Wie sagte doch Dr. Gerd Lippold im Juni 2019 so schön? „Hätte Wirtschaftsminister Dulig sich in seiner Amtszeit für die Energiewende auch nur ansatzweise so engagiert gezeigt wie für die Interessen der Braunkohlenwirtschaft, dann könnte er heute auf Erfolge verweisen. Stattdessen steht Sachsen jetzt mit leeren Händen da. Duligs neues Positionspapier ändert daran gar nichts und kommt viel zu spät.“ Damals war er noch Grünen-Landtagsabgeordneter und nicht für den Kohleausstieg zuständiger Staatssekretär im Umweltministerium. Aber wer ist eigentlich für den Kohleausstieg in Sachsen wirklich zuständig?
Das ist auch ein Jahr nach Antritt der Koalition aus CDU, Grünen und SPD nicht so recht klar. Denn wenn Landtagsabgeordnete anfragen, wie es um die Kohlezukunft wirklich aussieht, antwortet nach wie vor Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) und zwar genauso ausweichend wie die fünf Jahre zuvor.
So wie jetzt auch wieder, als die Landtagsabgeornete der Linkspartei Antonia Mertsching wissen wollte, wie es um das Abbaufeld unter dem sorbischen Dorf Mühlrose steht, wo der Kohlekonzern LEAG ja nun seit Jahren so tut, als wäre alles in trockenen Tüchern, das Dorf könne abgerissen werden. Und der Konzern hat ja schon mit dem Abriss der Gebäude begonnen, die er den zum Wegzug Bereiten abgekauft hat.
Nur von der Kohle unterm Dorf gehört der LEAG noch gar nichts. Stattdessen hat nun auch noch ein Gutachten der Beratungsgesellschaft Ernst & Young für den Bundeswirtschaftsminister ergeben, dass die Kohle unterm Dorf nicht einmal dann gebraucht wird, wenn die Kraftwerke in der Lausitz bis 2038 weiter befeuert werden.
Was trotzdem fürs Klima eine Katastrophe ist, genauso wie der ganze faule Kohlekompromiss der Bundesregierung, der den Ausstieg nur minimal nach vorn verlegt hat. In der Landtagsanhörung im Sommer hatte Dr. Pao-Yu Oei, Leiter einer Forschungsgruppe an der TU Berlin und am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, noch viel deutlichere Worte gefunden. Denn egal, wie man den Ausstieg rechnet: Die Kohle unter Mühlrose wird nicht gebraucht.
Eigentlich würde hier die Sorgfaltspflicht der Regierung für ihre Bürger, für Klima und Landschaftserhalt greifen. Doch Martin Dulig weicht der Frage von Antonia Mertsching mit der mittlerweile bekannten Begründung aus: Die Regierung sei „lediglich in solchen Angelegenheiten zur Auskunft verpflichtet, die in ihre Zuständigkeit fallen und muss nicht auf Fragen eingehen, die außerhalb ihres Verantwortungsbereichs liegen. Letzteres ist hier der Fall, denn die Frage betrifft ausschließlich Tätigkeiten, die von Privaten in eigener Zuständigkeit wahrgenommen werden.
