Natürlich ist es kein umfassendes Bild, das die sächsische Kreativwirtschaft jetzt zu Beginn des Jahres bei der Erfassung der Lage der kreativ tätigen Selbstständigen in Deutschland und Sachsen gewinnen konnte. Aber wo offizielle Zahlen fehlen helfen auch online angefragte Selbstauskünfte, zumindest eine Ahnung zu bekommen davon, wie es Solo-Selbstständigen gerade geht.
An der Befragung durch das Netzwerk Promoting Creative Industries und den Bundesverband Kreative Deutschland nahmen 2.006 Selbständige aus dem gesamten Bundesgebiet im Zeitraum 13. Januar bis zum 14. Februar 2021 teil, die sich der Kultur- und Kreativwirtschaft zuordnen, darunter 74 % Solo-Selbstständige und 13 % Selbstständige, die (auch) mit anderen Selbstständigen im Verbund arbeiten.Aus Sachsen steuerten über 200 Kreative ihre Antworten bei, sodass auch für den Freistaat zumindest ein skizzenhaftes Bild entsteht, wie es Kreativen hier seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr geht.
Das Netzwerk Kreatives Sachsen fasst die Ergebnisse so zusammen:
83 % der Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft geben an, dass die Krise im Jahr 2020 sehr negative oder eher negative Auswirkungen auf ihre Selbstständigkeit hatte.
Der Kultur- und Kreativwirtschaft droht ein Braindrain.
Selbstständige haben substantiell Rücklagen aufgezehrt.
Selbstständige erwarten eine wirtschaftliche Erholung erst für das Jahr 2022.
Die Coronakrise war ein Booster für Kooperationen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft und hat der Branche einen Digitalisierungsschub verliehen.
Gründer/-innen blicken (noch) pessimistischer in die Zukunft und haben sich im vergangenen Jahr öfter eine abhängige Beschäftigung gesucht als Selbstständige, die schon länger am Markt sind.
52 % der Selbstständigen in der Kultur- und Kreativwirtschaft sehen ihre wirtschaftliche Existenz stark oder sehr stark gefährdet.
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Braindrain bedeutet: 29 % der Kreativen spielen mit dem Gedanken, ihre Selbstständigkeit aufzugeben und eine angestellte Tätigkeit aufzunehmen. 67 % der Befragten gaben an, ihre Rücklagen aufgezehrt zu haben. Und während 14 % der Kreativen in Deutschland den sogenannten vereinfachten Zugang zur Grundsicherung in Anspruch genommen haben, mussten in Sachsen über 26 Prozent der Befragten diesen Weg wählen, um existenziell über die Runden zu kommen.
Nur 34 % mussten keine Hilfen in Anspruch nehmen. Was auch daran liegt, dass unterschiedliche Branchen unterschiedlich hart getroffen waren von den Einschränkungen in Kultur und Wirtschaft. Was trotzdem bedeutet, dass 78 % der Befragten 2020 Umsatzrückgänge verkraften mussten, nur 19 % hatten stabile Einnahmen und 4 % steigende Umsätze.
Die Hauptbetroffenen: Von Umsatzrückgängen sind besonders stark die Musikwirtschaft, die Darstellenden Künste und das Kunsthandwerk betroffen. Und 49 % der befragten Selbstständigen geben an, sehr stark oder stark in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht zu sein.
Am 1. April kündigte der Bund zwar eine Neustarthilfe an, aber da sind die Modalitäten noch nicht geklärt. Trotzdem kann man davon ausgehen, dass ein Teil der Kreativszene auch in Sachsen nach Corona verschwunden sein wird. Und wer sich durchgebissen hat, wird lange brauchen, um die entstandenen Verluste wieder auszugleichen.
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