlastung des Straßennetzes.
Binnenhäfen sind Teil der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur und nehmen nicht nur für die Wasserwege eine wichtige Funktion als Umschlagplätze ein. Ein Großteil der LKW-Bahn-Verladungen findet in den Binnenhäfen statt. Damit dienen sie auch zur Stärkung der Schiene im Güterverkehr.
Die Bundespolitik muss zu ihren Zusagen bezüglich des Gesamtkonzepts Elbe stehen und für die maßvolle Beseitigung bekannter Engstellen auf dem Transportweg Elbe sorgen.“
Die Industrie- und Handelskammern Dresden, Leipzig und Cottbus fordern nun:
„Die Wirtschaft entlang der Elbe fordert die schnellstmögliche vollständige Wiederherstellung der Schiffbarkeit auf der Elbe, so wie es im Gesamtkonzept Elbe in 2018 von der Bundesregierung beschlossen wurde. Die Politik und Verwaltung zur Schiffbarkeit der Elbe formuliert: Erstens braucht es ein politisch-administratives Management, mit dem Planungsprozesse verschlankt, das Thema Schifffahrt stärker in den Fokus gerückt und der ökonomischen Funktion von Wasserstraßen auch finanziell mehr Bedeutung beigemessen wird.
Zudem wurde eine stärkere länderübergreifende Zusammenarbeit mit Tschechien angemahnt. Abschließend wird mit Blick auf den Wasserhaushalt der Flüsse ein stärkeres Wassermanagement mit entsprechenden technischen Lösungen zur Wasserrückhaltung eingefordert.“
Das geht weit über das Gesamtkonzept von 2018 hinaus und zielt auf einen technischen Ausbau der Elbe.
Binnenschifffahrt wird gebraucht
„Die Umsetzung des Gesamtkonzepts, besonders im Bereich der Binnenschifffahrt, lässt auch fünf Jahre nach seiner Verabschiedung weiter auf sich warten. Dabei wird die Binnenschifffahrt auf der Elbe in unserer Region dringend benötigt!“, meint Andreas Sperl, Präsident der IHK Dresden, im Rahmen der Konferenz.
So gesehen sind Wasserstraßen tatsächlich klimafreundliche Alternativen zum Straßentransport.
So listet die IHK auf: Für den Transport schwerer oder besonders großer Güter wie Schüttgut, Schrott, aber auch Bauteile von Windrädern, Transformatoren etc. stellt die Binnenschifffahrt eine ressourcenschonende und leistungsfähige Alternative zum Straßentransport dar. Laut Angaben des Umweltbundesamtes verbrauchen Binnenschiffe im Vergleich zu LKW bei gleicher Transportmenge etwa ein Drittel weniger Energie und sparen somit Emissionen ein.
Hinzu kommen die großen Schwierigkeiten und Hürden, die beim Transport von sperrigen Gütern und Schwertransporten auf der Straße entstehen.
„Verkehrsverlagerung kann nur aktiv stattfinden, wenn es auch belastbare und konkurrenzfähige Alternativen gibt. Auf der Elbe müssen endlich die im Gesamtkonzept festgeschriebenen und ratifizierten Maßnahmen umgesetzt werden. Eine Elbvertiefung in Hamburg allein lässt die zu erwartenden Containermengen nicht ohne leistungsfähige Infrastruktur ins Hinterland abfließen“, ergänzte Frank Thiele, Vorstand Netzwerk Logistik Mitteldeutschland.
Zielvorstellungen im Konflikt
Aber selbst das 2017 beschlossene Gesamtkonzept zeigt, dass sich darin die Zielvorstellungen beißen.
Denn einerseits heißt es eindeutig: „Herbeiführung eines möglichst naturnahen Zustands des Flusssystems im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie: maßgebliche Verbesserung gemäß der Zielsetzungen der Nationalen Biodiversitätsstrategie. Ausbau der bewährten Nutzung des Instruments Biosphärenreservat als internationale Modellregion der UNESCO für nachhaltige Entwicklung auf 400 Flusskilometern (Betrachtungsraum 588 Flusskilometer).
Dabei auch weitere Nutzung der Bundesprogramme Biologische Vielfalt und Chance Natur“, was sich im direkten Konflikt mit diesem Ziel befindet: „Weitgehende Verlagerung von Großraum- und Schwerlasttransporten von der Straße auf das System der Bundeswasserstraßen“.
2017 sollte tatsächlich erst ein „Anschlussprozess“ gestartet werden, der klärt, was von diesen Zielen wie umgesetzt werden könnte.
Und es kann passieren, dass große Teile der Elbe oberhalb von Magdeburg für künftige Schifffahrtsoptimierungen gar nicht mehr in Betracht kommen, weil schlicht nicht genug Wasser da ist in den zunehmend trockeneren Jahren am Oberlauf.
Das Gesamtkonzept weist nämlich auch eine weitere Alternative auf, bei der niemand darauf warten muss, dass der Staat erst einmal wieder Milliarden für den Ausbau des Flusses bereitstellt: „Entwicklung optimierter Schiffe mit höherer Tragfähigkeit bei Niedrigwasser (flachgehende Schiffe)“.
Was wohl der nahe liegende Weg für eine Wirtschaft ist, die auch bei dauerhaftem Niedrigwasser Schiffstransporte für notwendig hält.
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