Man vergisst ja in diesem Wahlkampf beinah, dass Klima- und Energiewende schon vor Jahren das dominante Thema im Wahlkampf hätte sein müssen. Die vergangenen 16 Jahre haben immer wieder aus dem Fokus gerückt, dass der jetzt überfällige Wandel in der Energiewirtschaft eigentlich schon 2005 dran gewesen wäre. Und so gibt es die Meldungen, die damals fällig gewesen wären, auch erst jetzt.
Etwa wenn die in Leipzig ansässige VNG und die Wintershall Dea am Mittwoch, 18. August, meldeten, sie würden beim Thema Wasserstoff zukünftig enger zusammenarbeiten und in einem ersten Schritt den Bau einer Anlage zur Herstellung von klimafreundlichem „türkisem“ Wasserstoff planen. Die zwei in Deutschland ansässigen Energieunternehmen haben einen entsprechenden Kooperationsvertrag unterzeichnet.Womit das Treibhausgas Methan einer neuen Verwendung zugeführt werden könnte. Denn, so Wikipedia: „Türkiser Wasserstoff wird hergestellt durch die thermische Spaltung von Methan (Erdgas). Dabei entsteht kein CO2, sondern fester Kohlenstoff. CO2-neutral ist dieses Verfahren aber nur, wenn die thermische Energie aus erneuerbaren Energiequellen stammt und der Kohlenstoff dauerhaft nicht verbrannt wird.“
Dabei soll das von dem britischen Unternehmen HiiROC, in das beide Unternehmen erst vor kurzem investiert hatten, angewandte Verfahren der thermischen Methanpyrolyse zum Einsatz kommen und gemeinsam mit dem Anlagenhersteller für einen konkreten Anwendungsfall weiterentwickelt werden.
Pilotanlage in Mitteldeutschland
Die Pilotanlage soll nach derzeitigem Plan 2023 in Betrieb gehen und eine nominale Kapazität von 400 kg Wasserstoff pro Tag haben (gleichbedeutend einer Jahresenergiemenge von knapp 5 GWh). Damit wird die Anlage eine der ersten dieser Art zur Produktion von sogenanntem türkisem Wasserstoff in Deutschland sein. Die Unternehmen sind bereits im Gespräch mit potenziellen Abnehmern für den produzierten Wasserstoff sowie zu einem möglichen Standort in Ostdeutschland.
Bei der Methanpyrolyse wird Erdgas bei hohen Temperaturen in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten. Der Wasserstoff kann anschließend als dekarbonisierter Energieträger genutzt werden. Der feste Kohlenstoff hingegen kann als wertvoller Rohstoff in der Industrie zum Einsatz kommen, beispielsweise im Straßen- oder Gebäudebau.
„Um die deutschen und europäischen Klimaziele bis 2050 zu erreichen, ist die zügige Etablierung eines funktionierenden Wasserstoff-Marktes notwendig. Wir wollen Teil der Lösung sein und investieren in zukunftsfähige Projekte“, sagt Hugo Dijkgraaf, Chief Technology Officer bei Wintershall Dea, Europas führendem unabhängigen Gas- und Ölunternehmen. Beide Projektpartner sehen großes Potenzial in der Produktion von Wasserstoff durch Methanpyrolyse.
„Diese Kooperation mit VNG wird dabei helfen, das Potenzial der Technologie zu realisieren und einen Wasserstoffmarkt zu etablieren, denn Märkte entstehen nicht von allein. Sie müssen aufgebaut und organisiert werden – technologieoffen“, so Dijkgraaf.
VNG verfüge über umfassende Erfahrungen über die gesamte Wertschöpfungskette von Erdgas und insbesondere den Endkundenzugang. Das macht das Leipziger Unternehmen zu einem äußerst wertvollen Partner für Wintershall Dea in diesem Bereich.
„Um Wasserstoff als Energieträger voranzutreiben und als festen Bestandteil im Energiemix zu etablieren, braucht es starke Partnerschaften, zwischen Unternehmen ebenso wie zwischen Industrie und Politik. Es ist eine großartige Entwicklung für uns, dass wir jetzt mit einem führenden internationalen Akteur wie Wintershall Dea enger zusammenarbeiten“, ergänzt Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied für Infrastruktur/Technik bei VNG.
Wintershall Dea und VNG wollen die Energiewende aktiv unterstützen und haben die Themen Wasserstoff und Dekarbonisierung bereits in ihren langfristigen Konzernstrategien verankert.
Unternehmen investierten bereits in Start-up HiiROC
Wintershall Dea und VNG sind bereits an verschiedenen Projekten im Bereich Wasserstoff beteiligt. Im Rahmen ihrer Kooperationen haben beide Unternehmen unlängst in das Start-up HiiROC als Technologiepartner investiert. Das europäische Unternehmen mit Sitz im englischen Hull hat die Technologie zur Methanpyrolyse weiterentwickelt, um eine kosteneffiziente und klimafreundliche Produktion von Wasserstoff zu beschleunigen.
Und im März teilten die beiden Unternehmen auch mit, woher eigentlich das Methan kommen soll, das da zur Grundlage für türkisen Wasserstoff werden soll: aus Erdgas bzw. Bioerdgas, also dem Energieträger, mit dem die VNG sowieso schon zu tun hat. Nur wird dann das Erdgas nicht mehr verbrannt, sondern aufgespalten.
Wobei die angegebenen 5 GWh als Jahreslieferung noch nicht wirklich viel sind. Ein Block des Kohlekraftwerks Lippendorf gibt – zum Vergleich – im Jahr 6.000 GWh ab.
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