Dass unsere Landwirtschaft derart zum Klima- und Artenkiller geworden ist, hat auch mit der massiven Dominanz der Einzelhandelskonzerne zu tun. Sie sind so mächtig, dass sie den Bauern die Preise diktieren können. Das hat über Jahrzehnte dazu geführt, dass sich die Haltungsbedingungen der Tiere immer mehr verschlechterten, die Preise für Fleisch immer weiter fielen und immer mehr Bauern an die Existenzgrenze gedrängt wurden. Jetzt mehren sich die hoffnungsmachenden Versprechen aus den Konzernen.

Im Juni gab es die erste Meldung dazu: „Die beiden Einzelhandelsketten Aldi Nord und Aldi Süd gaben gemeinsam bekannt, dass sie bis 2025 vollständig auf Fleisch aus der Haltungsform eins, das sogenannte Billigfleisch, verzichten wollen“, berichtete der „Spiegel“.Und zu Recht durfte man vermuten, dass dem andere folgen würden, auch wenn ein Blick auf die Hompage des Rewe-Konzerns zeigt, dass man sich dort noch immer als Vorreiter der Branche sieht. Aber was man als Vorreiterrolle anpreist, ähnelt auf seltsame Weise dem deutschen Kohleausstieg – man tut so, als hätte das alles noch lange Zeit: „Doch damit nicht genug: Bis Ende 2030 strebt Rewe an, im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment (Schwein, Rind und Geflügel) ausschließlich Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten. Schon bis Ende 2023 soll in den Rewe-Märkten der Anteil der Eigenmarken-Geflügelprodukte mit Haltungsstufe 3 und 4 verdoppelt werden.“

Aber augenscheinlich haben auch hier die Bauernproteste zu einem Umdenken geführt. Denn noch zehn Jahre in diesem Trott, bedeutet das Aus für die meisten kleinen Bauern, die noch Tiere halten.

Das thematisierte am Dienstag, 24. August, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Denn mit Corona, den Skandalen in den Schlachtbetrieben und der Afrikanischen Schweinepest ist es zu einem regelrechten Stau in den Haltungsbetrieben gekommen. Die Bauern werden ihre Tiere nicht mehr los, die Preise sind im Keller und das alte Schlupfloch der Billigexporte in andere Länder funktioniert auch nicht mehr.

Das ganze auf Dumping und Kostendruck aufgebaute System ist gerade dabei, zusammenzubrechen, während gerade die Mitglieder der AbL darauf drängen, endlich wieder tiergerechte Haltungsformen umsetzen zu können, was aber nur funktioniert, wenn im Supermarkt Preise erzielt werden, die den tatsächliche Haltungs- und Umweltkosten auch entsprechen. Das Billigfleisch der Discounter ist einer der größten Klimakiller.

Und so stellt die AbL fest: „Der Markt für schweinehaltende Höfe ist massiv unter Druck. Seit eineinhalb Jahren sind die Schweinepreise für Erzeuger/-innen nicht mehr kostendeckend und liegen derzeit bei ruinösen 1,30 Euro je kg/Schlachtgewicht – bei gestiegenen Futterkosten. Die gesellschaftlichen Anforderungen an eine tierwohlgerechte und klimaverträgliche Tierhaltung halten an. Die Borchert-Kommission bietet sehr konkret eine wirtschaftliche Perspektive für Tierhalter/-innen. Die AbL fordert die Parteien auf, vor der Bundestagswahl Farbe zu bekennen zur Borchert-Kommission. Das Rewe-Bekenntnis löst die Problematik im Billigpreissystem offensichtlich nicht.“

Dieses „Bekenntnis“ veröffentlichte die Rewe-Group am 23. August, unter dem Titel „Stärkung heimischer Land­wirtschaft: Rewe-Group erhöht garantierten Mindest­preis für Schweine­bauern und stellt Schweine­fleisch auf deutsche Herkunft um“.

Dass in diesem „Bekenntnis“ noch lange kein Umdenken steckt (ein schnelles schon gar nicht), macht der Blick in die REWE-Meldung deutlich. Denn von wirklicher Kostendeckung steht da nichts: „Bereits Ende 2020 hatte die REWE Group den Schweinebauern zugesichert, auch weiterhin Beschaffungspreise bei Schweinefleisch zu zahlen, die dem Marktniveau vor Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest und dem damit zusammenhängenden völligen Zusammenbruch des Exportmarktes entsprechen. Ab September wird das Unternehmen diese zusätzlichen Zahlungen noch einmal erhöhen.“

„Die akute Krise der deutschen Schweinebauern hält unvermindert an, die Lage am Markt ist dramatisch. Mit unserem Bekenntnis zur deutschen Herkunft unseres Frischfleischsortiments im Bereich Schwein sowie der Erhöhung unserer Mindestpreis-Zahlungen, die wir bereits seit Ende 2020 kontinuierlich bereitstellen, bekräftigen wir einmal mehr unsere Zusagen für eine langfristige und nachhaltige Stärkung der heimischen Landwirtschaft“, meinte Hans-Jürgen Moog, Bereichsvorstand Einkauf der Rewe Group.

