Noch ist der deutsche Kohleausstieg nicht gegessen, trotz Kohleausstiegsgesetz. Denn der Kompromiss ist kein Kompromiss. Selbst das, was die Kohleausstiegskommission ausgehandelt hatte, wurde darin wieder aufgeschnürt, den Kohlekonzernen wurde mit Milliardenversprechen entgegengekommen. Und so wie das Ganze gestrickt ist, könnte es eine nach EU-Recht verbotene Subvention sein. Deswegen hat Greenpeace Energy am Dienstag bei der Europäischen Kommission Beschwerde eingelegt.

Konkret hat der Ökoenergieanbieter Greenpeace Energy am Dienstag, 1. September, bei der Europäischen Kommission Beschwerde gegen die im Rahmen des Kohleausstiegs geplanten Entschädigungszahlungen eingelegt. In ihrer Beschwerdeschrift warnt die Energiegenossenschaft vor negativen Auswirkungen auf den Klimaschutz sowie vor Wettbewerbsnachteilen für Erneuerbare Energien und Ökostromversorger.

„Wenn die Bundesregierung die Betreiber von Kohlekraftwerken mit hohen Summen aus Steuergeldern entschädigt, dann ist das aus unserer Sicht eine unerlaubte Beihilfe“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand bei Greenpeace Energy. „Brüssel darf dem Plan nicht zustimmen, dass Deutschland Konzernen wie RWE und LEAG einen Kohleausstieg im Schneckentempo vergoldet und damit am Ende auch noch der Energiewende und dem Klimaschutz schadet.“

Konkret kritisiert Greenpeace Energy, dass die Regelungen zu den Entschädigungszahlungen dazu führen, dass fossile Kraftwerke erst später abgeschaltet werden, als dies unter reinen Marktbedingungen der Fall wäre. Betreiber von Steinkohlekraftwerken können sich nämlich in Ausschreibungen um sogenannte „Stilllegungsprämien“ bewerben.

Diese erhalten sie aber nur, wenn sie ihre Kraftwerke bis zu einem Zuschlag in der Ausschreibung weiterlaufen lassen – was etliche Monate oder sogar Jahre dauern kann. Die Hoffnung auf diese Millionenzahlungen ist ein Anreiz, selbst unwirtschaftliche Kohlekraftwerke weiterzubetreiben.

„Es ist wirklich paradox, dass die Bundesregierung hier falsche Anreize setzt, die den Kohleausstieg eher verlangsamen, als ihn zu beschleunigen. Das Ganze ist ein Bärendienst für den Klimaschutz“, kritisiert Sönke Tangermann. Resultat dieses „Fehlers im System“ ist laut Analyse von Greenpeace Energy, dass insgesamt deutlich mehr klimaschädliche Kraftwerke länger am Netz bleiben. Das hat auch negative Folgen für die Energiewende in Deutschland: Das Mehr an Kohlestrom dämpft den Marktwert von Erneuerbaren Energien und schwächt die Wirtschaftlichkeit neuer Ökokraftwerke.

Dies benachteilige auch Ökostromanbieter wie Greenpeace Energy, die weit vor der Verabschiedung des Kohleausstiegsgesetzes langfristige Lieferverträge mit Windparks und Photovoltaikanlagen abgeschlossen haben, um sauberen Strom für ihre Kundinnen und Kunden zu beschaffen. Im Rahmen dieser sogenannten „Power Purchase Agreements“ (PPA) gelten fixe Abnahmepreise für den grünen Strom. Solche Verträge ermöglichen, dass die Öko-Kraftwerke auch ohne staatliche Förderung weiterlaufen können. Sie sind deshalb für die Energiewende und Klimaschutz besonders wichtig.

Die Europäische Kommission befasst sich derzeit mit den von Bundesregierung und Kohlekraftwerksbetreibern vereinbarten Entschädigungszahlungen im Rahmen des deutschen Kohleausstiegs. Beobachter erwarten hierzu in den kommenden Wochen eine Entscheidung. Die Kompensationen sind auch in Deutschland umstritten. Für den 7. September ist im Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie eine Anhörung zum Thema geplant.

Dabei geht nicht einmal die EU-Kommission davon aus, dass in Deutschland erst 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz geht. Denn nicht nur Steinkohlekraftwerke werden schon in den nächsten Jahren unrentabel und produzieren rote Zahlen, während der Strom aus Sonne und Wind immer preiswerter wird. Der ganze Kohlekompromiss wirkt wie ein Versuch, die alten Meiler noch am Netz zu halten und die Kraftwerksbetreiber mit den Vergütungen fürs Abschalten zum Dranbleiben zu bewegen.

Der Anfang 2020 bekannt gegebene Ausstiegspfad hat nicht mehr viel mit dem Kompromiss aus der Kohlekommission zu tun. Die meisten Kraftwerke bleiben so lange am Netz, wie auch ihre ursprüngliche Laufzeit berechnet war. Und fürs Abschalten gibt es dann auch noch Vergütungen. Eine zumindest sehr seltsame Logik, wenn selbst in den Kohlekonzernen klar ist, dass die Rentabilität der Meiler schon in wenigen Jahren nicht mehr gegeben sein wird. Also feuert man weiter, obwohl jeder Sachverstand sagt, dass man den Ofen lieber ausgehen lässt?

Die detaillierte Argumentation zur wirtschaftlichen Betroffenheit von Greenpeace Energy findet man hier.

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