Dass viele der seit Frühjahr 2013 so heiß diskutierten Corona-Maßnahmen so widersprüchlich waren, hat auch damit zu tun, dass die Politik die Wirtschaft nicht abwürgen wollte. Einerseits die Gesundheit der Menschen schützen, andrerseits möglichst viele Teile der Wirtschaft am Laufen halten – das bringt oft schwer vermittelbare Kompromisse mit sich. Aber so blieben die großen Zusammenbrüche aus. Sachsens Wirtschaft jedenfalls sieht sich wieder im Aufwind.
Und das, nachdem die befragten Geschäftsführer im Corona-Jahr 2020 schon alle Hoffnung hatten fahren lassen und die Wirtschaftskammern entsprechend finstere Bilder gemalt hatten. Gerade diese regelmäßigen Konjunktutrumfragen zeigen, wie leicht Unternehmer von Stimmungen angesteckt werden können.Was natürlich auch verständlich ist: Die wenigsten haben dauerhaft sichere Geschäfte, die einfach laufen, egal, ab da nun eine Epidemie durchs Land rollt oder die Chinesen gerade mal keine Autos kaufen. Die meisten haben eher Auftragsbücher, die um Wochen, manchmal einige wenige Monate in die Zukunft reichen und das Gefühl geben, dass erst einmal alles gutgeht.
Aber wehe, es droht ein Einbruch bei den Bestellungen und Aufträgen. Gar ein Stillstand des ganzen Landes, der Lieferketten und der Weltwirtschaft, wie es ja mancher nach dem harten Lockdown im Frühjahr 2020 befürchtete. Und eine wirklich verlässliche Instanz, die sagt, wie die nächste Zukunft wird, gibt es ja nicht. Selbst die scheinbar so seriösen Wirtschaftsinstitute figurieren lediglich Hochrechnungen aus dem aktuellen Umsatzgeschehen. Was dann oft genug auch ziemlich wackelige Zukunftsprognosen ergibt.
Worauf also verlassen?
Genau das fragen die Konjunkturerhebungen der sächsischen Wirtschaftskammern ab. Denn sie erfassen nicht nur die aktuellen Lageeinschätzungen, sondern wollen auch die nahen Geschäftserwartungen der Unternehmen wissen. Wozu Geschäftsführer dann in der Regel in ihre Auftragsbücher schauen.
Und die Herbstumfrage zeigt nun, wie schnell sich auch in der so skeptischen Wirtschaft wieder Optimismus verbreitet, wenn die Geschäftsführer sehen, dass der Laden läuft. Übrigens längst wieder auf der Höhe des Vor-Corona-Jahres 2019, wie ja jüngst eine Meldung des Statistischen Landesamtes zeigte. Mit Ausnahme des Gastgewerbes, das freilich inzwischen mit einem völlig anderen Problem zu kämpfen hat.
Die Einschätzung der sächsischen IHKs
Sowohl Lage als auch Erwartungen werden besser bewertet. Im Ergebnis steigt der Geschäftsklimaindex der sächsischen Wirtschaft deutlich von 98 Punkten (Frühjahr 2021) auf 122 Punkte. Dank der besseren Einschätzungen in allen Wirtschaftsbereichen erreicht der Wert damit ein neues Zwei-Jahreshoch und übertrifft sogar das Vorkrisenniveau (Jahresbeginn 2020: 120 Punkte; Herbst 2019: 118 Punkte). An der Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, die im September 2021 durchgeführt wurde, beteiligten sich 1.792 Unternehmen mit ca. 99.000 Beschäftigten.
Der IHK-Geschäftsklimaindex berücksichtigt gleichrangig die Beurteilungen der Unternehmen zur Geschäftslage (Lagesaldo) und zur zukünftigen Geschäftsentwicklung (Erwartungssaldo). Er wird als geometrisches Mittel der Lage- und Erwartungssalden berechnet.
Mehr als die Hälfte der sächsischen Unternehmen beurteilen ihre derzeitige Geschäftslage mit „gut“; nur 10 Prozent bewerten ihre Situation mit „schlecht“. Der Lagesaldo springt von 10 auf 42 Punkte. Auch wenn die Corona-Einschränkungen in vielen Branchen noch spürbar sind, werden in allen betrachteten Wirtschaftsbereichen mehr positive als negative Lageeinschätzungen abgegeben.
Trotz der Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie blicken viele Unternehmen optimistisch auf die kommenden Monate. 21 Prozent der Befragten erwarten bessere Geschäfte, nur 16 Prozent eine Verschlechterung. Das Erwartungsbarometer weist mit 5 Punkten erstmals seit 2 Jahren ein positives Vorzeichen auf. Angesichts steigender Kosten bleiben jedoch viele Unternehmen zurückhaltend. Größte Risikofaktoren sind der Fachkräftemangel (60 Prozent), gefolgt von den Energie- und Kraftstoffpreisen (58 Prozent) sowie den Rohstoffpreisen (52 Prozent).
