Mit Milliarden Euro will sich die Bundesregierung das Abschalten der deutschen Kohlekraftwerke bis 2038 erkaufen โ in einem Zeitraum, in dem sowieso die meisten Kohlemeiler ihre Betriebserlaubnis verloren hรคtten. Nun wird diese spendable Beihilfe fรผr Kohlekonzerne zum Problem. Denn die EU-Kommission hat am Dienstag, 2. Mรคrz, eine Untersuchung dieser Entschรคdigungen fรผr RWE und LEAG eingeleitet.
Statt dieses Geld wirklich in Klimaschutz zu investieren, wird damit den Besitzern der Kohlekraftwerke auch noch das wirtschaftliche Risiko genommen.Insbesondere die Energiekonzerne RWE und LEAG sollen diese โPrรคmienโ fรผr den Kohleausstieg bekommen. Und nicht nur Umweltschutzaktivisten fragten sich dabei, warum die Bundesregierung auch noch so viel Geld drauflegt, wenn die Laufzeiten der meisten Kohlekraftwerke sowieso schon in der Frist bis 2038 enden.
Aber es gab da so einen Verdacht.
Nach einer aktuellen Untersuchung des Journalistenkonsortiums โInvestigate Europeโ sollte die hohe Entschรคdigung kรผnftige Ansprรผche aus dem wenig bekannten Investitionsabkommen โEnergiecharta-Vertragโ ausgleichen. Die Journalisten kalkulieren, dass die Bundesregierung dem LEAG-Konzern eine Entschรคdigung angeboten hat, die etwa 50 Mal hรถher war als die der Einschรคtzung vom Wirtschaftsministerium nach entstehenden Folgekosten durch den Ausstieg.
Der erste Energiekonzern, der die Bundesregierung auf Grundlage dieses รถffentlich kaum bekannten Energiecharta-Vertrags verklagte, war der schwedische Staatskonzern Vattenfall.
Hier fรคllt der EU ihre รผber Jahrzehnte gepflegte konzernfreundliche Politik auf die Fรผรe, die ja nicht nur in der Energiecharta festgehalten ist und betroffenen Konzernen milliardenschwere Klagen ermรถglicht, sondern auch in vielen Freihandelsvertrรคgen. Hier werden demokratische Entscheidungen einfach ausgehebelt, weil die EU den Konzernen und Anlegern Klagerechte direkt gegen politische Entscheidungen einrรคumt.
Logisch, dass die Klimapolitik wie festgefahren ist.
โWenn die Bundesregierung allein aus Angst vor mรถglichen Klagen Milliarden an Steuergeldern als Entschรคdigung an fossile Unternehmen flieรen lรคsst, ist das ein Skandalโ, kommentiert das Anna Cavazzini, sรคchsische Europaabgeordnete von Bรผndnis 90 / Die Grรผnen. โIn Sachsen sind wir mit den Entschรคdigungen fรผr den LEAG-Konzern direkt betroffen, da dringende benรถtigte Gelder fรผr Klimaschutz an fossile Unternehmen ausgezahlt werden, die immer noch nicht bereit sind zu akzeptieren, dass die Klimakrise ein anderes Wirtschaften erfordert.โ
Nach Ansicht der EU-Kommission kรถnnten die Ausgleichszahlungen gegen die EU-Vorschriften fรผr staatliche Beihilfen verstoรen. In ihrer Begrรผndung fรผr die Einleitung der Untersuchung hob die Kommission insbesondere Bedenken hinsichtlich der sehr weit in die Zukunft reichenden Entschรคdigung fรผr entgangene Gewinne und der unklaren Methoden zur Berechnung der Hรถhe der entgangenen Gewinne hervor.
Der Kohleausstiegsvertrag zwischen dem Bund und den Energiekonzernen enthรคlt folgenden Paragrafen: โDie Vertragsparteien sind sich einig, dass die Gesellschaften auf Forderungen und Ansprรผche aus dem Energiecharta-Vertrag verzichten.โ Laut den Journalisten von โInvestigate Europeโ habe die Regierung LEAG auch so viel Geld gezahlt, weil sie Angst vor einer Energiecharta-Klage hatte.
Der Energiecharta-Vertrag (ECT) schรผtzt derzeit Investitionen in fossile Energien. Er ermรถglicht durch Schiedsverfahren Klagen gegen Staaten, die den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vorantreiben. Erst Anfang 2021 geriet der Vertrag wieder in die รffentlichkeit, da der Energiekonzern RWE Anfang Februar eine Klage gegen die Niederlande auf Entschรคdigung in Milliardenhรถhe wegen ihres Kohleausstiegs eingereicht hat โ auf Grundlage des im Energiecharta-Vertrag enthaltenen Investitionsschutzes.
In dieser Woche findet aber auch eine Verhandlungsrunde zur Modernisierung des ECT statt. Die EU wird einen Vorschlag zur รnderung der Definition der unter den Vertrag fallenden Wirtschaftstรคtigkeiten vorlegen. Das wรผrde ein teilweises Auslaufen des Schutzes von Investitionen in fossile Brennstoffe ermรถglichen, so Cavazzini. Aber eine erfolgreiche Reform ist angesichts der erforderlichen Einstimmigkeit der Vertragsmitglieder sehr unwahrscheinlich.
โDer Energiecharta-Vertrag verkรถrpert die fossile รra, die zu Ende gehen muss. Der Schutz aller Investitionen in fossile Brennstoffe muss sofort aus dem Vertrag entfernt werden, wenn es der EU mit ihren Klimazielen ernst istโ, betont Anna Cavazzini. โWir mรผssen der Realitรคt ins Auge sehen. Es ist hรถchste Zeit, uns darauf vorzubereiten als Bundesregierung Deutschland und auch EU aus dem Vertrag auszutreten. Einige andere Mitgliedstaaten wie Frankreich und Spanien fordern dies bereits seit lรคngerem.โ
รber 280 Parlamentarier aus ganz Europa fordern einen Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag, wenn die Bestimmungen รผber fossile Brennstoffe nicht sofort entfernt werden. Das Forderungspapier hat Anna Cavazzini auf ihrer Homepage verรถffentlicht.
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