Wรคhrend die Welt mitten in einer sich zuspitzenden Klimakrise steckt und erneuerbare Energien im Frรผhjahr neue Rekorde bei der Stromproduktion verzeichneten, droht ausgerechnet jetzt ein radikaler Abriss aller Bemรผhungen. Denn bei Solar- und Windenergie greifen ausgerechnet jetzt die Instrumente, die fรผr beide Technologien in Deutschland das Ende bedeuten, wenn Bund und Lรคnder nicht endlich handeln. Am Montag reichten die deutschen Solarunternehmen Verfassungsbeschwerde ein. Und in Sachsen droht sogar der Rรผckbau der Windkraftkapazitรคt.

Die Verfassungsbeschwerde der Solarunternehmen war รผberfรคllig: Bereits im Herbst 2019 hat die Bundesregierung im Rahmen des Klimaschutzpakets angekรผndigt, den Solardeckel zu entfernen, im Anschluss jedoch keine entsprechende Gesetzesรคnderung auf den Weg gebracht. Trotz zahlreicher weiterer Ankรผndigungen im Frรผhjahr sowie der jรผngsten Einigung der Fraktionen beider Koalitionspartner Mitte Mai, ist weiterhin keine Gesetzgebung der Bundesregierung erfolgt.

Nach der erneuten Ankรผndigung im Rahmen des Konjunkturpaketes zur Bekรคmpfung der Corona-Folgen bleibt nun nur noch eine Chance, den Solardeckel mit einem Gesetzt tatsรคchlich abzuschaffen. Sollte diese Chance wieder verstreichen, folgt die Sommerpause und der Deckel wird zuschlagen.

Worum geht es bei diesem โ€žDeckelโ€œ? โ€“ โ€žDerzeit ist die Fรถrderung von Fotovoltaikanlagen bis 750 Kilowatt auf eine Gesamtkapazitรคt von 52 Gigawatt beschrรคnkt. Dieser Wert dรผrfte im Laufe des Sommers erreicht werden. Bleibt es bei der Deckelung, dรผrfte sich laut BSW der Solarmarkt mehr als halbieren. Schon eine vorรผbergehende Fรถrderunterbrechung wรผrde massive Schรคden in der Solarwirtschaft verursachen, warnte der Branchenverbandโ€œ, schreibt der โ€žSpiegelโ€œ dazu.

Dass gleichzeitig der Windkraftausbau zum Erliegen kommt, klingt dann schon wie gewollt. Denn wenn weniger Windstrom produziert wird, kรถnnen ja die schmutzigen Kohlemeiler lรคnger am Netz bleiben.

Ein hochaktuelles Thema fรผr Sachsen, wie der Bundesverband WindEnergie e. V. (BWE) Sachsen jetzt feststellt.

In den nรคchsten beiden Jahren werden in Sachsen wahrscheinlich mehr Windenergieanlagen abgebaut, als neue hinzukommen. Darauf verweist die Branche unter Berรผcksichtigung der aktuellen Ausschreibungsergebnisse, der schleppenden Fortschreibung der Regionalplรคne und der Genehmigungslage. โ€žDie Situation der Windenergie in Sachsen ist dramatischโ€œ, erklรคrt Prof. Martin Maslaton, Vorsitzender des Bundesverbandes WindEnergie (BWE) in Sachsen. Will die Landesregierung ihre Klimaziele erreichen, muss sie reagieren. Und zwar jetzt.

Windenergie in Sachsen: Riesige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit

In den nรคchsten beiden Jahren werden in Sachsen wahrscheinlich mehr Windenergieanlagen abgebaut, als neue hinzukommen. Darauf verweist die Branche unter Berรผcksichtigung der aktuellen Ausschreibungsergebnisse, der schleppenden Fortschreibung der Regionalplรคne und der Genehmigungslage.

