Geschrieben hat das Gutachten die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young schon im Juni, bekannt wurde es erst am jetzigen Wochenende. Im Auftrag der Bundesregierung hat Ernst & Young die Plausibilität der Abbaupläne der LEAG in der Lausitz geprüft – insbesondere die von der LEAG behauptete Notwendigkeit zum Abbau der Kohle unter dem Dorf Mühlrose. Aber seit der Kohleausstieg beschlossen wurde, sind die Abbaupläne noch weniger plausibel. Der Revierplan der LEAG entspricht nicht (mehr) der Realität, kritisieren die Grünen. Dabei hatte die LEAG extra einen neuen geschrieben.
Zum am Wochenende bekannt gewordenen Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, die den Revierplan der LEAG für die vier genehmigten Tagebaue Jänschwalde, Welzow-Süd, Nochten und Reichwalde im Auftrag der Bundesregierung überprüft hat, erklärt deshalb Dr. Daniel Gerber, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag: „Im sächsischen Koalitionsvertrag (im Abschnitt ,Energie und Klimaschutz‘, Abschnitt ,Braunkohle‘, Seite 40/41, d. Red.) ist eindeutig festgehalten, dass für die Tagebaue in der Lausitz keine Flächen in Anspruch genommen oder abgesiedelt werden dürfen, die für den Betrieb der Kraftwerke im Rahmen des Kohlekompromisses nicht auch zwingend benötigt werden. Das Gutachten von Ernst & Young macht deutlich, dass die aktuelle Revierplanung der LEAG dieser Vereinbarung nicht entspricht.“
Zudem stütze das Gutachten die Überzeugung der Grünen, dass die LEAG die Kohle unter Mühlrose nicht benötigt, um den Weiterbetrieb bis zum Kohleausstieg 2038 zu garantieren.
„Wir Bündnisgrüne erwarten deshalb zeitnah ein neues Revierkonzept, das den Erhalt von Mühlrose und anderer Ortslagen vorsieht“, erklärt Dr. Daniel Gerber. „Das Schaffen vollendeter Tatsachen verbietet sich: Es gibt keine Rechtfertigung für Abrissarbeiten im sorbischen Kulturgut von Mühlrose, solange weder fundierte Analysen des tatsächlichen Kohle-Restbedarfs im Tagebau Nochten noch eine eigene neue Revierplanung der LEAG entsprechend des Kohleausstiegsgesetzes vorliegen. Darüber hinaus muss in den Planungen der Abbau von jedem unnötigen Gramm Kohle ausgeschlossen werden. Die Anwohnerinnen und Anwohner der betroffenen Kohleabbaugebiete brauchen jetzt endlich Planungssicherheit.“
Das Gutachten von Ernst & Young macht auch deutlich, wie die LEAG die geplanten Kohleabbaumengen drastisch erhöht hat, nachdem sie 2016 das komplette Revier von Vattenfall übernommen hat. Der Revierplan von Vattenfall sah nur 877 Millionen Tonnen Braunkohle zum Abbau bis zur Stilllegung der Kraftwerke in der Lausitz vor, ein Wert, den Ernst & Young aus Plausibilitätsgründen sogar auf 810 Millionen Tonnen absenkt.
Doch die LEAG beschloss im Aufsichtsrat, den alten Revierplan zu canceln und einen neuen aufzulegen, dem ein Betrieb der Kraftwerke bis über 2040 hinaus – und das unter Volllast – zugrunde liegt. Mit diesem 2017 beschlossenen Revierkonzept erhöhten sich die geplanten Braunkohlemengen auf 1.031 Millionen Tonnen (aus Sicht von Ernst & Young: 936 Tonnen.)
Zahlen, die eigentlich 2020 hinfällig sind, seit der planmäßige Kohleausstieg auch in der Lausitz bis 2038 beschlossen wurde. Dafür hat die LEAG überhaupt kein Konzept. Ernst & Young rechnet in diesem Fall nur noch mit 797 Millionen Tonnen benötigter Kohle.
Und da ist die Erweiterung des Tagebaus Nochten um das Abbaufeld unter Mühlrose nicht dabei. Das würde die abbaufähigen Mengen um 145 Millionen Tonnen erhöhen.
