So langsam entdeckt auch die sächsische Wirtschaft das Thema Klimaneutralität für sich. Die Zeiten, sich auf die Energieversorgung aus Kohle und Erdgas zu verlassen, sind vorbei. Spätestens die massiven Energiepreissteigerungen seit 2021 haben deutlich gemacht, dass jedes einzelne Unternehmen gut beraten ist, seine Energieversorgung auf alternative Energien umzustellen. Die sächsischen IHKs sehen dringenden Handlungsbedarf.
Die sächsischen Industrie- und Handelskammern (IHKs) und die Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH (WFS) haben deshalb im März 2022 eine landesweite Befragung von Industrie- und Gewerbebetrieben zur aktuellen Situation der Energiebeschaffung sowie den energiebezogenen Planungen bis 2030 durchgeführt. Bis 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen und Kohlenstoffdioxid EU-weit um 55 % gegenüber dem Jahr 1990 gesunken sein.
Grüner Strom ist immer noch ein Nischenthema
Wie die Umfrageergebnisse zeigen, spielt „grüner“ Strom in den Betrieben gegenwärtig noch eine untergeordnete Rolle. Mehr als die Hälfte (59 %) beziehen weniger als 20 MWh „grünen“ Strom pro Jahr, immerhin ein Fünftel (18 %) mehr als 2.000 MWh jährlich. Lediglich 12 % versorgen sich vollständig bzw. zu über 90 % selbst.
Grüner Wasserstoff wird aktuell gar nicht oder nur in sehr geringen Mengen genutzt. Gleiches gilt für Biokraftstoff, Biomasse und Biogas.
Mit Blick in die Zukunft geht die Hälfte der Befragten davon aus, dass sich ihr Strombedarf bis 2030 nicht verändern wird. 35 % erwarten eine leichte Steigerung.
CO₂-Neutralität wird die Mehrheit der Unternehmen nach eigenen Angaben wohl erst nach 2030 erreichen. Dies soll vor allem durch verbesserte Energieeffizienz (85 %), Eigenerzeugung mit erneuerbaren Energien (68 %), Grünstromlieferverträgen (40 %) und den Einsatz von Wasserstoff (32 %) realisiert werden.
Als Voraussetzung für den Einsatz erneuerbarer Energien benennen 88 % der Unternehmen einen
wettbewerbsfähigen Preis sowie 66 % die Sicherung einer langfristigen Preisstabilität.
IHKs machen Druck beim Ausbau der Erneuerbaren Energien
Ihre Dekarbonisierungsstrategien machen die Unternehmen auch von weiteren Faktoren abhängig. Dazu zählen die allgemeine Wirtschaftslage, regulatorische Rahmenbedingungen wie aufwendige Genehmigungsverfahren und einfache Förderprogramme, die generelle Verfügbarkeit von Erneuerbarer Energie oder auch der Zugang zu technischer Beratung und zu Installateuren.
Aus Sicht der sächsischen IHKs sind die Umfrageergebnisse durchaus kritisch zu werten. Dr. Andreas Sperl, Präsident der IHK Dresden und Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der sächsischen IHKs, fasst die Kammersicht zusammen:
„Die derzeit schwierigen Rahmenbedingungen, insbesondere die Preisanstiege im Gas-, Wärme- und Strombereich, verschärfen die nach der Pandemie ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage zusätzlich und erhöhen den Druck, die Energiewende voranzubringen. Damit Klimaneutralität in der sächsischen Industrie und im industrienahen Gewerbe ab 2030 realisierbar wird, stehen neben den Unternehmen vor allem die Landes- und Bundespolitik unter Handlungsdruck.
Andreas Sperl dazu: „Um den dringend erforderlichen Ausbau der erneuerbaren Energien signifikant zu beschleunigen, müssen schnell pragmatische und verlässliche Entscheidungen getroffen werden. Fehlinvestitionen von Unternehmen aufgrund sich ständig ändernder gesetzlicher Rahmenbedingungen bewirken eher Zurückhaltung, genauso wie komplizierte Genehmigungsverfahren beim Versuch, die Eigenversorgung zu erhöhen oder Energieeffizienzmaßnahmen zu implementieren. Attraktive und vor allem bürokratiearme Förderangebote runden den politischen Handlungsbedarf aus unserer Sicht ab.“
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