So entwickeln sich Investitionen und Beschäftigung
Die deutlich aufgehellte Stimmung äußert sich auch in einer gesteigerten Investitionsbereitschaft. So beabsichtigt fast jedes vierte Unternehmen, seine Investitionsausgaben zu erhöhen; 42 Prozent möchten ihr Investitionsniveau beibehalten. Damit erreicht das Investitionsbarometer den höchsten Stand seit zwei Jahren.
Gleiches gilt für die Beschäftigungsabsichten. So planen für die kommenden Monate 24 Prozent (Vorumfrage: 15 Prozent) der Betriebe eine Aufstockung und nur noch 14 Prozent (gegenüber 19 Prozent im Frühjahr 2021) eine Reduzierung ihrer Mitarbeiterzahl. Am häufigsten suchen Industrieunternehmen und Dienstleister neue Mitarbeiter. In vielen Unternehmen, insbesondere im Bau, Verkehr und in der Gastronomie, stellen jedoch fehlende Mitarbeiter bereits ein großes Wachstumshemmnis dar.
Die Entwicklung in den einzelnen Branchen
Trotz Material- und Lieferengpässen bleibt die Industrie vorerst auf Erholungskurs. Dank der hohen Nachfrage und steigender Auslastungen übertrafen die Industrieumsätze bereits wieder das Vorkrisenniveau. 51 Prozent sind mit ihren aktuellen Geschäften zufrieden, nur 9 Prozent unzufrieden. Beim Blick auf die Geschäftsrisiken wird allerdings klar, dass steigende Rohstoff- und Materialpreise sowie Lieferengpässe einen kräftigeren Aufschwung verhindern.
Das Baugewerbe berichtet erneut von verbesserten Geschäften. Der Lagesaldo steigt auf 59 Punkte (Vorjahr: 55 Punkte) und steht damit an der Spitze der betrachteten Wirtschaftsbereiche. Die Auslastung ist deutlich gestiegen und übertrifft das Vorkrisenniveau. Allerdings spiegelt sich dies in Folge gestiegener Material- und Arbeitskosten weniger deutlich in den Erträgen wider. Anhaltende Materialengpässe und befürchtete rückläufige öffentliche Bauinvestitionen bremsen indes den Enthusiasmus.
Die Rücknahme vieler Corona-Beschränkungen in den Sommermonaten sowie die Belebung im Produzierenden Gewerbe wirkten sich sehr positiv auf die Geschäfte im Dienstleistungssektor aus. Das Lagebarometer steigt auf 49 Saldopunkte, nach 20 Punkten im Frühjahr. Die Dienstleister blicken positiv auf die nächsten Monate. Während 22 Prozent bessere Geschäfte erwarten, geben nur 11 Prozent der Unternehmen negative Prognosen ab.
Deutlich aufwärts ging es auch im Handel. Die Stimmung verbessert sich im Einzel- und Großhandel spürbar und übertrifft mit 36 bzw. 35 Lagepunkten das Vorjahresniveau. Steigende Preise, mögliche Corona-Beschränkungen und veränderte Kaufgewohnheiten dämpfen jedoch die Erwartungen (-3 bzw. -4 Saldopunkte).
Im Verkehrsgewerbe erreicht der Lagesaldo mit 25 Punkten ebenfalls den positiven Bereich. Auch wenn die Prognosen weniger skeptisch als in den Vorumfragen ausfallen, bleibt der Geschäftsausblick mit -9 Saldopunkten negativ. Steigende Transportkosten, Störungen der Lieferkette, hohe Kraftstoffpreise sowie fehlende Fachkräfte trüben die Prognosen.
Nach der Rücknahme vieler Beschränkungen springt das Lagebarometer im Gastgewerbe/Tourismus in Folge von Nachholeffekten am deutlichsten nach oben. Allerdings bleibt die Branche mit 12 Saldopunkten im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen zurückhaltend. Fast jedes dritte Unternehmen schreibt weiterhin Verluste. In der Hoffnung auf eine dauerhafte Rücknahme der meisten Corona-Beschränkungen fallen die Geschäftserwartungen mit 17 Punkten im Vergleich am optimistischsten aus.
Das derzeit wichtigste Problem: Allerdings wird der Aufholprozess durch den Mangel an Arbeitskräften stark behindert. Konkret: „In der Gastronomie- und Tourismuswirtschaft gestalten sich Neueinstellungen ebenfalls schwierig. Diese Bereiche mussten aufgrund längerer Geschäftseinschränkungen bzw. -schließungen vielfach Personalabgänge verkraften. Aktuell sucht jedes vierte Gastronomie- und Tourismusunternehmen neue Mitarbeiter.“
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