Die selbst aus Sicht von Ernst & Young nicht gebraucht werden bis auf eine winzige Menge von fünf Millionen Tonnen, die aber auch nur anfallen, wenn die alten Kohlemeiler wirklich bis zuletzt unter Volllast fahren. Was schlicht unvorstellbar ist. Eher geht auch Ernst & Young davon aus, dass die Kraftwerksblöcke schon viel früher vom Netz gehen, weil sich die Kohle einfach nicht mehr rentabel verfeuern und der Strom nicht mehr verkaufen lässt.
Das Ergebnis fasst das Gutachten so zusammen: „Im Ergebnis hat die LEAG Ihre langfristige Unternehmensplanung mit Verabschiedung des Revierkonzeptes am 30.03.2017 auf die Rahmenbedingungen dieses Konzeptes umgestellt. Damit liegt der planmäßig zu fördernde Kohlebedarf durch Erschließung des Sonderfeldes Mühlrose nach unseren Plausibilitätsüberlegungen um 126 Mio. t über dem im Verkauf vom Voreigentümer Vattenfall im Verkaufsszenario 1A geplanten Kohlebedarf und um 139 Mio. t über dem Kohlebedarf im Ausstiegsszenario gemäß der Bund-/Länder-Einigung. Bei einem Vorziehen der Stilllegung der Blöcke Boxberg Q und R sowie Schwarze Pumpe A und B um drei Jahre (2035 statt 2038) ergibt sich gegenüber dem Revierkonzept 2017 ein um 199 Mio. t. geringerer Kohlebedarf.“
Dass Mühlrose überhaupt im Revierkonzept der LEAG auftauchte, macht nur deshalb Sinn, weil die LEAG die Blöcke Boxberg R und Q sogar bis 2045 weiterbetreiben wollte, Schwarze Pumpe A und B bis 2044, Jahreszahlen, die seit dem beschlossenen Kohleausstieg obsolet sind.
Und augenscheinlich hat Ernst & Young in den Unterlagen der LEAG auch keine Optionen gefunden, die überhaupt in Erwägung ziehen, dass die Kraftwerksblöcke schon lange vor der Stilllegung nicht mehr unter Volllast arbeiten würden. Ernst & Young hat deshalb extra eigene Berechnungen mit Volllast angestellt und kommt auf deutlich geringere Kohlemengen als die LEAG.
Was Ernst & Young eigentlich zu einem sehr nüchternen Fazit bringt: „Die von uns im Rahmen der Plausibilitätsüberlegungen ermittelten Kohlemengen erreichen nicht die Höhe der verfügbaren und genehmigten Mengen in den einzelnen Szenarien. Dabei decken sich die zugrunde gelegten Kohlevorräte der Tagebaue mit den Angaben aus öffentlichen Studien.“ Gemeint ist hier die vom Öko-Insitut 2017 für die Agora Energiewende erstellte Studie „Die deutsche Braunkohlenwirtschaft“.
Und welche Rolle die angesetzten Volllaststunden spielen, merkt Ernst & Young auch an: „Die Unterschiede der von uns berechneten Kohlemengen zu den Mengen des Öko-Instituts und der LEAG ergeben sich im Wesentlichen durch die Annahmen für Volllaststunden. Die Annahmen für die Höhe der Volllaststunden liegen im Rahmen üblicher Bandbreiten. Die unter unseren Annahmen ermittelten Kohlemengen ließen etwas längere Kraftwerkslaufzeiten in den Szenarien zu.“
Die LEAG-Annahmen über die benötigten Kohlemengen sind also um mehrere Millionen Tonnen zu hoch. In einer realistischen Planung, die die Rahmenbedingungen des Kohleausstiegs ernst nimmt, würden selbst bei den jetzt schon genehmigten Kohlemengen über 50 Millionen Tonnen in der Erde bleiben können.
Logisch, dass Dr. Daniel Gerber bei so einer Bilanz feststellt: „Wer aus der Kohle aussteigt, kann nicht mehr begründen, dass den Braunkohletagebauen Dörfer zum Opfer fallen müssen. Sollten die Kohlekonzerne dies dennoch versuchen, werden sie gerichtlich scheitern.“
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