Fรผr ihre engagierten Klimaziele will die sรคchsische Landesregierung noch in dieser Legislaturperiode 200 bis 250 neue Windenergieanlagen errichten. โ€žVon dieser Zielvorgabe sind wir meilenweit entferntโ€œ, betont Maslaton. โ€žWir mรผssen derzeit davon ausgehen, dass bis 2022 sogar weniger Windenergie in Sachsen ans Netz angeschlossen sein wird als heute.โ€œ

Grund ist, dass ab Ende dieses Jahres viele Windenergieanlagen aus der EEG-Vergรผtung fallen, die 20 Jahre oder รคlter sind. Die Zukunft der meisten dieser Anlagen ist noch nicht geklรคrt, viele werden umweltvertrรคglich abgebaut. Das betrifft Ende 2020 erstmals 354 Anlagen mit einer Leistung von 273 Megawatt (MW). Bis Ende 2024 fallen dann insgesamt 626 Anlagen mit einer Leistung von 637 MW aus der EEG-Vergรผtung.

Auch beim Zubau ist nach dem schlechten Jahr 2019 keine Besserung in Sicht. โ€žSchon heute kรถnnen wir absehen, dass auch 2020 nur wenige neue Anlagen in Sachsen errichtet werdenโ€œ, so Maslaton. Das ergibt sich aus den Ausschreibungsergebnissen von 2019: Nur drei Gebote aus Sachsen mit einem Gesamtvolumen von 5,5 MW hatten einen Zuschlag in den bundesweiten Ausschreibungen erhalten. Nach dem Zuschlag kann eine Anlage dann in der Regel innerhalb der nรคchsten 24 Monate errichtet werden.

Im Jahr 2017 wurden in Sachsen rund 2,16 TWh/a Windenergie erzeugt. Im Lรคndervergleich liegt Sachsen damit auf einem der letzten Plรคtze. Der Ausbau der Windenergie ist in den vergangenen Jahren nahezu zum Erliegen gekommen, 2019 wurden in Sachsen gerade einmal fรผnf Windenergieanlagen neu errichtet.

Gleichzeitig hat die Koalition engagierte Ziele fรผr den Schutz des Klimas und den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Sachsen ausgegeben und setzt dabei vor allem auf Windenergie. Laut Koalitionsvertrag soll sich das Energie- und Klimaprogramm Sachsen (EKP) an โ€žeinem zusรคtzlichen Ausbau von 10 Terawattstunden (TWh) Jahreserzeugung aus erneuerbaren Energien bis 2030 orientieren. Fรผr 2024 orientieren wir uns an einem Zubau-Zwischenziel von 4 TWh, von dem der Hauptteil durch Windenergie gewonnen werden soll.โ€œ

Ein Zubau um knapp 4 TWh/a Windenergie bis 2024 wรคre deutlich mehr als eine Verdopplung der bisher insgesamt in Sachsen installierten Windenergie. Aus der Genehmigungssituation und den Ausschreibungsergebnissen wird deutlich, dass bis Ende 2021 netto allerdings eher mit einem Rรผckbau gerechnet werden muss. Damit bleiben der Landesregierung gerade einmal drei Jahre, um ihre ambitionierten Ziele zu erreichen.

โ€žDerzeit gibt es in Sachsen kaum Windprojekte, die die nรถtigen Genehmigungen haben, um รผberhaupt an den Ausschreibungen teilzunehmenโ€œ, erklรคrt Maslaton. Auch in der ersten Ausschreibungsrunde 2020 hat keine Anlage aus Sachsen einen Zuschlag erhalten.

โ€žDamit kรถnnen wir schon heute absehen, dass wir bis Ende 2021 keinen nennenswerten Zubau von Windenergie in Sachsen haben werdenโ€œ, erklรคrt Maslaton die einfache Arithmetik. โ€žZwei Jahre der laufenden Legislaturperiode sind damit schon verschenkt. Will die Landesregierung mit ihren Klimazielen nicht krachend scheitern, muss sie schnell auf die Neuausweisung von Gebieten fรผr Windenergieanlagen drรคngen.โ€œ

Fรผr viele aussichtsreiche Windprojekte fehlt es an der notwendigen Planungsgrundlage. Die geltenden Regionalplรคne sind veraltet und die in der Fortschreibung befindlichen Plรคne stรผtzen sich noch immer auf energie- und klimapolitische Zielsetzungen aus dem Jahr 2012.

Windkraft-Stau an Land fรผhrt 2020 zu hรถherem Strompreis und mehr CO2-AusstoรŸ

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