Was ist das eigentlich? Bloßes Pech, dass die Mehrheit der Deutschen auch 2017 wieder Parteien gewählt hat, die lieber in Opas Sessel in der Vergangenheit sitzen bleiben wollen und die Augen vor der Zukunft verschließen? Oder hat diese Wahl zukunftsscheuer Regierungen in Deutschland System? Sind die Deutschen gar nicht das, von dem sie behaupten, es immer zu sein: wettbewerbsfähig und technologieoffen? Eigentlich erzählt das Gezerre um das „Klimapaket“ davon.

Das ist jetzt zwar nach heftigen Widerständen im Bundesrat etwas verbessert worden. Aber richtig Biss hat es noch nicht. Denn die entscheidenden Ministerien sind von Ministern besetzt, denen das Ausbremsen jeder Veränderung geradezu Arbeitsinhalt ist – vom Wirtschaftsminister über den Verkehrsminister bis zur Landwirtschaftsministerin, um nur die wichtigsten zu nennen, in deren Häusern jetzt eigentlich die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt werden müssten.

Denn auch wenn sie sich immer wieder herausreden, ihnen seien die Hände gebunden: Auch die deutsche Regierung hat sehr wohl große Gestaltungsmöglichkeiten, um jene Technologien zu befördern, die unser Land klimafest, umweltfreundlich und – nachhaltig – zukunftstauglich machen.

Das Wörtchen „nachhaltig“ betont, weil es die betroffenen Minister/-innen immer falsch verwenden und nie wirklich im Sinn von „enkeltauglich“. Ganz so, als hätten sie keine Kinder und Enkel und könnten sich nicht vorstellen, mit was für einer Welt die Kinder einst zurechtkommen müssen, wenn wir immer so weitermachen.

Und ein wichtiger Speicherstoff für die Erneuerbaren Energien, die jetzt zwingend ausgebaut werden müssen, damit Deutschland endlich aufhört, Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre zu blasen, ist der Wasserstoff. Wie man ihn herstellt, ist schon lange bekannt.

Die Produktion kann problemlos industriemäßig aufgezogen werden, erst recht, wenn aus dem Betrieb von Wind- und Solaranlagen riesige Mengen zeitweise überschüssigen Stroms zur Verfügung stehen, was heute schon an viele Tagen des Jahres der Fall ist. Nur gehen diese Anlagen dann vom Netz, arbeiten völlig im Leerlauf, weil meist Kohle- und Atomstrom die Netze verstopft. Der so umweltverträglich gewonnene Strom aber könnte per Elektrolyse einfach in Wasserstoff umgewandelt werden.

Das ist eigentlich von Anfang an das Thema beim mitteldeutschen HYPOS-Projekt. Die Beteiligten an diesem Projekt haben jetzt ein gemeinsames Positionspapier veröffentlicht, um auch der Politik noch einmal klarzumachen, was für eine Chance hier mitten im mitteldeutschen Kohle(ausstiegs)revier besteht.

„Die Technologie der Wasserelektrolyse wurde in den letzten Jahren maßgeblich in Deutschland entwickelt. Nun gilt es den nächsten Schritt vom bisher projektgetriebenen zu einem kommerziellen Markt zu schaffen“, formulierte Dr. Joachim Wicke, Vorstandsvorsitzender des HYPOS e. V., am 12. Dezember die aktuellen Herausforderungen der Wasserstoffwirtschaft. Im eigenen Positionspapier formuliert der über 100 Mitglieder starke Wasserstoffcluster HYPOS mehrere Forderungen an die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung.

Der Standort Deutschland ist aktuell Technologieführer im Bereich Wasserelektrolyse und Brennstoffzellen. Beide Technologien sind zentraler Bestandteil einer Grünen Wasserstoffwirtschaft. Mit der Wasserelektrolyse kann aus erneuerbaren Stromquellen Grüner Wasserstoff hergestellt werden. Natürlich ist der Wasserstoff nicht grün. Er wird nur so bezeichnet, weil zu seiner Herstellung eben keine fossilen Energien eingesetzt werden, sondern schlicht die überschüssigen Strommengen aus Wind- und Solaranlagen.

So wird der Strom nicht „verschwendet“, sondern mit Wasserstoff quasi speicherfähig gemacht und kann dann – wie Erdgas – in all den Anlagen wieder eingesetzt werden, wo heute noch Erdgasprodukte zum Einsatz kommen. Was übrigens nach 2030 auch für das von den Leipziger Stadtwerken geplante neue Gaskraftwerk geplant ist.

„Wasserstoff ist Wirtschaftskraft“, sagt Dr. Joachim Wicke. Also eine Chance auch für die bisherige Kohleregion Mitteldeutschland.

Seit 2013 ist die HYPOS-Initiative im Förderprogramm „Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 45 Millionen Euro ausgestattet. Diese wurden in über 25 Forschungsprojekte entlang der chemischen Umwandlung, dem Transport und der Speicherung und den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten investiert.

Im Positionspapier zur Nationalen Wasserstoffstrategie fordert das HYPOS-Konsortium die Bundesregierung jetzt auf,

– Grünen Wasserstoff als Energieträger der Zukunft anzuerkennen,
– Exportpotenziale der Wasserselektrolyse zu nutzen,
– geeignete regulatorische Maßnahmen zum industriellen Einsatz von Grünem Wasserstoff zu setzen,
– Grünen Wasserstoff für den Energietransport zu nutzen und
– Mobilität und Verkehr technologieoffen zu denken.

Bundesweit sind verschiedene Regionen durch bereits vorhandene Infrastrukturen prädestinierte Standorte für die flächendeckende Wasserstoffnutzung in Industrie, Energie und Verkehr. Mitteldeutschland gehört dazu. Diese Regionen gelte es, als Experimentierräume für Grünen Wasserstoff anzuerkennen sowie technische Entwicklungen und regulative Ausnahmen testen zu lassen. Nur im Verbund könne Grüner Wasserstoff sein Potenzial ausschöpfen und Wirtschaftskraft sein.

HYPOS-Pilotprojekt zur Untergrundspeicherung startet heute in Bad Lauchstädt

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