„Wir stehen zu unserem Wort und geben unseren Partnern verlässliche und sichere Perspektiven unter anderem bei Mengenabnahmen, bei der Vermarktung und bei den Preisen.“

Das ist aber nicht das, was jetzt tatsächlich fällig ist, erklärte am Dienstag Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Neuland-Schweinehalter:

„Mit jedem Schwein machen die Bäuerinnen und Bauern 50 Euro Verlust. Das halten viele Betriebe nicht mehr lange durch und das Höfesterben droht noch mal angeheizt zu werden. Der Vorstoß von Aldi, mehr Produkte mit deutlich mehr Tierwohl in den nächsten Jahren in den Regalen anbieten zu wollen, ist erst mal positiv zu bewerten. Aber wir Bäuerinnen und Bauern befürchten, dass der Lebensmitteleinzelhandel eine entsprechend höhere Honorierung für die dadurch entstehenden höheren Kosten auf den teilnehmenden Betrieben nicht im Blick hat.

Dazu liegt aber ein konkretes Finanzierungskonzept der Borchert-Kommission vor, die – im Gegensatz zum LEH-Vorstoß – den Umbau der gesamten Tierhaltung in Deutschland vorsieht. Die Borchert-Kommission zeichnet sich durch eine breite landwirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und wissenschaftliche Unterstützung aus. Wir fordern die Parteien vor der Bundestagswahl auf, konkret Farbe zur Borchert-Kommission zu bekennen, damit der Umbau-Prozess nicht ins Stocken gerät. Die tierhaltenden Betriebe brauchen jetzt dringend eine Perspektive.“

Dass Rewe sich da doch wieder nur ein buntes Fähnchen angesteckt hat, statt wirklich die Weichen umzustellen hin zu einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft und wirklich fairen Preisen für Bauern, kritisiert Schulz ziemlich deutlich:

„Das Rewe-Bekenntnis ist allenfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein. Trotz bisheriger Mindestpreiszusagen der Handelskette sind die Schweinepreise auf einem extrem niedrigen Niveau. Die angekündigte Umstellung auf Schweinefrischfleisch aus deutscher Herkunft mag gut gemeint sein, lenkt aber von der Tatsache ab, dass wir es viel zu oft mit einem Überschussproblem zu tun haben. Überschüsse dienen der Exportstrategie mit Billigprodukten. Um dem Preisverfall grundlegend etwas entgegenzusetzen, müssen wir uns als Branche von dem Paradigma ‚immer mehr und immer billiger produzieren‘ verabschieden. Das wird von der agrarindustriellen Vertretung gern verschwiegen.“

Und die Bauern werden auch nicht mehr aufhören zu demonstrieren, bis auch die Bundesregierung endlich die Kurve kriegt und eine Landwirtschaftspolitik betreibt, die nicht immer nur den Agrarfabriken zugutekommt, sondern tatsächlich den Bauern, die umwelt- und klimaschonend wirtschaften und auch tatsächlich wieder hochwertiges Fleisch in tiergerechter Haltung produzieren.

Natürlich wird Fleisch dann teurer. Und die Discounter haben einen großen Anteil daran, mit ihren „Preisschlachten“ den Konsumenten eine Preisvorstellung bei Fleisch und Wurst eingetrichtert zu haben, die mit einer umwelterhaltenden Landwirtschaft schlicht nicht zu vereinbaren ist.

Und so veranstaltet auch die AbL bundesweit die nächste Aktionswoche „Jeder Hof zählt – Perspektiven schaffen für Mensch, Tier, Klima und Umwelt“ vom 3. bis 10. September zur Bundestagswahl. Denn die Zeit der riesigen Agrarfabriken ist eigentlich vorbei. Landwirtschaft braucht die kleinteilige und regionale Produktion, in der auch alle Produktionsketten nachvollzogen werden können. „Für Klima- und Umweltschutz braucht es viele Bauernhöfe“, betont die AbL. Und – das kann man hinzufügen – viele Bauern, die auch wissen, was sie tun.

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