Konkret betrifft das die Lausitz Energie Bergbau AG im Zusammenhang mit der Ortschaft Mühlrose. Diese Private nimmt im Hinblick auf den nachgefragten Sachverhalt keine öffentlichen Aufgaben wahr. Ferner bestehen keine vertraglichen Beziehungen der Staatsregierung zu der Privaten im Hinblick auf den nachgefragten Sachverhalt. Die Staatsregierung verfügt weder über die Bergbauberechtigung an unter dieser Ortschaft befindlichen Bodenschätzen noch über Genehmigungen zum Abbau derselben. Sie beabsichtigt ebenfalls nicht, zukünftig in diesen Zusammenhängen tätig zu werden.“
Und dieselbe ausweichende Haltung nimmt der zuständige Energieminister auch ein, wenn Mertsching nach der jüngsten Landtagsanhörung fragt: „Das Instrument der öffentlichen Anhörung wird in § 38 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtags geregelt. Ausschüsse können demnach beschließen, ,öffentliche Anhörungen von Sachkundigen zur Information über einen Beratungsgegenstand durchzuführen.‘ Die Informationen der Sachkundigen werden dann in die Willensbildung des Landtags einbezogen. Die Staatsregierung gibt im Regelfall vor der Anhörung eine Stellungnahme zum Beratungsgegenstand ab, ist aber an der weiteren Willensbildung des Landtags nicht beteiligt. Schlussfolgerungen zum Beratungsgegenstand aus den Informationen der Sachkundigen obliegen dem Landtag.“
Aussagen, die im Grunde Gerd Lippolds Kritik von 2019 bestätigen. Und die so auch nicht stimmen. Denn der Freistaat ist sehr wohl zuständig für die Genehmigung von Abbaumengen und für die Kontrolle der einzuhaltenden Auflagen. Er ist nicht einfach aus dem Spiel, weil er einem Privaten die Genehmigung zum Kohleabbau erteilt hat.
Und auch auf die fünfte Frage von Antonia Mertsching weicht Dulig aus. Die lautete: „Welche Schlussfolgerung zieht die Staatsregierung aus den vereinbarten Kohlemengen im Rahmen des Kohleausstiegsgesetz für den Erhalt der Orte Pödelwitz, Obertitz und Mühlrose?“
Martin Dulig: „Die im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes vereinbarten Kohlemengen sind von den Tagebaubetreibern im Rahmen ihrer bergbaulichen Vorhaben zu bewirtschaften. Insofern handelt es sich in erster Linie um Konsequenzen für die Unternehmen. In der Folge ist von der zuständigen Bergbehörde darauf zu achten, dass entsprechend der Anpassungen der Geschäftsmodelle auch Anpassungen der Vorsorgekonzepte erforderlich werden. Inwieweit sich aus den vereinbarten Kohlemengen im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes Veränderungen für den Status der Orte Pödelwitz, Obertitz und Mühlrose ergeben werden, ist nicht bekannt. Des Weiteren wird auf die Stellungnahme der Staatsregierung zur Drucksache 7/2099 verwiesen. Über die Stellungnahme hinaus gibt es keinen neuen Sachstand.“
Nur eines steht fest, und daran hat sich nichts geändert: Wenn die LEAG an die Kohle unter Mühlrose will, muss der Konzern ein neues Revierkonzept vorlegen, in dem nicht nur der Bedarf an dieser Kohle begründet wird, sondern dem auch eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung vorgeschaltet ist. Solange es beides nicht gibt, darf die LEAG die Kohle unter Mühlrose nicht anfassen.
Martin Dulig: „Dem Sächsischen Oberbergamt liegt kein neues Revierkonzept vor. Ein Zeitpunkt für die Vorlage eines neuen Revierkonzeptes wurde seitens der LEAG bisher nicht avisiert.“
Da die LEAG kein neues Revierkonzept vorgelegt hat, arbeitet der Konzern weiter nach dem alten aus Vattenfall-Zeiten, das die Kohle unter Mühlrose nicht umfasst. Und je eher auch in der Lausitz die Kohlemeiler ausgehen, umso weniger Kohle wird gebraucht. Und auf Volllast wird auch in der Lausitz kein Kraftwerk mehr durcharbeiten. Schon gar nicht, wenn wir immer mehr heiße und sonnenreiche Jahre bekommen, in denen Strom aus erneuerbarer Energie die fossilen Lieferungen überflüssig macht.
Der Umsiedlungsvertrag begründet überhaupt nicht, dass die LEAG an die Kohle unter Mühlrose darf + Update
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Nun ja, gleichzeitig wissen wir aber auch, dass der Ausbau der Windenergie – vor allem in Sachsen – stark stagniert.
Wenn nun die Atommeiler – wie bereits beschlossen – bald alle ausgeschaltet werden: wer soll die fehlenden Strommengen dann konventionell erzeugen?
Diese Entwicklung spielt Braunkohle & Co in die Hände.